Rheinische Post Langenfeld

RP-ONLINE.DE/SPORT

- FOTO: IMAGO

Haben Sie darüber nachgedach­t, Ihre internatio­nale Karriere zu beenden? REIMER Ich habe sogar sehr intensiv mit dem Gedanken gespielt. Aber ich fühle mich in der Pflicht, jetzt nach dem Erreichten nicht einfach alles liegenzula­ssen. Wir haben sehr viel erreicht, das wollen wir nun auch verteidige­n. Wir müssen einen vernünftig­en Generation­enwechsel gewährleis­ten. Im Finale gegen Russland saßen Sie in der Verlängeru­ng auf der Strafbank – in dieser Zeit hat die Sbornaja den Siegtreffe­r erzielt. Ist man in diesem Moment der einsamste Mensch auf der ganzen Welt? REIMER Es hat mir für einen kurzen Moment den Boden unter den Füßen weggezogen. Du weißt natürlich, dass es ein vermutlich entscheide­nder Fehler gewesen sein könnte. Aber war es überhaupt meiner? Haben die Schiedsric­hter richtig entschiede­n? Sehen Sie, ein Spiel wird durch Fehler entschiede­n. Es war klar, dass es irgendwann passieren würde. Ich bin mit mir total im Reinen. Es ist Sport, das sollten wir nicht vergessen. Die Russen galten als haushoher Favorit, der aber sehr lange am Rande einer Niederlage stand. REIMER Und das hat man auch gemerkt. Die Russen standen unendlich unter Druck. Man hat das auf dem Eis gespürt. Sie hätten wohl selbst nicht erwartet, das Ding noch einmal drehen zu können. Es gab hinterher ein paar Begegnunge­n. Wir haben uns respektvol­l die Hand gegeben. Da hat uns keiner mehr von ihnen belächelt, es war ein stolzer Moment. Wir haben uns die Hand gegeben, und man hat gespürt, wie viel gegenseiti­ge Achtung da mit im Spiel war. Und wir hatten uns nach kurzer Zeit auch wieder gefangen und gefeiert. Einige Ihrer Mitspieler sind in den Blick von Teams aus der nordameri- kanischen Profiliga NHL geraten. Fürchten Sie einen Ausverkauf? REIMER Nein, so schlimm wird es nicht. Aber es ist doch toll, wenn noch ein paar mehr den Sprung schaffen würden. Wir brauchen so dringend einen Superstar auf dieser Bühne, wie es Dirk Nowitzki im Basketball geschafft hat. Mit Leon Draisaitl sind wir da aber ja auf einem vielverspr­echenden Weg. Sie haben den Medailleng­ewinn mit Lindsey Vonn gefeiert – der US-Skistar hat dabei ein Trikot von Ihnen angezogen. Der Beginn einer wunderbare­n Freundscha­ft? REIMER (lacht) Sehr witzig. Zu Hause musste ich das erstmal aufklären. Sie hatte das Trikot nicht einmal von mir. Aber natürlich war es toll, mit ihr, aber auch vielen anderen Sportlern den Erfolg feiern zu können. Die Olympische­n Spiele sind schon etwas Besonderes – trotz allem, was im Hintergrun­d vielleicht nicht optimal läuft. Im frei empfangbar­en Fernsehen ist Eishockey nur sehr eingeschrä­nkt zu sehen. Müsste sich nicht daran mittelfris­tig etwas ändern, um überhaupt eine Chance zu haben, mehr beachtet zu werden? REIMER Das ist ein Jammer. Es würde uns natürlich einen gigantisch­en Schub geben, wenn ARD oder ZDF wenigstens eine Partie pro Spieltag übertragen würden. Ich bin mir sicher, wenn man so etwas wirklich wollen würde, dann findet sich eine Lösung. Wir sind alle auch fußballver­rückt, aber es muss doch in der TV-Landschaft auch noch dauerhaft Platz für andere Sportarten sein. Fußball ist nicht alles. Aber wie gesagt – wir sollten nicht zu viel klagen, sondern unsere Hausaufgab­en erledigen. Mit der Silbermeda­ille haben wir uns ja ein paar Fleißpünkt­chen fürs Klassenbuc­h verdient.

GIANNI COSTA FÜHRTE DAS GESPRÄCH

 ??  ?? Patrick Reimer (35).
Patrick Reimer (35).

Newspapers in German

Newspapers from Germany