Handwerk bietet Schülern beste Chancen
Es muss nicht immer ein Studium sein: Wer eine Ausbildung im Handwerk macht, kann auf der Karriereleiter nach oben klettern – nicht nur als Dachdecker.
(rps) Die Situation ist paradox: Nur etwa 44 Prozent aller Abiturienten wollen direkt nach dem Abi ein Studium beginnen. Fast ein Drittel der Abiturienten sind nach dem Schulabschluss völlig unentschlossen. Währenddessen warten Kunden oft wochenlang auf einen Handwerkertermin – mangels Fachkräften im Handwerk.
„Wenn andere gerade erst das Abitur in der Tasche haben, hat unser Nachwuchs bereits die Berufsausbildung beendet“, so Andrea SchulteTäumer vom Dachdecker Verband Nordrhein. Für diese Jung-Handwerker steht die Karriereleiter nach ganz oben bereit. Und das auch beim Einkommen. Denn nicht nur der Einkommensvorsprung gegenüber gleichaltrigen Studie- renden ist enorm. Auch die Arbeitsplatzsicherheit zählt. „Dachdecker sind gefragte Fachkräfte, deren Job sicherer ist als manch ein Arbeitsplatz am Schreibtisch“, bestätigt Schulte-Täumer. „Viele gehen auch den Weg weiter mit der Meisterausbildung und haben damit nicht nur die Eintrittskarte zu zahlreichen Studiengängen, sondern gerade zur Selbstständigkeit oder zur Führungskraft im Handwerk“. Andrea Schulte-Täumer hat selbst zwei Meistertitel im Handwerk und Architektur studiert.
Welchen Stellenwert inzwischen eine Berufsausbildung als Karrierestart hat, zeigt eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Studie: Rund ein Drittel aller Studenten brechen ihr Studium ab. 43 Prozent von ihnen begin- nen danach eine Berufsausbildung.
Warum gerade im Handwerk und hier besonders im Dachdeckerhandwerk beste Chancen für Berufsstarter zu erwarten sind, erklärt Schulte-Täumer so: „Als Fachgewerk für die gesamte Dach-, Wand- und Abdichtungstechnik liegt der Schwerpunkt unserer Arbeit inzwischen auf der energetischen Optimierung von Gebäuden“. Und da besteht enormer Nachholbedarf: Nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (2014) steht die Hälfte aller fast 20 Millionen Wohngebäude mit etwa 40 Millionen Wohnungen in Deutschland in den nächsten Jahren zur Sanierung an. Nach Angaben des Ministeriums werden pro Jahr etwa eine Million Wohnungen energetisch saniert werden müssen.
„Hinzu kommt der steigende Bedarf an neuem Wohnraum – und jedes Haus braucht schließlich ein Dach“, so die Dach-Fachfrau. Nach Expertenschätzungen beläuft sich dieser Bedarf auf 400.000 Wohnungen – pro Jahr. Von Neubau bis Sanierung reichen die Arbeitsfelder des Dachdeckerhandwerks. Entsprechend vielseitig ist die dreijährige Ausbildung hier, die übrigens für Abiturienten verkürzt absolviert werden kann.
Dachdecker erlernen nicht nur das Eindecken von Dächern mit unzähligen Materialien. Sie optimieren die gesamte Gebäudehülle durch Wärmedämmungsmaßnahmen – von der Kellerdecke bis zum Dachgeschoss. Dazu verhindern vorgehängte hinterlüftete Fassadensysteme Transmissionswärmeverluste. Solartechnik auf und im Dach reduzieren den Primärenergiebedarf und können sogar eine autarke Stromversorgung mittels Speichersystemen ermöglichen. Dachbegrünungen schaffen gerade in Metropolen wertvolle Mini-Biotope, die gleichzeitig als Null-Energie-Klimaanlagen funktionieren und den Schallschutz verbessern.