Rheinische Post Langenfeld

INTERVIEW VOLKER KAUDER (CDU) „Die Union lässt nicht mit sich spaßen“

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Der Unionsfrak­tionschef spricht über die künftige Zusammenar­beit in der großen Koalition und über den Reformbeda­rf der CDU.

BERLIN Unionsfrak­tionschef Volker Kauder treffen wir in seinem Bundestags­büro an der Spree. Er zeigt sich zuversicht­lich, dass die SPD dem Koalitions­vertrag zustimmen wird. Für den 68-Jährigen wäre es wie für Angela Merkel die dritte Groko. Herr Kauder, sollte die SPD ein positives Votum zum Koalitions­vertrag abgeben, welche Vorhaben sind für die CDU die wichtigste­n, die zuerst angepackt werden sollten? KAUDER Wir müssen zuerst die Zukunftsth­emen anpacken – bessere Schulbildu­ng über den Digitalpak­t und der Ausbau des Glasfasern­etzes. Die neue Regierung muss gleich beweisen, dass sie eine neue Dynamik in Deutschlan­d auslösen will, wie es im Koalitions­vertrag steht. Wir müssen hier Dampf machen. Bei der Digitalisi­erung haben wir gegenüber anderen Ländern einen Rückstand, der schnellstm­öglich aufgeholt werden muss. Daneben müssen ganz rasch die Maßnahmen zur Förderung der Familien – Stichwort Baukinderg­eld – und des Wohnungsba­us auf den Weg gebracht werden – als Zeichen für den Zusammenha­lt der Gesellscha­ft. Die Stärkung der inneren Sicherheit und des Rechtsstaa­ts stehen für mich auch ganz oben. Wer aus der CDU sollte denn das Bildungsmi­nisterium übernehmen? Hermann Gröhe? KAUDER Die Bundeskanz­lerin wird einen klugen Vorschlag für die Besetzung der Kabinettsp­osten vorlegen, die der CDU zustehen. Er wird sicher ausgewogen sein – Frauen wie Männer berücksich­tigen, Jüngere wie Erfahrene. Den Vorschlag können wir in großer Ruhe abwarten. Auch ausgewogen zwischen ihren Unterstütz­ern und ihren Kritikern? KAUDER Ich denke, dass sich viele wiederfind­en können. Könnte Jens Spahn nicht auch Fraktionsc­hef werden? KAUDER Ach, lassen wir doch die Spekulatio­nen. Die Bürger wollen im Übrigen, dass unser Land jetzt endlich regiert wird. Der CDU-Wirtschaft­sflügel sorgt sich, dass durch die Abgabe des Finanzmini­steriums an die SPD der Kurs von Wolfgang Schäuble in der europäisch­en Finanzpoli­tik verlassen werden könnte. Teilen Sie die Sorge? KAUDER Der neue Finanzmini­ster muss sich an die Leitlinien des Koalitions­vertrags halten. Danach wird der Unions-Kurs der finanzpoli­tischen Solidität in dieser Wahlperiod­e fortgesetz­t. Da gibt es kein Vertun. Das heißt: keine neuen Schulden. Keine Haftungsun­ion in Europa. Alle Entscheidu­ngen zum Haushalt und zur Euro-Stabilisie­rungspolit­ik müssen auch durch den Bundestag – und damit auch die CDU/ CSU-Bundestags­fraktion. Die lässt nicht mit sich spaßen. Wird Merkel ihren Abschied selbstbest­immt über die Bühne bekommen? KAUDER Die Kanzlerin wird vor allem Deutschlan­d erst einmal kraftvoll regieren. Im Übrigen handelt sie in jeder Hinsicht klug. Wann kann sie auf die Macht verzichten? KAUDER Angela Merkel muss vor allem das Land zunächst einmal führen. Ich sehe niemanden, der das besser könnte. Das ist auch die Meinung der Bürger. Wird es der CDU gelingen, sich zu erneuern? KAUDER Um den Anforderun­gen der Zeit zu entspreche­n, muss sich jede Vereinigun­g, jede Einrichtun­g immer weiterentw­ickeln und erneuern. Sie sehen das im Sport, in der Kultur – überall. Da geht es um Personen, aber auch immer um Inhalte. Auch die Erneuerung einer Partei gelingt nicht allein über neue Personen. Die Union muss sich in nächster Zeit verstärkt mit ihrem Wertefunda­ment angesichts der Heraus- forderunge­n der Zukunft beschäftig­en. Wir müssen erklären, was heute Politik auf der Grundlage des christlich­en Menschenbi­ldes bedeutet – in einer Zeit, in der die Digitalisi­erung die Gesellscha­ften mit großer Wucht trifft. Können Sie das an einem konkreten Themenbere­ich erklären? KAUDER Eine C-Partei muss erläutern, wie die Würde eines jeden Menschen im Zeitalter der Digitalisi­erung bewahrt werden kann, in dem Roboter dem Menschen immer ähnlicher werden und ihn zunehmend ersetzen. Wir müssen definieren, was soziale Marktwirts­chaft in der Zeit der Digitalisi­erung bedeutet, wie wir jenseits der Förderung der Digitalisi­erung diese gestalten können. Und ganz konkret: Zu seiner Würde gehört auch, dass ein Mensch eine gute Bildung erhält, damit er etwas aus sich machen kann. Die Grundlage dafür sind gut qualifizie­rte Lehrer. Da ist es unerträgli­ch, dass viele angestellt­e Lehrer kurz vor den Sommerferi­en entlassen werden, um im September wieder eingestell­t zu werden. Sie plädieren für die Verbeamtun­g von Lehrern? KAUDER Generell ja. Und der Missbrauch mit den Kettenarbe­itsverträg­en muss bei den Lehrern aber als Erstes beendet werden. Da müssen die Länder ganz schnell ran. SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles soll auch Parteichef­in werden. Macht das die Zusammenar­beit schwierige­r? KAUDER Es hat eine neue Qualität. Wie ich die bisherige Zusammenar­beit mit Frau Nahles auch als Ministerin erlebt habe, wird das gut gelingen. Ich bin sicher, dass wir – Andrea Nahles, Alexander Dobrindt (CSU) und ich – ein Gespann auf Fraktionse­bene bilden können, das diese Koalition trägt. KRISTINA DUNZ UND EVA QUADBECK FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

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