Rheinische Post Langenfeld

DABEI SEIN IST ALLES

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Der Freitag der Demut

Es ist wie abgerissen. Ein ganzer Wettkampft­ag bei den Olympische­n Spielen ist vergangen, und es gab nicht eine einzige Medaille für die deutsche Mannschaft. Nicht einmal eine bronzene.

Wahrschein­lich durchblätt­ern die Funktionär­e des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s schon mit schwitzend­en Fingern die Chronik der Spiele von Sotschi. Vor vier Jahren hatte das Team zur Halbzeit ihr Pulver beinahe verschosse­n. In der zweiten Hälfte gab es nur noch eine Goldmedail­le. Acht waren es am Ende, und der Funktionär­straum, sich in einer Triumphfah­rt im offenen Wagen durch den Frankfurte­r Wald fahren zu lassen, war geplatzt.

Daran denken sie jetzt wieder. Wenn’s so läuft wie in Sotschi, dann werden es diesmal neun Goldmedail­len sein. Das wäre eine Bilanz, für die sich Deutschlan­ds oberste Olympier gewiss nicht feiern lassen dürfen. Und sie würden dann bestimmt wieder das Förderungs­system in Frage stellen und extrem lange Tagungen damit verbringen, das Stützpunkt­wesen neu zu erfinden.

Denn eines steht ja fest: Bei allen Sonntagsre­den, in denen der Geist Olympias beschworen wird und der höhere Sinn des völkerverb­indenden Sportfests, geht es vor allem ums Medaillenz­ählen. Medaillen sind Ausdruck einer stimmigen Organisati­on. Sie geben nicht nur Sportlern Selbstbewu­sstsein, son- dern ganzen Verbänden so etwas wie Sinn.

Wer an einer Medaille vorbeiruts­cht, -fährt, -springt oder -läuft, gehört zu den Verlierern, die schon heute niemanden mehr interessie­ren. So stark wirkt das Diktat des Medaillens­piegels.

Es ist ein schwacher Trost, dass sich selbst die antiken Olympische­n Spiele allein dem Erfolg verschrieb­en hatten. Da war bereits der Zweite ein Verlierer, den nicht selten Schimpf und Schande in der Heimat erwarteten. Insofern sind die Medaillen der Neuzeit bereits ein echter Fortschrit­t.

Und vielleicht gibt dieser medaillenf­reie Freitag die notwendige Demut auf dem weiteren Weg durch die Spiele von Pyeongchan­g. Wäre doch ganz schön, ehe die Erfolgsbes­offenheit den ganzen Spaß an spannenden Wettbewerb­en verdirbt, die ausnahmswe­ise mal kein Deutscher gewinnt. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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