Yücel ist frei, aber die Türkei noch lange nicht
Es ist die schönste Nachricht des gestrigen Tages. Nach einem Jahr hinter Gittern ist der deutsch-türkische „Welt“-Journalist Deniz Yücel endlich frei. Bis zuletzt gab es keine Anklageschrift. Der Mann, der seinen Job machte und recherchierte, wurde als Terrorverdächtiger festgehalten. In einem Land, das angeblich demokratisch verfasst ist. Für Despoten wie Präsident Erdogan bedeutet die freie Presse – und scharfzüngige, polarisierende Journalisten wie Yücel sind es erst recht – ein ständiges Ärgernis und eine Bedrohung ihrer Macht. Das ist aber das Wesen der freien Presse. Wenn sie nicht mehr unbequem ist, ist sie wirkungslos.
Gut, dass sich die Bundesregierung und so viele Prominente und Wortgewaltige immer wieder öffentlich für die Freilassung Yücels eingesetzt haben. Was Despoten wie Erdogan noch mehr fürchten als eine freie Presse, ist der dauerhafte Liebesentzug des Westens. Die Türkei ist auf freien Handel, auf Tourismus angewiesen. Für eine neue Entspannungspolitik wäre es aber jetzt zu früh. 149 Journalisten sind weiter in Haft. Die Türkei ist weit entfernt von den Werten und Grundsätzen der EU. Wer nun wieder Waffen an Erdogan liefern will, der sollte sich mit Herrn Yücel unterhalten. Er würde es nicht wollen. BERLIN
Sicherheit vs. Freiheit
Es war eines der zentralen Wahlkampfversprechen der CDU in Nordrhein-Westfalen, das Land sicherer zu machen. Jetzt hat der Innenminister einen ersten Entwurf zur Änderung des Polizeigesetzes vorgelegt. Einiges davon, etwa verdachtsunabhängige Verkehrskontrollen oder die Telefonüberwachung, ist in anderen Bundesländern längst Standard. Terrorpläne in NRW und der unbehelligt im Land umherreisende Terrorist Anis Amri lassen all dies sinnvoll erscheinen.
Bei anderen Maßnahmen geht die Landesregierung deutlich weiter, als es in Deutschland bisher üblich ist. Insbesondere bei den Regelungen zum Aufenthalts- und Kontaktverbot für Gefährder und der Einführung der elektronischen Fußfessel wagt NRW sich weit vor. So soll es als Ultima Ratio künftig auch möglich sein, Stalker per elektronischer Fußfessel pausenlos zu überwachen. Zugleich werden die Hürden für den Einsatz solcher Mittel deutlich gesenkt. Mit drohender Terrorgefahr aber lassen sich diese gravierenden Eingriffe in Persönlichkeitsrechte kaum begründen. BERICHT MEHR ÜBERWACHUNG GEGEN TERROR, TITELSEITE
IMilitär und Sicherheit
hren schwarzen Hosenanzug hätte Ursula von der Leyen bei der Eröffnung der Münchner Sicherheitskonferenz mit Sack und Asche tauschen müssen. Während ihre französische Amtskollegin Florence Parly mit dem Beschluss anreiste, 300 Milliarden Euro mehr ins Militär zu investieren, konnte von der Leyen lediglich verkünden, dass Union und SPD in den nächsten vier Jahren mindestens eine Milliarde mehr für die Verteidigung ausgeben wollen.
Tatsächlich sprach sie selbst an, was die US-Delegation in München scharf kritisiert: Dass Deutschland immer noch zu weit von der Verpflichtung entfernt ist, zwei Prozent der Wirtschaftskraft für Verteidigung auszugeben. Doch von der Leyen ging in die Offensive und kritisierte die US-Absicht, bei Entwicklungshilfe und UN-Unterstützung zu kürzen. Tatsächlich wird die Sicherheitspolitik immer noch zu sehr von denen dominiert, die Konflikte mit militärischer Stärke „lösen“wollen. Die Gewinner und Verlierer in Syrien und in der Ukraine geben ihnen scheinbar recht. Aber nur kurzfristig. Langfristige Befriedung schafft das Militärische nicht allein. Ganz im Gegenteil. BERICHT