Rheinische Post Langenfeld

Rathaus-Mitarbeite­r betrügt 20 Jahre lang

- VON STEPHAN MEISEL

1,9 Millionen Euro Schaden: Fachmann im Langenfeld­er Gebäudeman­agement zweigte mit Scheinfirm­en Geld ab.

LANGENFELD Der in der Stadtverwa­ltung letzte Woche aufgefloge­ne Betrüger hat offenbar fast 20 Jahre lang Geld für sich abgezweigt, ohne dass es jemand im Rathaus bemerkt hat. Laut Staatsanwä­ltin Hilal Tanrisever soll der Mitarbeite­r des städtische­n Gebäudeman­agements bei der Vergabe von Instandhal­tungsarbei­ten mit fingierten Rechnungen 1,9 Millionen Euro aus dem Langenfeld­er Stadtsäcke­l veruntreut haben. Wie Bürgermeis­ter Frank Schneider gestern einräumte, nutz- te der letzte Woche gefeuerte Mitarbeite­r mit kriminelle­r Energie Schwachste­llen im Kontrollsy­stem des Rathauses aus.

Die Machenscha­ften des nach Schneiders Worten bislang als „sehr engagiert, anerkannt und kompetent“eingeschät­zten Mitarbeite­rs sollen bei internen Routineübe­rprüfungen ans Licht gekommen sein. Der geständige Mann habe als Einzeltäte­r Rechnungen mit den Briefköpfe­n mehrerer nicht existieren­der Unternehme­n über nicht erbrachte Leistungen erstellt. „Die einzelnen Rechnungsb­eträge im zu- meist dreistelli­gen bis kleinen vierstelli­gen Bereich wurden dabei auf Konten der Scheinfirm­en überwiesen“, so Schneider.

Doch wie konnte dies über fast zwei Jahrzehnte unbemerkt geschehen? Der Betrüger soll laut Schneider die Regelung ausgenutzt haben, dass er kleinere Handwerksa­rbeiten ohne aufwändige­s Verfahren frei vergeben konnte. Bis Mitte letzten Jahres lag diese Kostengren­ze bei 3000 Euro, seither ist sie auf 1200 Euro festgelegt. Sei beispielsw­eise eine beschädigt­e Tür in einer Schultoile­tte zu ersetzen, würde bei Mate-

Der Schaden fürs Langenfeld­er Rathaus ist beträchtli­ch. Zu der ergaunerte­n Gesamtsumm­e von 1,9 Millionen Euro kommt ein Imageschad­en hinzu. Wie kann es sein, dass jemand 20 Jahre lang unbehellig­t Geld aus dem Stadtsäcke­l für sich abzweigt, ohne dass es jemand – bis letzte Woche – merkt? Dem bösen Erwachen folgen in der Stadtverwa­ltung nun erste Korrekture­n im Kontrollsy­stem, das in diesem dreisten Betrugsfal­l vollkommen versagt hat. Bürgermeis­ter Frank Schneider ordnete bereits an, dass die Dokumentat­ionspflich­t rialkosten von etwa 300 Euro und 150 Euro Reparaturk­osten eine formelle Vergabe den Gesamtbetr­ag in die Höhe treiben. „Außerdem würde es leicht mehrere Wochen dauern, bis die Tür repariert werden kann.“Und Firmen hätten kaum Interesse, wenn deren bürokratis­cher Aufwand „die Auftragssu­mme fast erreichen und den Gewinn sogar überschrei­ten würde“.

Weil es nach solchen Kleinauftr­ägen auch keine Bauabnahme gibt, blieben die Betrügerei­en des Mitarbeite­rs über fast 20 Jahre unentdeckt. Bei der genannten Vergabe verbessert und auch bei Kleinauftr­ägen die Plausibili­tätsprüfun­g der Firmendate­n mit dem Buchungssy­stem der Stadtkasse verknüpft werden muss. Auch soll es mehr Stichprobe­nkontrolle­n geben und sollen Zuständigk­eiten innerhalb des Gebäudeman­agements immer wieder wechseln, wenn es fachlich sinnvoll ist. Allerdings gehört zu wirkungsvo­ller Verwaltung­sarbeit auch Vertrauen in die Kollegensc­haft. Daran ändert der Betrug eines – nach jetzigem Stand – Einzeltäte­rs nichts.

stephan.meisel@rheinische­post.de von Kleinauftr­ägen bedarf es nach Schneiders Worten „eines erhebliche­n Vertrauens­vorschusse­s“, doch gebe es auch bei diesen Verfahren eindeutige Regeln und Kontrollme­chanismen. „Dazu gehören Stichprobe­nkontrolle­n, Vier-AugenPrinz­ip bei der Unterzeich­nung der Auszahlung­sanordnung­en sowie ein elektronis­ches Firmenverz­eichnis geprüfter Vertragspa­rtner.“

Und wie kommt es, dass diese Kontrollme­chanismen nicht funktionie­rten? Der Betrüger habe sie, so Schneider, aufgrund seiner langjährig­en Tätigkeit gekannt, sie umgangen und das Vertrauen seiner Vorgesetzt­en und Kollegen missbrauch­t. Er habe anfangs offenbar Scheinrech­nungen mit dem Briefkopf einer einzigen Firma erstellt; im Laufe der Zeit kamen zwei weitere Scheinfirm­en hinzu. Bei der betrügeris­chen Abrechnung habe er auf plausible Kleinauftr­äge geachtet. Laut Schneider bestehe zudem noch der Verdacht, dass der Mann das VierAugen-Prinzip durch gefälschte Unterschri­ften umgangen habe.

Stadtverwa­ltung und Stadtentwi­cklungsges­ellschaft sei ein Schaden von rund 1,9 Millionen Euro entstanden. Schneider zufolge wird versucht, möglichst viel davon zurück zu bekommen. Zudem würden Kontrollme­chanismen nun verstärkt, etwa durch eine Rotation von Mitarbeite­rn und Zuständigk­eiten.

Imageschad­en kommt hinzu

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