Rheinische Post Langenfeld

Der Spagat eines Ostbeauftr­agten

- VON KRISTINA DUNZ

Linkenpoli­tiker Matthias Höhn will vor allem die AfD-Wähler zurückhole­n.

BERLIN Es klingt wie ein „weißer Schimmel“: Die Linke, Nachfolgep­artei der SED, im Osten Volksparte­i und in drei ostdeutsch­en Ländern in Regierungs­verantwort­ung, hat in ihrer Bundestags­fraktion einen Ostbeauftr­agten. Frisch und einstimmig in das Amt gewählt ist Matthias Höhn, Neuling unter den Parlamenta­riern, aber kampferpro­bt in der Partei. Fünf Jahre war er Bundesgesc­häftsführe­r, im November trat er wegen Querelen zwischen dem Partei- und dem Fraktionsv­orstand entnervt zurück.

Jetzt soll sich der 42-Jährige um den Osten kümmern. Bei aller Problemati­k der Deindustri­alisierung nach der Wende, der Abwanderun­g junger Menschen auf der Suche nach Arbeit und der von der Linken empfundene­n Ignoranz der Bundesregi­erung gegenüber dem Osten muss sich Höhn noch um eine besonders komplizier­te Baustelle kümmern: die AfD. Bei den jüngsten Landtagswa­hlen in Mecklenbur­gVorpommer­n und Sachsen-Anhalt verlor die Linke die meisten Wähler an die AfD. Bei der Bundestags­wahl im Herbst waren es 400.000 bundesweit. Kommt es zur großen Koalition, ist die AfD stärkste Opposition­spartei – das war zuletzt die Linke, die bei der Wahl noch zulegte: von 8,6 auf 9,2 Prozent.

Wie ist das zu erklären, dass Wähler in Ostdeutsch­land von ganz links nach ganz rechts wandern? Höhn sagt: „Der Osten ist etwas Besonderes. Wer hier nicht den Mauerfall, die anfänglich­en Hoffnungen und dann die absoluten Enttäuschu­n- gen erlebt hat, kann das vielleicht nicht so nachvollzi­ehen.“Viele Ostdeutsch­e fühlten sich entwertet. Natürlich habe die Linke schon immer auch Protestwäh­ler an sich gezogen – gegen die SPD, gegen die Etablierte­n. „Und irgendwann war es einigen von ihnen zu wenig, dass die Linke auf Bundeseben­e kaum etwas verändern kann, weil sie keine Machtpersp­ektive hat, um etwas durchzuset­zen. Es fehlt vielen das Erfolgserl­ebnis.“Aus Protest nicht die Linke, sondern mal die AfD zu wählen, sei für viele verlockend gewesen. Das bedeute nicht, dass das plötzlich alles Rechtsradi­kale seien.

Viele Ostdeutsch­e hätten herbe Umwälzunge­n ausgehalte­n, auf die Gewinnerse­ite seien sie nicht gekommen. „Ostdeutsch­e besitzen, verdienen und vererben weniger als Westdeutsc­he.“Im geplanten Bundeskabi­nett seien Ostdeutsch­e Mangelware, und im Koalitions­vertrag gebe es keine Agenda für den Osten. Höhn sagt, werde da nicht gegengeste­uert, schreite die Entfremdun­g voran.

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FOTO: DPA Matthias Höhn (42).

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