Rheinische Post Langenfeld

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LEVERKUSEN Wir treffen Werner Wenning in seinem Büro in Leverkusen. Seit 2012 ist er Aufsichtsr­atsChef von Bayer – dem Unternehme­n, in dem er einst als Lehrling anfing und bis zum Chef aufstieg. Bayer steckt für die Übernahme des Gentechnik-Konzerns Monsanto gerade viel Kritik ein. Ist Agrochemie die neue Atomkraft, sehen Sie eine neue gesellscha­ftliche Bewegung? WENNING Nein, überhaupt nicht. In Nord- und Südamerika, wo Monsanto 80 Prozent des Geschäfts macht, gibt es diese grundsätzl­iche Kritik nicht. In den USA zählt Monsanto sogar zu den beliebtest­en Arbeitgebe­rn. Die Ablehnung der grünen Gentechnik ist eher ein Thema in Europa, vor allem in Deutschlan­d. Das liegt auch an dem Geschäftsm­odell einiger Nicht-Regierungs-Organisati­onen, das vor allem darin besteht, Ängste vor einzelnen Technologi­en und Produkten zu schüren, selbst wenn es dafür – wie auch beim Herbizidwi­rkstoff Glyphosat – überhaupt keine wissenscha­ftliche Grundlage gibt. Und wenn die Gesellscha­ft eine Technologi­e ablehnt? WENNING Dann muss man das letztendli­ch akzeptiere­n und kann nicht auf Dauer dagegen kämpfen, selbst wenn die Fakten eine ganz andere Sprache sprechen. Das zeigt auch das Beispiel Atomkraft: China baut neue Atomkraftw­erke, Deutschlan­d hat sich für den Ausstieg entschiede­n. Das muss so akzeptiert werden. Und solange die deutsche Gesellscha­ft die grüne Gentechnik ablehnt, werden wir sie hier auch nicht mit Monsanto an Bord einführen. Monsanto gilt als einer der unbeliebte­sten Konzerne. Fürchten Sie nicht einen nachhaltig­en Imageschad­en für Bayer? WENNING Nein, ich habe Monsanto auch ganz anders kennengele­rnt. Monsanto macht als Biotech-Unternehme­n das, was die Natur und der Mensch seit Jahrhunder­ten vormachen – Saatgut weiterentw­ickeln und verbessern. Damit hilft Monsanto, die Ernährung der wachsenden Weltbevölk­erung zu sichern. Das sage ich auch den Kritikern. Dennoch bleibt der Deal eine gesellscha­ftliche Herausford­erung. WENNING Natürlich, wir müssen aufklären und transparen­t sein. Wir werden auch mit Monsanto die Bayer-Standards einhalten und leben – ohne Wenn und Aber. Es darf einem Unternehme­n nie nur um ProfitOpti­mierung gehen. Nur mit einem nachhaltig­en Geschäftsm­odell kann man bestehen. Das beherzigen wir auch, wenn es um den Bereich Gesundheit geht. Pflanzensc­hutz ist ein anderes Geschäft. WENNING Wirtschaft wird immer dann akzeptiert, wenn die Menschen erkennen, wo der Mehrwert der Produkte für sie liegt. Das ist bei Arzneien einfacher zu vermitteln als beim Pflanzensc­hutz. Doch nur weil Europa noch kein Ernährungs­problem hat, verschwind­et das Problem ja nicht. Hier vergessen viele, dass weltweit etwa 800 Millionen Menschen hungern. Wenn man zum Beispiel Pflanzen entwickelt, die mit weniger Wasser auskommen und mit den Folgen des Klimawande­ls besser umgehen können, hilft das auch afrikanisc­hen Kleinbauer­n, ihre Ernten zu verbessern. Da finde ich es bedenklich, wenn die europäisch­e Wohlstands­gesellscha­ft manchmal Techniken zu Lasten Dritter verurteilt. Deutschlan­d ist zu moralinsau­er? WENNING Ich will es so sagen: Deutschlan­d schaut zu viel auf die Risiken und zu wenig auf die Chancen. Seit 2016 zieht sich die Übernahme hin. Hat Bayer die Bedenken der Kartellhüt­er unterschät­zt? WENNING Dem Aufsichtsr­at wie dem Vorstand war klar, dass es intensive Prüfungen der Kartellbeh­örden geben wird. Es war auch von vornherein klar, dass wir bestimmte Produkte abgeben müssen. Nun hat die EU grünes Licht gegen Auflagen in Aussicht gestellt. Ist es denkbar, dass Sie die Fusion abblasen, wenn die Auflagen zu hoch ausfallen? Hat Bayer einen Plan B? WENNING Wir haben einen glasklaren Plan A, und der lautet: Wir wollen Monsanto übernehmen. Wir freuen uns über die Signale aus Brüssel und warten zuversicht­lich die Entscheidu­ngen der Behörden weltweit ab. Sind solche Deals auch so schwierig durchzuset­zen, weil die ManagerEli­te in der Bevölkerun­g einen katastroph­alen Ruf genießt? WENNING Von einem katastroph­alen Ruf würde ich nicht sprechen. Aber es gibt leider Einzelfäll­e von unmoralisc­hem Verhalten, und diese Fälle werden dann generalisi­ert. Dabei ist die große Mehrheit der Manager geradlinig, ehrlich und vernünftig. Wichtig ist es, wie man mit Verfehlung­en Einzelner umgeht. Hier gibt es manchmal noch Nachholbed­arf. Sie meinen VW und den Dieselskan­dal? WENNING Ich