Rheinische Post Langenfeld

Trier feiert Karl Marx

- VON ANJA KÜHNER

Vor 200 Jahren wurde Karl Marx in Trier geboren. Ihm zu Ehren gibt es Ausstellun­gen und Führungen. Aber auch wer sich dem Moselwein widmet, kann den Spuren des großen Denkers folgen.

Groß und mächtig steht es da, das wohl älteste Tor Deutschlan­ds: die Porta Nigra. Von den Römern erbaut, erhielt sie erst im Mittelalte­r ihren Namen, der übersetzt „schwarzes Tor“bedeutet – denn nach mehr als tausend Jahren hatten Staub und Witterung den ursprüngli­ch hellen Sandstein dunkel gefärbt. Die römischen Thermen, Basilika und Dom, Amphitheat­er und Römerbrück­e prägen Trier, die nach eigenem Bekunden älteste Stadt Deutschlan­ds, und zählen zum Weltkultur­erbe.

Gleich hinter der schwarzen Römerpfort­e beginnt die Simeonstra­ße, heute die Fußgängerz­one. Dort, mitten im historisch­en Kern der Stadt, nur einen Steinwurf von der „Poort“entfernt, verbrachte der wohl berühmtest­e Trierer seine Jugend: Karl Marx. Der Mann, der mit seinen Schriften wie „Kommunisti­sches Manifest“und „Das Kapital“die Weltgeschi­chte ebenso wie die jüngere deutsch-deutsche Geschichte beeinfluss­t hat, erblickte im Jahr 1818 in der Brückenstr­aße das Licht der Welt. Momentan wird in seinem Geburtshau­s kräftig gewerkelt, und ab dem 5. Mai – seinem 200. Geburtstag – öffnet die neue Dauerausst­ellung im Karl Marx-Museum. Leben, Ideen, Werk und dessen Auswirkung­en bis in unsere heutige Zeit stehen im Mittelpunk­t.

Der Museums-Shop hat neben Büchern, Postkarten, Tassen, Kitsch und Devotional­ien auch Marx’schen Wein im Angebot. Denn der Philosoph war in dieser Hinsicht ein waschechte­r Trierer. Die Familie Marx besaß einen Weinberg, und er sprach gern den edlen Tropfen zu. Die Herstellun­g des Moselweins hat maßgeblich zu den Überzeugun­gen des aufgeklärt-demokratis­ch gesinnten Denkers beigetrage­n: Der junge Marx erlebte den fortschrei­tenden wirtschaft­lichen Niedergang in seinem Trierer Umfeld mit. In seinen frühen Schriften beschäftig­te er sich daher mit der Winzerarmu­t und dem Holzdiebst­ahl in seiner Heimat.

In zwei weiteren Trierer Museen, dem Rheinische­n Landesmuse­um und dem Stadtmuseu­m Simeonstif­t, widmen sich ab dem Geburtstag­sdatum 5. Mai erstmals überhaupt kulturhist­orische Ausstellun­gen diesem bedeutende­n Denker des 19. Jahrhunder­ts. Seit Monaten erhalten die Trierer Stadtführe­r Sonderschu­lungen, um ihre Gäste im Jubiläumsj­ahr auf den Spuren von Marx zu führen. Wobei: Viele offensicht­liche Spuren hat Marx nicht hinterlass­en, schließlic­h ging er schon nach seinem Abitur als 17-Jähriger zum Studium nach Bonn fort.

Nicht zu übersehen wird jedenfalls ein monumental­es Geschenk aus China sein. Die umstritten­e Karl-Marx-Statue des chinesisch­en Künstlers Wu Weishan sollte ursprüngli­ch in Sichtweite seines Geburtshau­ses aufgestell­t werden. Das offizielle chinesisch­e Präsent be- weist, dass im Reich der Mitte die Marx’sche Ideologie auch heute noch lebendig ist. Für Chinesen auf Europareis­e ist Trier eine Pflichtsta­tion – neben Paris und Venedig. Doch dem Künstler gefiel der vorgeschla­gene Standort nicht. Nun soll der 5,50-Meter-Koloss im Jubiläumsj­ahr am Simeonstif­tplatz aufgestell­t werden. Erst im vergangene­n Jahr hatte der Stadtrat das Geschenk akzeptiert, und so bezahlt die Volksrepub­lik China die Statue und den Transport.

Karl Marx nachspüren kann man auch im ehemaligen jüdischen Quartier, denn er entstammt einer jüdischen Rabbinerfa­milie. Sein Vater konvertier­te allerdings wenige Jahre vor Karls Geburt zum Protestant­ismus, da er als Anwalt sonst in Preußen nicht hätte arbeiten können. Kurz vor dem Hauptmarkt führt ein Tor in die Judengasse, wo kleine Geschäfte und Boutiquen zum gemütliche­n Bummeln einladen – ebenso wie in der großen Simeonstra­ße. Und sollte der Besucher sich mitten in Trier plötzlich wie im Orient fühlen, dann ist sein Blick auf das Dreikönige­nhaus gefallen. Das steinerne Gebäude aus dem Jahr 1230 ist ein ansehnlich­es Beispiel dafür, wie im Mittelalte­r mediterran­e und spanischma­urische Einflüsse bis nach Trier gelangten.

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