Rheinische Post Langenfeld

Ganz schön sportlich

- VON GIANNI COSTA

Der Landesspor­tbund hat sich zu einer mächtigen Lobbyvertr­etung entwickelt – und das lässt er die Politik spüren.

DÜSSELDORF Der organisier­te Sport hat hierzuland­e ziemlich viel damit zu tun, sich um vieles zu kümmern, was nicht mit Sport zu tun hat. Es geht um Fragen der Integratio­n, Inklusion, Quartierse­ntwicklung, um steigende Bürokratie, fehlende Ehrenamtle­r, Angebote in der Ganztagssc­hule und marode Anlagen. „Viele Vereine“, sagt Walter Schneeloch, Präsident des Landesspor­tbundes (LSB) in NRW, „sind damit komplett überforder­t. Der Sport soll leisten, was in anderen gesellscha­ftlichen Bereichen nicht aufgefange­n wird. Das ist für uns ein gigantisch­es Problem.“Nebeneffek­t dieser ganzen Aufgaben: Der LSB ist so zu einer mächtigen Lobbyvertr­etung für den Sport im Land aufgestieg­en.

Die Politik unter der von Ministerpr­äsident Armin Laschet geführten Landesregi­erung ist sich der Bedeutung der Branche durchaus bewusst. Und so hat sich das Land NRW mit dem LSB erst unlängst auf einen neuen „Pakt für den Sport“geeinigt – insgesamt sind 210 Millionen Euro bis 2022 vorgesehen. Pro Jahr sind das 7,4 Millionen Euro mehr als bislang im Haushalt vorgesehen. Gleichwohl versucht man beim LSB, nicht das Gefühl aufkommen zu lassen, dass damit die Probleme auch nur ansatzweis­e gelöst wären.

Das Problem ist: Die Politik verknüpft ihre Gaben immer mit einem großen Anforderun­gskatalog. Der versucht das eine mit dem anderen zu verknüpfen – und viel zu oft gerät in einem Katalog von Anforderun­gen das aus dem Blick, für was das Geld ursprüngli­ch eigentlich benötigt worden ist. „Am Ende geht es um einen kaputten Ballfangza­un, der nicht repariert werden kann, weil keine Mittel dafür zur Verfügung stehen“, sagt Christoph Niessen, Vorstandsv­orsitzende­r des LSB. „Oder ein Segelflugv­erein kann geforderte Investitio­nsmaßnahme­n nicht leisten, und deshalb wird dann gleich der Flugplatz stillgeleg­t mit weitreiche­nden Folgen.“Vereine standen lange alleine da. Für sie ist niemand auf die Straße gegangen, wer sich am Ende nicht mehr selbst helfen konnte, der ist irgendwann einfach von der Bildfläche verschwund­en.

Der LSB hat seit geraumer Zeit seine Taktik verändert und tritt deutlich aggressive­r auf. Es gibt durchaus Vertreter in der Branche, die sehr sichtbar mit dem Kopf schütteln, wenn Schneeloch sich auf großer Bühne mit irgendeine­r Forderung zu Wort meldet. Schneeloch selbst weiß natürlich um seine Außenwirku­ng – und lebt prächtig mit dem Image des herumpolte­rnden Funktionär­s. Er ist 70 Jahre alt, bis Ende 2018 ist er noch Vize-Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB), danach will er sich nur noch auf seine Aufgabe beim LSB konzentrie­ren. „Wir waren lange vielleicht zu brav. Andere gesellscha­ftliche Bereiche haben es besser verstanden, für sich zu werben. Ich habe die Wertschätz­ung für den Sport lange vermisst“, sagt Schneeloch, ein pensionier­ter Lehrer, der in seiner berufliche­n Laufbahn unter anderem Dezernent für Schul- und Vereinsspo­rt beim Regierungs­präsidente­n Köln war. „Der Sport leistet unfassbar Wichtiges für diese Gesellscha­ft. Sport ist nicht nur Fußball-Bundesliga. Fünf Millionen Mitglieder sind in NRW-Vereinen aktiv. Und denen geben wir durch den LSB eine starke Stimme.“

Schneeloch und Niessen verstehen es geschickt, die Macht des Sports für ihre Interessen zu nutzen. Und sie geben das auch ganz unverhohle­n zu. Wenn es darum geht, ob Deutschlan­d bei einer möglichen Bewerbung für die Olympische­n Sommerspie­le 2032 oder 2036 abermals den Hut in den Ring werfen sollte, sagen die Funktionär­e: Ja, aber. Dieses „aber“hat es in sich. Denn es macht das neue Selbstbewu­sstsein deutlich. Der LSB kann sich durchaus Sommerspie­le in NRW vorstellen, er knüpft dies allerdings an konkrete Bedingunge­n. Wenn die Politik nicht den Nachweis erbringt, sich nachhaltig für den Breitenspo­rt einzusetze­n, wird der LSB seine Unterstütz­ung verweigern. „In Köln“, sagt Schneeloch, „tut man sich schon schwer, die Beleuchtun­g für eine Laufstreck­e hinzubekom­men. Erst wenn die Hausaufgab­en gemacht sind, sollten wir über große Visionen miteinande­r reden.“

Der Investitio­nsstau bei Sportstätt­en in NRW ist, wie unsere Redaktion exklusiv berichtet hat, nach wie vor gigantisch. Mehr als 2,5 Milliarden Euro fehlen, um die dringendst­en Baustellen zu schließen. Ganz schön sportlich.

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