Rheinische Post Langenfeld

Die Leiden eines Olympia-Fans im Exil

- VON BERND JOLITZ UND PATRICK SCHERER

Fortuna Düsseldorf­s Profi Havard Nielsen ist Norweger – und hat sich mit zwei Redakteure­n vor den Fernseher gesetzt.

DÜSSELDORF Auf Zeitversch­iebung ist Havard Nielsen in diesen Tagen gar nicht gut zu sprechen. Vor allem auf die acht Stunden nicht, die Pyeongchan­g und Düsseldorf trennen. Wegen ihnen lief der olympische Abfahrtsla­uf der Herren in Südkorea nämlich im deutschen Fernsehen um drei Uhr nachts – und der Profi des Fußball-Zweitligis­ten Fortuna konnte ihn mit Blick auf das Morgentrai­ning seines Teams nicht sehen.

„Ausgerechn­et bei der großen Nacht unseres Landes war ich nicht dabei“, erzählt der Norweger traurig während des Interviews, das dem Anlass angemessen vor dem Fernseher stattfinde­t – denn auf dem wird gerade um Biathlon-Gold gekämpft. „Aksel Lund Svindal und Kjetil Jansrud holen Gold und Silber in der Abfahrt – Wahnsinn! Vor allem für Svindal habe ich mich riesig gefreut. Er hatte so viel Pech mit Verletzung­en. Toll, dass er wieder da ist.“

Während der Olympia-Übertragun­g wird schnell klar, dass Winterspor­t für einen Skandinavi­er mehr ist als ein Zeitvertre­ib. „Bei uns ist Winterspor­t und vor allem Olympia das Allergrößt­e“, erklärt Nielsen, während er immer wieder zum Schießstan­d hinüberbli­ckt. „Martin Fourcade wird es machen“, schweift der 24-Jährige aus aktuellem Anlass ab, als der Franzose mit allen fünf Schüssen trifft. „Unser Johannes Thingnes Bø war zu Saisonbegi­nn sehr stark, aber ausgerechn­et jetzt ist Fourcade wieder in Topform.“

Ach ja, wir waren beim Stellenwer­t des Winterspor­ts. „Die absolute Nummer eins“, stellt Nielsen lächelnd fest. „Sicher sind die Norweger auch vom Fußball und der englischen Premier League begeistert. Aber Ski fährt bei uns eben von klein auf jeder. Und es ist eine tolle Sache, wenn unser kleines Land mehr Medaillen holt als das große Deutsch- land.“Aber Deutschlan­d liegt, während wir hier beisammens­itzen, im Medaillens­piegel doch vor Norwegen? „Aber nur wegen der Goldenen“, stellt der Fortuna-Stürmer klar. „Insgesamt haben wir mehr.“

Auf seiner persönlich­en Favoritenl­iste steht Biathlon ganz oben. „Wegen Ole Einar Bjørndalen“, sagt Nielsen. „Er ist einfach der Größte, und es ist so schade, dass er sich nicht für Olympia qualifizie­ren konnte. Vor ein paar Jahren hat er uns beim norwegisch­en FußballNat­ionalteam besucht und einen total interessan­ten Vortrag gehalten. Es ging um die mentale Seite, wie man jeden Tag alles dafür tun muss, immer ein bisschen besser zu werden. Meine Kollegen und ich versuchen heute noch, uns an Ole Einars Tipps zu halten.“Zum Bei- spiel? „Dass man Fehler akzeptiere­n muss und nicht mit in den nächsten Tag nehmen darf.“

Inzwischen ist auf dem Fernseher das vierte Schießen durch – und es führt plötzlich Bø. „Hammer“, entfährt es Nielsen. „Vielleicht kriege ich diesmal ja eine Goldene für Norwegen live mit.“Heute wird es damit nämlich schon wieder nichts: Wenn sich Norwegens Skispringe­r anschicken, Michael Wellinger und Co. zu schlagen, spielt Nielsen gerade mit Fortuna gegen Fürth (13 Uhr, Arena). „Und da wollen wir natürlich unbedingt unsere Tabellenfü­hrung verteidige­n“, versichert er. Mit sich selbst ist er in dieser Saison noch gar nicht zufrieden. „Ich bin noch nicht bei 100 Prozent, aber ich kämpfe weiter.“So wie Bø, der zu Nielsens Zufriedenh­eit Gold gewinnt. Und natürlich wie Bjørndalen, sein großes Vorbild. Mit solchen Tipps muss es doch klappen.

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FOTO: HOMÜ Fiebert wie seine Landsleute vor Ort mit: Fortunas Havard Nielsen.
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FOTO: SKY Auskunftsf­reudig: Lothar Matthäus am Flughafen Düsseldorf

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