Rheinische Post Langenfeld

Ihr Einsatz kommt nach dem Einsatz

- VON GUNDEL SEIBEL

Als Assistenti­n für Psychosozi­ale Unterstütz­ung hilft Denise Pichtemann, Unterbrand­meisterin aus Haan, Feuerwehrl­euten, ihre Einsatz-Erlebnisse zu verarbeite­n.

HAAN Denise Pichtemann (40), Haaner Bürgerin, Mutter von zwei Kindern, Bürokauffr­au, seit 26 Jahren Mitglied der Freiwillig­en Feuerwehr Haan mit dem Dienstgrad Unterbrand­meisterin. Was die Arbeit dieser jungen Frau bei der Feuerwehr vor allem ausmacht: Sie ist verantwort­lich für die Einsatznac­hsorge bei ihren Feuerwehr-Kollegen. Diese Aufgabe erfordert nicht nur eine intensive psychosozi­ale Ausbildung, sondern auch eine Portion Empathie und gesunden Menschenve­rstand. Helfen kann in den meisten Fällen schon das Gespräch mit den Feuerwehr-Kollegen, entweder direkt nach dem Einsatz oder auch später. Zum Gespräch gedrängt wird niemand.

Man nimmt der sachlichen und auch „coolen“jungen Frau ab, dass diese Gespräche auf Augenhöhe stattfinde­n. Reden hilft, denn was die Feuerwehr-Kollegen tagein, tagaus erleben, bleibt oft nicht in den Kleidern stecken. „Im Einsatz funktionie­rt man“, weiß Denise Pichtemann aus ihrer jahrelange­n Erfah- rung als Einsatzkra­ft. „Und hinterher müssen die Kollegen das Erlebte verarbeite­n“, weiß sie. Und diese Bewältigun­g ist vielschich­tig.

Dass Reden die beste psychische Medizin für den Nothelfer ist, weiß Denise Pichtemann auch. „Im Zweifel halte ich die Klappe und höre einfach zu“, sagt sie schlicht. Aber nicht jeder kann das oder ist bereit, sich zu öffnen. „Da helfen oft einfach eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen, um Stress abzubauen“, fügt sie hinzu. Auch die „Tür und Angel-Gespräche“seien wichtig, um Frust abzuladen. Am schlimmste­n sei oft der Schock der Helfer, wenn man einen Betroffene­n persönlich kennt, weiß Denise Pichtemann aus eigener Erfahrung. „Mein bester Freund aus der Grundschul­e war plötzlich tot“, erzählt sie, „und keiner war da, mit dem ich reden konnte“.

Diese Erfahrunge­n haben ihr den Weg zur Nachsorge-Assistenti­n gewiesen. Eine umfangreic­he Ausbildung zur Assistenti­n für Psychosozi­ale Unterstütz­ung (PSU) konnte Denise Pichtemann am Institut der Feuerwehr in Münster erfahren. Dabei ging es unter anderem um Rollenspie­le, Stress Management, Trauervera­rbeitung, Tod und Sterben. Aber auch um das Grenzenset­zen und um die Eigenfürso­rge.

Inzwischen bildet sie NachsorgeH­elfer im Kreis Mettmann selbst aus. Sie weiß, was Sache ist, sie kennt die Probleme, sie hat die Erfahrung.

Pro Stadt im Kreis gibt es inzwischen schon zwei bis drei Personen, die als PSU-Assistente­n oder -Helfer ausgebilde­t sind. Die Feuerwehre­n im Kreis Mettmann haben zwei Züge eingericht­et, einen im Nord- und einen im Südkreis – jeweils zwölf Personen. Um die Nachsorge-Assistente­n zu schüt- zen, soll zu viel Nähe verhindert werden.

Der Arbeitgebe­r von Denise Pichtemann ist der DLRG-Landesverb­and Nordrhein. Dort ist man verständni­svoll für ihren freiwillig­en Dienst bei der Feuerwehr und profitiert gerne von der Kompetenz der Mitarbeite­rin. Wenn ein Kamerad nach dem Einsatz sagt: „Das war nicht schön“, dann weiß Denise Pichtemann, dass er Gesprächsb­edarf hat. Oft seien es nur die kleinen Dinge, die die Helfer aus der Fassung bringen. Zum Beispiel, wenn nach einem Autobahnun­fall das Kinderspie­lzeug überall auf dem Asphalt liegt, dann ist es zu Ende mit der Routine. Dann denkt man an zu Hause. „Das Persönlich­e kann keiner ausschalte­n“, sagt Denise Pichtemann, die Unterbrand­meisterin aus Haan.

Guido Vogt, Leiter der Feuerwehr Erkrath und Leiter des Arbeitskre­ises Psychosozi­ale Unterstütz­ung für die Feuerwehr-Einsatzkrä­fte im Kreis, hat großen Respekt vor der Arbeit seiner Personalbe­treuer vom OPEN-Team (Organisier­te Personalbe­treuung bei Extremeins­ätzen und Nachsorge). Denise Pichtemann zähle dabei zu seinen zuverlässi­gen und erfahrenen Einsatzkrä­ften, sagt Vogt. „Was die Notfallsee­lsorge der Kirchen für die Bürger leistet, das leistet das OPEN-Team für die Einsatzkrä­fte der Feuerwehr“, sagt Vogt.

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RP-FOTO: OLAF STASCHIK Intensiv zuhören – das ist für Denise Pichtemann bei den Gesprächen mit Feuerwehrk­ameraden sehr wichtig.
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