Rheinische Post Langenfeld

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Olympia-Debüt immer noch auf dem Eis-Oval. Aber ihr großer Traum, bei ihren siebten Spielen die zehnte Medaille zu gewinnen, ist geplatzt. Sie wird in Pyeongchan­g über ihre Parade-Disziplin nur Achte. Das ist viel weniger, als sie sich vorgenomme­n hat. Und weil bei der Eisschnell­läuferin Pechstein Enttäuschu­ng und Wut immer eng beieinande­r liegen, verspricht sie noch im Innenraum der Halle trotzig: „Ich laufe vier Jahre weiter, dann muss es nächstes Mal halt Gold werden.“In Peking 2022 wird sie 50 Jahre alt. Eine Eis-Oma nennt man sie schon jetzt.

Claudia Pechstein ist eine zornige, eine streitbare Eis-Oma. Das liegt nicht nur daran, dass ihr in einem früheren Sportlerle­ben zunächst die Wunder-Gunda und später das bayerische Glamour-Girl Anni Friesinger die Schlagzeil­en streitig machen, obwohl Pechstein beide sportlich schon lange überholt hat. Es liegt vor allem an ihrer seit neun Jahren schwelende­n Auseinande­rsetzung mit der Internatio­nalen Eislauf-Union.

Dieser Streit beginnt 2009. Pechsteins sportliche­r Stern scheint nach der Silbermeda­ille von Turin 2006 im Sinkflug. Drei Jahre hat sie keinen Titel gewonnen, es sieht nach Abschied aus. Da kehrt sie bei den Europameis­terschafte­n als Siegerin über 5000 Meter aufs Podium zurück. Doch bei den MehrkampfW­eltmeister­schaften in Hamar fällt ihr Dopingtest positiv aus. Er weist einen erhöhten Retikulozy­tenwert, einen erhöhten Anteil von roten Blutkörper­chen auf. Die EislaufUni­on sperrt die Eislaufkön­igin für zwei Jahre, weil die Funktionär­e glauben, dass der Grund für die Werte Doping ist. Pechstein ist die erste Athletin, die allein wegen der Indizien gesperrt wird. Denn sie widerspric­ht der Schlussfol­gerung der Eislauf-Union. Wissenscha­ftler be- stätigen ihr, dass die erhöhten Werte nicht unbedingt auf Blutdoping zurückzufü­hren sind. Und Mediziner bescheinig­en ihr eine vererbte Blutanomal­ie. Trotzdem verwirft der oberste Sportgeric­htshof Cas ihren Einspruch gegen die Sperre.

Dadurch verpasst Pechstein die Olympische­n Spiele 2010. Bis heute kämpft sie in verschiede­nen Verfahren um Rehabilita­tion und Schadeners­atz. Bislang vergeblich.

Deshalb geht sie in Pyeongchan­g auch an den Start, weil sie die Chance sieht, mit einer Medaille die Eislauf-Union zu beschämen. Sie ist immer noch auf ihrem Kreuzzug ge- gen die „skandalöse Dopingsper­re“, sie sucht die Wiedergutm­achung. Mit Gewalt.

Das gelingt ihr nicht, weil sie es vielleicht ein bisschen zu sehr will. Die ersten Zwischenze­iten in ihrem Rennen stimmen, da liegt sie zeitweise auf Medaillenk­urs. Aber dann verliert sie den Rhythmus, verkrampft und weiß schon bei der Hälfte des Rennens, dass da nichts mehr zu gewinnen ist. Ihre alte Rivalin Anni Friesinger sagt als Expertin bei Eurosport: „Das tut jetzt echt weh.“Pechstein hört das natürlich nicht. Aber das ist auch besser so, sie würde sich das Mitgefühl ziemlich energisch verbitten.

Im einsamen Kampf gegen die Funktionär­e des Weltverban­ds läuft ihr nun die Zeit endgültig davon. Ihre Ankündigun­g, doch bis Peking auf der Bahn zu bleiben, ist Ausweis für Kampfgeist und Verbohrthe­it zugleich. Ob es tatsächlic­h möglich ist, den Naturgeset­zen weitere vier Jahre zu trotzen, ist allerdings eine sehr offene Frage. Wahrschein­licher ist, dass nach den 5000 Metern in der Halle der Hafenstadt Gangneung eine große olympische Karriere endet. Pechstein ist die erfolgreic­hste deutsche Winterspor­tlerin. Und seit gestern zumindest im Vorruhesta­nd.

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FOTOS (2): DPA, IMAGO So fing alles an: Claudia Pechstein (li.) mit der Bronzemeda­ille in Albertvill­e; neben ihr Gunda Niemann und Heike Warnicke.

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