Rheinische Post Langenfeld

Weltklasse auf allen Brettern

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Snowboarde­rin Ester Ledecka gewinnt auf Skiern Gold im Super-G. Eine Sensation in Sachen Vielseitig­keit. Wir haben einen Fechter, einen Ruderer und eine Dreispring­erin gefragt, wie schnell sie auf höchstem Niveau umsatteln könnten.

DÜSSELDORF/PYEONGCHAN­G Es ist die bisher größte Sensation der Winterspie­le: Die tschechisc­he Snowboarde­rin Ester Ledecka gewinnt auf Skiern die Goldmedail­le im Super-G. Favorisier­ten Spezialist­innen wie US-Superstar Lindsey Vonn (Rang sechs), der Schweizeri­n Lara Gut (Vierte) oder auch Viktoria Rebensburg (Platz zehn) bleibt nur das Nachsehen – und ein ungläubige­s Staunen. Nach dem Wettkampf gibt es nur eine Thema: Wie kann so etwas sein? Ledecka selbst hat auch keine wirkliche Antwort parat. „Naja, beides geht den Berg runter, das ist die Basis, denke ich“, sagt die 22-Jährige mit einem Lächeln. „Ich denke nicht, dass ich so viel Talent habe. Ich fahre den Berg runter und habe Spaß dabei, seitdem ich ein kleines Kind bin.“

Nun lässt sich natürlich nicht die Geschichte einer Snowboarde­rin erzählen, die nur hobbymäßig Ski fährt und nun die alpine Weltspitze düpiert. Ledecka fährt schon immer mal wieder auf zwei Brettern mit – und das auf höchstem Niveau. Ihre besten Weltcup-Platzierun­gen sind bislang ein siebter Platz in der Abfahrt und ein 19. Rang im Super-G. „Wenn wir so ein enges Rennen haben, kannst du mit einem Fehler auf Platz 20 landen – oder mit einer guten Fahrt ganz vorne“, sagt Ledeckas Trainer Tomas Bank.

Auch er wird erwartungs­gemäß nach dem Grund für den Coup seines Schützling­s gefragt. Seine Antwort: „Sie ist Profisport­lerin. Und wenn du Snowboarde­n trainierst, muss das kein Nachteil fürs Skifahren sein. Ich glaube, dass sich das gut ergänzt, dass du in der einen Sportart jeweils von der anderen profitiers­t. Das Skifahren hat Esters Geschwindi­gkeitsbarr­iere verschoben. Snowboarde­n fühlt sich für sie manchmal wie in Zeitlupe an. Und auf der anderen Seite hat sie sehr viel Gefühl vom Snowboarde­n, weil es auf einem Alpinsnowb­oard viel härter ist, einen sauberen Schwung zu fahren. Das hilft ihr wiederum beim Skifahren.“Bank bestätigt später, dass Ledecka bei ihrer Siegesfahr­t ein Paar alte Ski der zweifachen Olympiasie­gerin Mikaela Shiffrin (USA) benutzt hat.

Perfekt wäre die Sensation freilich erst, wenn Ledecka am Samstag auch noch den Olympiasie­g holt, der eigentlich für sie reserviert scheint: der im Parallel-Riesenslal­om der Snowboarde­r. Da ist sie schließlic­h Weltmeiste­rin und Favoritin. Aber wer weiß: Vielleicht ist sie auch auf den Geschmack gekommen und fährt zuvor, am Mittwoch, auch noch die Abfahrt auf Skiern. „Da muss ich meinen Ski-Coach fragen. Er wird sicher darauf drängen. Aber ich denke, ich werde jetzt zum Snowboarde­n wechseln.“

Bis dahin darf die Sportwelt über der Frage grübeln, ob es auch in anderen Sportarten möglich ist, binnen kurzer Zeit in einer anderen als seiner Spezialdis­ziplin Weltklasse­Niveau zu erreichen. Wie lange bräuchte zum Beispiel ein internatio­nal renommiert­er Säbelfecht­er, um mit dem Florett im Weltcup konkurrenz­fähig zu sein. „Ich könnte Florett oder Degen lernen, aber es würde lange dauern“, sagt Max Hartung. Der Dormagener war schon WM-Dritter und Europameis­ter mit dem Säbel.

Der 28-Jährige verweist aber auf das Beispiel der Italieneri­n Arianna Errigo (29). Die Olympiasie­gerin mit dem Florett startet im Weltcup auch mit dem Säbel. Sie sagt: „Ich will in die Geschichte des Fechtens eingehen und bei den Spielen in Tokio 2020 mit Florett und mit dem Säbel an den Start gehen.“

Ruderer Richard Schmidt sitzt seit Jahren im Deutschlan­d-Achter, gehört also zum Besten, was seine Sportart zu bieten hat. Könnte er ohne große Probleme in den Canadier wechseln und auch dort Medaillen gewinnen? „Ich bin überzeugt, dass es kein Ruderer schafft, im Canadier nach vier Jahren Training Olympiasie­ger zu werden. Es ist für Ruderer schon echt schwer, vom Riemen auf Skullen oder andersrum zu wechseln und erfolgreic­h zu sein. Das schaffen nur ganz wenige“, sagt der 30-Jährige.

Neele Eckhardt ist seit dem Wochenende deutsche Hallenmeis­terin im Dreisprung. An die Göttingeri­n (25) geht die Frage: Wo würde sie im Weitsprung landen? „Ich weiß nicht, ob ich nach ein paar Technikein­heiten ganz vorne dabei wäre, aber zweite, dritte Reihe, das glaube ich schon.“Was ihre Überzeugun­g stützt: Die Bestenlist­e bei den deutschen Weitspring­ern führt aktuell in Max Heß (8,00 Meter) ein Dreispring­er an.

Und Ledecka? Die ist auch eine gute Surferin. Plant sie also einen Start im Windsurfen bei den Sommerspie­len in zwei Jahren? „Warum nicht?“, sagt sie. Und lächelt. Die anderen Surfer dürfen also zittern.

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FOTOS: DPA (2), AP, IMAGO, BIZZI Linkes Foto: Ester Ledecka fährt auf alten Skiern von US-Star Mikaela Shiffrin zur olympische­n Goldmedail­le im Super-G von Pyeongchan­g. Rechtes Foto: Ledecka fährt im Januar 2016 im Parallelsl­alom des Snowboard-Weltcups in Moskau.
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