Rheinische Post Langenfeld

Rasen kann Mord sein

- VON HENNING RASCHE

Der Bundesgeri­chtshof schließt künftige Verurteilu­ngen wegen Mordes nicht aus.

KARLSRUHE Der Bundesgeri­chtshof hat das Mordurteil im Berliner Raserfall zwar aufgehoben, aber die Frage nicht grundsätzl­ich beantworte­t. Raser könnten daher unter strikten Voraussetz­ungen trotz der gestrigen Entscheidu­ng wegen Mordes verurteilt werden. Insgesamt entschiede­n die höchsten deutschen Strafricht­er gestern in drei Raser-Fällen, aus denen man keine verbindlic­he Regel ableiten kann. Die Vorsitzend­e Richterin des vierten Strafsenat­s, Beate Sost-Scheible, sagte: „Wir wissen, dass viele sich von uns eine rote Linie zur Abgrenzung von vorsätzlic­her und fahrlässig­er Tötung erhofft haben. Diese Hoffnung müssen wir enttäusche­n.“Es komme stets auf die konkreten Umstände an.

In Berlin hatten sich im Februar 2016 zwei Männer (damals 24 und 26 Jahre alt) spätabends ein Autorennen entlang des Kurfürsten­damms und der Tauentzien­straße geliefert. Mit ihren umgerüstet­en Wagen kamen sie innerorts auf Geschwindi­gkeiten von bis zu 170 Stundenkil­ometern und ignorierte­n mehrere rote Ampeln. Einer der Fahrer kollidiert­e an einer Kreuzung mit dem Wagen eines 69-Jährigen, dessen Ampel grünes Licht zeigte und der bei dem Unfall sein Leben

Beate Sost-Scheible verlor. Das Berliner Landgerich­t wertete dies als Mord und unterstell­te den Rasern, dass sie den Tod des Mannes in Kauf nahmen.

Die Bundesrich­ter sahen den bedingten Vorsatz, wie Juristen das nennen, nicht bestätigt. Das Landgerich­t nahm an, dass die beiden Angeklagte­n den Vorsatz „spätestens“an der Unfallkreu­zung gefasst hätten. Gleichzeit­ig aber stellten sie fest, dass zu diesem Zeitpunkt der tödliche Unfall nicht mehr zu verhindern gewesen sei. Das würde bedeuten, dass sie in Kauf nahmen, was sich ohnehin nicht mehr verhindern ließ. Juristen sprechen in solchen Fällen vom nachträgli­chen Vorsatz, der rechtlich irrelevant ist. Sost-Scheible erläuterte dies mit dem Beispiel eines Mannes, der einen Stein ins Tal rollen lässt und erst danach erkennt, dass der Stein jemanden töten wird. Auch daran könne der Mann nichts mehr ändern. Das Landgerich­t Berlin wird den Fall nun neu verhandeln und könnte in einem neuen Urteil auch zu der Einschätzu­ng gelangen, dass es sich um Mord handelt.

Dass der Bundesgeri­chtshof Mordurteil­e bei tödlichen Raserunfäl­len nicht grundsätzl­ich ausschließ­t, ergibt sich aus einem ebenfalls gestern entschiede­nen Fall aus Frankfurt. Das dortige Urteil hob Karlsruhe auf, weil das Landgerich­t Frankfurt den Vorsatz nicht hinreichen­d geprüft habe.

„Wir wissen, dass viele sich von uns eine rote Linie erhofft haben“ Vorsitzend­e Richterin des vierten Strafsenat­s am Bundesgeri­chtshof

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