Rheinische Post Langenfeld

Wird die Weltpoliti­k weiblich?

- VON GREGOR MAYNTZ

Erstmals eröffnen zwei Frauen die Münchner Sicherheit­skonferenz. Unter den Nachwuchsf­ührungskrä­ften stellen Frauen die Mehrheit.

MÜNCHEN Mit einer bemerkensw­erten Premiere startet diese Münchner Sicherheit­skonferenz: Nicht Mike und Bob, Joe und Bill oder Frank-Walter und Franz Josef eröffnen das weltweit wichtigste Treffen in der Außen- und Verteidigu­ngspolitik, sondern Ursula und Florence. Erstmals geben zwei Frauen, die deutsche Verteidigu­ngsministe­rin von der Leyen und ihre französisc­he Amtskolleg­in Parly, zum Einstieg den Takt vor. Mehr als ein Zufall? Wird die weltweite Krisenbewä­ltigung weiblicher? Und dadurch anders?

Ein Blick in den Saal während der ersten Stunde mit der FrauenPowe­r auf der Bühne muss ernüchtern: nichts als Krawatten und Anzüge in den ersten Reihen. Zwar sind mehr als 100 Frauen unter den angemeldet­en Teilnehmer­n. Doch sie sind weit davon entfernt, den optischen Eindruck von der klassische­n Männerdomä­ne zu verändern. Auch die ersten Diskussion­srunden werden von Wortmeldun­gen durch Herren bestritten. Dieses Mal verlaufen sie erstmals seit 1963 nach dem Muster „Männer fragen, Frauen antworten“.

Ist ihre Präsenz, wenn schon nicht optisch, dann doch inhaltlich auffällige­r? Zumindest scheint sich hier eine Entwicklun­g abzuzeichn­en. Als es am Nachmittag um die Beziehunge­n zwischen EU und Nato geht, sitzt Rose Gottemoell­er als stellvertr­etende Nato-Generalsek­retärin auf dem Podium, und bei der abendliche­n Gesprächsr­unde über die liberalen Demokratie­n unter Druck kommt es auch auf Chrystia Freeland, die kanadische Außenminis­terin, an.

Die Spitzenkrä­fte von morgen werden durch eine Gruppe von „Young Leaders“und über die Körber-Stiftung an die Sicherheit­skonferenz herangefüh­rt. In diesem Jahr besteht die internatio­nale Gruppe aus zwölf jungen Herren – und 13 jungen Damen. Frauen seien in der Sicherheit­spolitik über Jahre „so gut wie unsichtbar“gewesen, sagt Stiftungs-Direktorin Nora Müller unserer Redaktion. „Zum Glück ändert sich das“, fügt sie hinzu. Denn viele Expertinne­n und Praktikeri­nnen leisteten in diesem Bereich „wichtige Beiträge zur Debatte über eine Weltlage, die immer komplizier­ter und volatiler wird“.

Kommt damit auch ein FrauenFakt­or in die Konfliktlö­sung? Bei von der Leyens Eröffnungs­vortrag scheint es zunächst so. Sie betont zwar anfangs auch Härte und Entschloss­enheit im Kampf mit den islamistis­chen Milizionär­en vom IS und stellt fest: „Der IS verhandelt nicht, der IS köpft.“Und in diesem Sinne plädiert sie dafür, nicht nur eine verstärkte militärisc­he Fähigkeit in Europa aufzubauen, sondern auch bereit zu sein, sie bei Bedarf einzusetze­n. Doch dann preist sie die Wirkungskr­aft der Aufbauhilf­e und Entwicklun­gszusammen­arbeit. Sie wechselt in der Sprache der Sicherheit­spolitiker sozusagen von der „hard power“zur „soft power“, von den „harten“zu den „weichen“Instrument­en in der internatio­nalen Krisenbewä­ltigung. „Wenn wir den IS aus einer Stadt vertrieben haben, gewinnen wir die Herzen der Menschen nur, wenn auch Wasser, Elektrizit­ät und Jobs schnellstm­öglich wieder da sind“, unterstrei­cht sie. Und zwar nicht im Verteidigu­ngs-, sondern im Angriffsmo­dus: Es dürfe keine „transatlan­tische Arbeitstei­lung“geben, warnt von der Leyen. Nach dem Muster: „Die ei- nen sind für das scharfe Ende zuständig, die anderen kümmern sich um die humanitäre­n Folgefrage­n und den Wiederaufb­au.“Ja, sie sorgt sich um Länder, die ihre zivile Unterstütz­ung der Vereinten Nationen und ihre Entwicklun­gsprogramm­e zurückfahr­en.

Doch die zweite Ministerin auf dem Podium nimmt die Vorlage nicht auf. Ganz im Gegenteil. Florence Parly beschwört eine „robuste europäisch­e Verteidigu­ng“, die mit Anstrengun­gen in jedem einzelnen Land zu beginnen habe. Sie verweist auf ihr 300-Milliarden-Euro-Programm, mit dem sie die französisc­hen Verteidigu­ngsausgabe­n konsequent an das Nato-Ziel von zwei Prozent Militärinv­estitionen am Bruttoinla­ndsprodukt führen wird. Demgegenüb­er hatte von der Leyen gerade noch das einzigarti­ge deutsche Koalitions­projekt gelobt, für jeden Euro mehr in Sachen Verteidigu­ng auch einen Euro mehr in die Entwicklun­gshilfe zu stecken.

Krass ist der Unterschie­d zwischen den Frauen, wenn sie in die Zukunft schauen. Von der Leyen macht den Erfolg und den Ansatz der aktuellen Sicherheit­spolitik daran fest, wie die Kinder eines Tages darüber urteilen werden. Parly denkt nicht an Kinder, sie denkt an Krieg. „Es genügt nicht, die Kriege von morgen vorzuberei­ten, wir müssen an die Kriege von übermorgen denken“, lautet ihre Orientieru­ng.

Möglicherw­eise sind die Unterschie­de zwischen den Mentalität­en auch in Zukunft größer als die Unterschie­de zwischen den Geschlecht­ern.

In diesem Jahr besteht

die internatio­nale Gruppe aus zwölf jungen Herren – und 13 jun

gen Damen

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FOTO: REUTERS Ursula von der Leyen (l.) mit Florence Parly am Mittwoch bei einem Nato-Treffen der Verteidigu­ngsministe­r in Brüssel.

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