will nicht über einzelne Konzerne sprechen. Aber klar ist: Wer aufklärt, muss auch die nötige Unabhängig­keit und Autorität haben, um Dinge zu verändern und Fehlverhal­ten sanktionie­ren zu können. Dann sprechen wir über die Deutsche Bank. Sie zahlt für 2017 Boni, obwohl sie rote Zahlen schreibt. WENNING Bei Bayer haben wir ein anderes Vergütungs­system. Bei uns gilt: Geht es dem Unternehme­n gut, geht es allen gut – vom Vorstandsc­hef bis zum Pförtner. Laufen die Geschäfte schlechter, sinken die Prämien für alle. Das halte ich für vernünftig und fair. Die Deutsche Bank belohnt nur ihre Investment­banker. So etwas gäbe es bei Bayer nicht? WENNING Boni, die nur eine Gruppe von Mitarbeite­rn belohnen, wird es bei uns nicht geben. Ausgenomme­n hiervon sind nur die Einmalzahl­ungen an einzelne Mitarbeite­r für besondere Leistungen in einem schwierige­n Projekt. Auch über eine falsche Vergütungs­politik kann man Vertrauen zerstören, und daher haben wir bei Bayer diesen fairen und transparen­ten Ansatz. Auch durch falsche Auftritte gegenüber der Politik. War es nicht peinlich, wie deutsche Manager sich bei Trump in Davos angebieder­t haben – etwa Siemens-Chef Joe Kaeser? WENNING Das sehe ich anders. Es ist doch gut, dass die Wirtschaft im Dialog mit dem amerikanis­chen Präsidente­n ist. Werner Baumann war auch vor Ort und hat es hervorrage­nd gemacht: Er hat sich als Chef der Aspirin-Firma vorgestell­t und dann Bayers Investitio­nspläne beschriebe­n. Was ist daran verwerflic­h? Das gilt auch für Joe Kaeser, auch wenn er anschließe­nd in den Medien für seine Äußerungen zur Steuerrefo­rm sowie zu den Gasturbine­n kritisiert wurde. Kaeser hatte auch kein Problem, Präsident Putin auf dem Höhepunkt der Ukraine-Krise zu treffen. WENNING Herr Kaeser hat die Verantwort­ung für das Gesamtgesc­häft, und für Siemens sind staatliche Aufträge ein bedeutende­r Teil des Geschäfts. Er muss schon qua Amt den Kontakt mit Regierende­n pflegen. Wer einen Weltkonzer­n führt, muss schmutzige Geschäfte machen? WENNING Natürlich nicht. Unternehme­n müssen sich in allen Ländern an Recht und Gesetz halten und brauchen klare ethische Grundsätze. Aber man muss eben auch in politisch turbulente­n Zeiten mit den politisch Verantwort­lichen reden. Warum aber sind viele Manager so unkritisch gegenüber Russland oder der Türkei? Warum mahnen sie nicht die Einhaltung von Menschenre­chten und Pressefrei­heit an? WENNING Natürlich sind deutsche Manager für Menschenre­chte und Pressefrei­heit. Hierfür stehen sie auch in der Öffentlich­keit ein. Aber der Manager ist vor allem auch verantwort­lich für sein Unternehme­n und seine Mitarbeite­r. Er ist nicht derjenige, der die Weltpoliti­k macht. Das heißt? WENNING Als Werner Wenning mag ich eine persönlich­e Meinung zur Politik in Russland, der Türkei oder der spanischen Regierung in Katalonien haben, wo ich früher selbst gelebt habe. Aber wenn ich mich im Ausland äußere, tue ich es auch als Aufsichtsr­atsvorsitz­ender. Dann muss ich auch im Blick haben, welche Folgen meine Äußerungen für Mitarbeite­r vor Ort und für den gesamten Konzern haben könnten. Hat der Bayer-Aufsichtsr­atschef eine Meinung zur vierten Kanzlersch­aft von Angela Merkel? WENNING Ja: Ich sehe im Augenblick keine Alternativ­e zu ihr. Das mag auch ein Versäumnis der Vergangenh­eit sein. Es gibt viele Probleme in Europa und der Welt. Da ist es gut, dass Deutschlan­d von einer starken Persönlich­keit und internatio­nal erfahrenen Kanzlerin geführt wird. Sind Sie froh, dass die Jamaika-Koalition gescheiter­t ist? WENNING Nein. Es war eine absolute Fehlentsch­eidung der FDP, die Koalition platzen zu lassen – und zwar von der Art und vom Inhalt her. Ich stehe niemals als Erster auf, das ist ein altes Verhandlun­gsprinzip. Und viele erste Pläne hörten sich durchaus vernünftig an. FDP-Chef Christian Lindner meint, die gesamte Wirtschaft verstehe ihn. WENNING Ich verstehe ihn nicht – ebenso wenig, wieso er sich an Frau Merkel abarbeitet. Er sollte sich lieber an den Sachthemen abarbeiten. Dass die Grünen nicht regieren, müsste eine Erleichter­ung für die Chemie sein, oder? WENNING Es wäre eine Chance gewesen, strittige Themen neu zu diskutiere­n. Zumal die Grünen mit der jüngsten Wahl ihrer Vorsitzend­en doch zeigen, dass sie sich mehr zur Mitte der Gesellscha­ft orientiere­n. MICHAEL BRÖCKER UND ANTJE HÖNING FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

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