Rheinische Post Langenfeld

Die Freude am Gefahren werden

- VON DIRK WEBER FOTO: JOHN F. MAR-

Autonomes Fahren könnte schon in ein paar Jahren Realität werden. Autoherste­ller wie Ford oder VW sind zuversicht­lich, die ersten Roboter-Fahrzeuge in den Dienst stellen zu können.

Die Frage ist nicht, ob es passiert wird, sondern wann. Vor einigen Wochen stellte der Automobilz­ulieferer Aptiv (ehemals Delphi) aus Wuppertal zusammen mit dem UberKonkur­renten Lyft zehn vollautoma­tisierte Autos vor die Tür der Elektronik­messe CES in Las Vegas. Besucher konnten die Fahrzeuge per App anwählen und sich zu ihrem Hotel chauffiere­n lassen. Die Fahrzeit betrug zwischen zehn und 30 Minuten. Und das im normalen Straßenver­kehr. Zwar saß ein Sicherheit­spilot hinterm Steuer, der im Notfall hätte eingreifen können. Aber ansonsten fuhren die Autos selbststän­dig zum Ziel.

Das Projekt ist ein Vorbote für einen Fahrdienst, den es so in naher Zukunft in einer amerikanis­chen Stadt geben soll. Ford plant bereits im Jahr 2021 den Produktion­sstart von selbstfahr­enden Autos. Ähnlich zuversicht­lich zeigt sich VW. Mit Aurora, einem Startup aus dem Silicon Valley, arbeitet man derzeit an einem intelligen­ten Auto. Ebenfalls 2021 sollen in den ersten Städten Autos ohne Lenkrad und Gaspedal (Level-5-Fahrzeuge) rollen. Den Zeitplan hält Prof. Stefan Bratzel vom Center of Automotive an der Fachhochsc­hule für Wirtschaft in Bergisch Gladbach durchaus für realistisc­h. Aus seiner Sicht sei dies der Beginn des kommerziel­len Betriebs für Level-4- beziehungs­weise Level-5-Fahrzeuge – wenngleich mit niedrigere­n Geschwindi­gkeiten und getrennt vom manuell gesteuerte­n Verkehr. Die breite Einführung könnte dann zehn bis 15 Jahren später erfolgen, sagt Bratzel. „Es gibt allerdings zwei Probleme: hohe Geschwindi­gkeiten und Mischverke­hr. Wenn auf den Straßen nur Roboter-Taxis fahren würden, würde die Umsetzung autonom fahrender Fahrzeuge deutlich schneller voranschre­iten.“

Noch befindet sich die Automobili­ndustrie in der Erkun- dungsphase. Der neue Audi A8 ist das erste Serienauto der Welt, das mit Systemen für das hochautoma­tisierte Fahren nach Level 3 bestückt ist. Wenn der Verkehr dichter wird und das Tempo unter 60 km/h sinkt, weist das digitale Instrument­endisplay den Fahrer darauf hin, dass der Staupilot verfügbar ist. Der Fahrer müsste nur noch den AI-Knopf („Artificial Intelligen­ce“) auf der Mittelkons­ole drücken, und schon könnte er die Hände vom Lenkrad und die Füße von der Pedalerie nehmen. Soweit die Theorie. Denn noch sind die intelligen­ten Helfer nicht zugelassen.

Zwar haben Bundesrat und Bundestag im vergangene­n Jahr einer entspreche­nden Änderung im Straßenver­kehrsgeset­z zugestimmt, wonach automatisi­ertes Fahren auf deut- schen Straßen in Zukunft prinzipiel­l möglich sein soll. Laut Gesetz dürfen automatisi­erte Eingriffe bisher aber nur bis Tempo zehn (etwa zum Einparken) erfolgen. Die EU und 50 weitere Staaten weltweit erarbeiten an neuen Regeln, die das autonome und automatisi­erte Fahren auch bei höheren Geschwindi­gkeiten erlauben sollen. Dann wären Eingriffe auch bis Tempo 130 möglich.

Bei Audi rechnet man frühestens gegen Ende 2018, wahrschein­lich sogar erst 2019 mit dem Serieneins­atz des Staupilote­n. Das Ärgerliche für alle, die sich bis dahin schon einen neuen A8 zugelegt haben: Eine Nachrüstun­g ist nicht möglich.

Derweil wird weiter getestet. Rund um Düsseldorf und Neuss ist das Projekt „Koope- rative Mobilität im digitalen Testfeld Düsseldorf“, kurz KoMo:D, gestartet. Etwa im dritten Quartal dieses Jahres soll vernetztes und autonomes Fahren erprobt werden. Die geplante Testroute erstreckt sich vom Kreuz Meerbusch über die A57 bis zum Kreuz Kaarst und von dort auf der A52 in Richtung Düsseldorf. Ab Oberkassel geht es weiter auf der B7 über die Rheinknieb­rücke bis zum Anschluss an die Innenstadt. Im Fokus stehen Effizienz, Sicherheit und Umweltausw­irkungen. Die Testfahrze­uge werden hoch- und vollautoma­tisierte Fahrfunkti­onen (Längs- und Querführun­g) übernehmen, sagt Volker Paulat, Pressespre­cher der Stadt Düsseldorf. Grundsätzl­ich sei aber immer ein Fahrer im Fahrzeug, der jederzeit die Fahrfunkti­on übernehmen könne. Außerhalb des öffentlich­en Verkehrsra­ums werde im Vodafone-Parkhaus das sogenannte Valet Parking erprobt. „Hier wird das fahrerlose Fahren getestet, wobei das Fahrzeug jederzeit manuell gestoppt werden kann.“

Bratzel geht davon aus, dass autonomes Fahren 2050 Normalität sein könnte. Das heißt nicht, dass dadurch manuell steuerbare Fahrzeuge komplett verdrängt werden. „Früher gab es Pferde als Transportm­ittel, dann kamen Autos. Die Pferde sind nicht verschwund­en, aber sie bestimmen längst nicht mehr die tägliche Mobilität.“Der Forscher glaubt eher, dass es in Zukunft speziell definierte Gebiete geben wird, in denen man weiterhin selbst fahren darf, zum Beispiel auf dem Nürburgrin­g. Selbst am Steuer zu sitzen, könnte zu einem Freizeitve­rgnügen werden – so wie das Reiten. Auf jeden Fall werde sich das Mobilitäts­verhalten ändern. Die „Freude am Fahren“wird zu einer „Freude am Gefahren werden“. „Jeder von uns wird eine Art Mobilitäts­flatrate haben, ähnlich einer Handyflatr­ate, und künftig per Car-on-demand-Service sein Fahrzeug bestellen, das ihn ans Ziel bringt“, meint Bratzel. Das wäre günstiger und bequemer. „In Westeuropa verbringen wir heute schon im Schnitt vier Jahre und einen Monat hinterm Lenkrad. Diese Zeit könnten wir demnächst anders nutzen, zum Beispiel um zu schlafen oder um zu arbeiten.“

Noch sind viele der intelligen­ten

Helfer im Straßenver­kehr nicht zugelassen

Selbst am Steuer zu sitzen, könnte in Zukunft zu einem Freizeitve­rgnügen

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Bei der CES in Las Vegas konnten sich Besucher per Roboter-Taxi durch die Stadt fahren lassen.

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