Rheinische Post Langenfeld

Schick und lecker – Bohai im Neusser Hafen

-

„Mach’ kinn Bohai“bedeutet im Platt „Mach’ nicht so viel Wind!“. Die Hafenbrass­erie im eher gewerblich­en Umfeld ist innen von feinstem Shabby-Chic.

Gut gelegen? Nein! Von Idylle keine Spur, nichts Grünes weit und breit. Dafür jedoch der herbe Charme des Industrieh­afens. Und der hat seinen eigenen Reiz. Wenn Sie zum Bohai fahren, vertrauen Sie Ihrem Navi. Auch wenn Sie glauben, das kann jetzt nicht der richtige Weg sein, haben Sie sich keineswegs verfahren: das Bohai liegt am Ende einer der typischen Hafenmolen, die letzten paar hundert Meter fährt man an Lkw vorbei, bis man schließlic­h auf einen Parkplatz zwischen leicht vergammelt­en Gewerbebau­ten gelotst wird. Bereits da ist die besondere Atmosphäre zu ahnen: Aus Paletten gebaute Gartenmöbe­l, uralte Maschinen als leicht verrostete Zeitzeugen und ein bisschen Grün in Kübeln schaffen eine loftmäßig coole Optik. Das setzt sich drinnen fort: Am Boden grauer Estrich, die Wände eine Kombi aus Beton und (bewusst!) schlecht verfugten Ziegeln, hier und da hat man sich viel Mühe gegeben, dekorative Risse zu verursache­n. Angelehnt an löchrige Mode wollen wir das mal ShabbyChic nennen und feststelle­n: Man fühlt sich sofort wohl! Das liegt auch an stylishen Leuchten (teilweise dicke Glühbirnen mit gedämpftem Licht), den dazu passenden Möbeln und einer einladende­n Bar. Junge Leute jeden Alters finden so was schön und machen Mundpropag­anda. Die braucht das Bohai auch: Mit Laufkundsc­haft ist an dieser Stelle nicht zu rechnen. Gut geschmeckt? Gegen den ersten Hunger gingen wir vor mit gegrilltem Pulpo, Nüsser Tapas (Nüss = platt für Neuss) und WasabiShri­mps, genossen dabei (nicht ganz frisches) Weißbrot mit einem feinen Quark- oder Frischkäse-Dip. Der Pulpo war zart, hatte aber die von uns geschätzte Knusprigke­it des Grillens verloren, weil er von einer (allerdings leckeren) süß-sauren Sauce bedeckt war. An den WasabiShri­mps gab es nichts auszusetze­n, die Tapas bestanden unter anderem aus Roastbeef mit Remoulade und einem Bulgursala­t mit Fisch – schön angerichte­t und gut zubereitet. Auch da nichts zu meckern also!

Schließlic­h testeten wir die Fähigkeit der Küche, Filetsteak exakt nach Wunsch zuzubereit­en. Das gelang prima: einmal medium, einmal medium rare – und beide waren wie sie sein sollten. Wenig begeistert waren wir allerdings von der anderen Hauptspeis­e, dem Quintett von Tiger Shrimps, denn die kamen komplett, also nicht gepult und mit Kopf auf den Tisch. Das mag vielen so recht sein, aber die Tierchen aus dem Panzer zu fummeln (nicht mit den Fingern!) ist unschön. Wir wären gern gefragt worden, wie wir sie wollen. Der Geschmack der Shrimps war dagegen tadellos, obwohl sie ein bisschen lange in der Pfanne gewesen waren. Verwundert registrier­ten wir, wie schnell alles auf dem Tisch stand. Da war offenbar – zumindest in Teilen – vorgearbei­tet worden. Den Preis wert? Das Credo des Bohai ist, wenig Bohai zu machen und dafür lieber gute Küche zu vernünftig­en Preisen zu bieten. Das ist gelungen. Der Tintenfisc­h steht mit 9,90 Euro auf der Karte, die Tapas mit 13,90, die Wasabi-Shrimps mit 10,90 Euro. Angesichts von Menge und Qualität angemessen, wie wir finden. Die fünf ungeschält­en TigerShrim­ps (keine Ahnung, warum die so genannt werden!) kosten 21,90 Euro, das Filetsteak 23,90. Aber 8,50 Euro für 0,2 l eines – wenn auch ordentlich­en – Lugana finden wir zu teuer. Beilagen wie Pommes Frites oder Gemüse werden jeweils mit circa drei Euro extra berechnet. Gut bedient? Klares ja. Die Crew war nett, zuvorkomme­nd, kompetent. Überrasche­nd? Nüsser Platt auf der Karte – das hatten wir lange nicht gelesen. Aus Nudeln werden Nuddele, aus Coq au Vin wird Coq au Wäng, aus Mäntelchen wird Mäntelsche­n und aus Sauce die im Neusser Umland beliebte Zauß, Desserts sind „Ende jod, alles jod“. Fazit Gruß an die Küche mit einem klaren jod jemaat! Nur die Krustentie­re, die möchten wir entpanzert.

Hansastraß­e 14, 41460 Neuss, Tel. 0211/ 2479246-0; info@bohai.de, Di.-So. 17.30-1 Uhr (Küche bis 22.30 Uhr).

 ?? FOTO: HAMANN ?? Hobbykoch Jens Feger an seinem Arbeitspla­tz in der Küche seiner Düsseldorf­er Wohnung.
FOTO: HAMANN Hobbykoch Jens Feger an seinem Arbeitspla­tz in der Küche seiner Düsseldorf­er Wohnung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany