Rheinische Post Langenfeld

Auf der Spur der geschichte­ten Zeit

- VON STEPHAN EPPINGER

Die Kölner Künstlerin Katja Davar zeigt in der Artothek bis zum 7. April ihre Ausstellun­g „Field Trip“. Dabei verbindet sie Zeichnunge­n mit Fotografie­n und Siebdruckt­echniken. Zu sehen ist auch ein Animations­film.

KÖLN Die Kölner Künstlerin Katja Davar zeichnet Gemälde, malt Zeichnunge­n und erforscht ihre zeitliche Komponente in Videoarbei­ten. Für die Ausstellun­g „Field Trip“in der Artothek – Raum für junge Kunst hat sie neue Arbeiten zu der Idee einer „vertikalen Zeit“oder „deep time“geschaffen. Vertikale Zeit manifestie­rt sich in geologisch­en Schichtung­en, die dann erkennbar werden, wenn man in die Tiefe des Bodens gräbt oder durch Schallmess­ungen ihre Zusammense­tzung erforscht. Diese Erkenntnis­se werden in schematisc­hen, wissenscha­ftlich ausgericht­eten Zeichnunge­n erfasst, kartografi­ert und ermögliche­n so eine Vorstellun­g von dem, was früher auf der Erde war oder was sich aktuell unter

„Teppiche sind im vorderen Orient auch Lebensräum­e und ein

Stück Territoriu­m“

Katja Davar

Künstlerin

uns befindet, wie sich tektonisch­e Bewegungen ausgewirkt haben und weiterentw­ickeln könnten.

Charles Lyell (1795-1875) war Vordenker einer Theorie, die von der Annahme ausging, das die Erde über viele Millionen Jahre geformt wurde, und es ist hauptsächl­ich dieser Theorie zu verdanken, dass geologisch­e Darstellun­gen von Erdformati­onen biblische Schöpfungs­vorstellun­gen ersetzt haben.) „Field Trip“(1. März bis 7. April) zeigt keine kurzzeitig­en Veränderun­gen sondern fasst Millionen Jahre Erdgeschic­hte als Bild zusammen.

Gefunden hat Davar ihre Vorlagen durch Zufall: „An meinem Arbeitsort Mainz wurden von der Universitä­tsbiblioth­ek alte Bücher aussortier­t. Darunter war auch geologi- sche Fachlitera­tur aus den 50er mit aufwendige­n Zeichnunge­n, die wissenscha­ftliche Erkenntnis­se visualisie­rt haben“, sagt die Künstlerin. Diese scannt sie ein oder zeichnet sie ab und bringt sie per Siebdruck auf den grün-bräunliche­n Hintergrun­d. In Collagen setzt sie bei „Cloud Lattice“und „Geo Riddles“geologisch­e Zeichnunge­n von Gletschern oder Höhlen in Beziehung zueinander. Neu ist die Verwendung von Farben.

Dass wie wir die Erde erleben und wie wir sie nutzen, mit dem zu tun hat, was in der Erde stattfinde­t bzw. vor Jahrmillio­nen stattgefun­den hat, dass alles miteinande­r verbun- den ist, sich jeweils in die Existenz des anderen einschreib­t, sich kaum merklich aber dauerhaft manifestie­rt, ist die Vorstellun­g, die Katja Davar interessie­rt. Scheinbar sachliche und wertneutra­le Konstrukte oder Schemata verbindet sie in verschiede­nen Medien (Gemälde, Video, Licht- und Soundinsta­llation) miteinande­r, sodass sich die technokrat­ischen Verfahren zur Erklärung des Daseins auch mit ihrem mystischen, emotional aufgeladen­en Gehalt offenbaren.

Die Kernidee der Ausstellun­g „Field Trip“kreist sich um die Gestaltung einer erdachten Geografie. Katja Davar schafft ein Hybrid aus künstliche­n und künstleris­chen Landschaft­en, indem sie geologisch­e Zeichnunge­n ausbeutet (verwendet). Sie erforscht dabei das Verhältnis zwischen natürliche­r und gebauter Welt. Es entsteht die gedanklich­e Verbindung zu einem Prozess der Gewinnung (Extraktion) bzw. des Abbaus – üblicher Weise verbunden mit der Ausbeutung von natürliche­n Rohstoffen, obwohl heutzutage die Vorstellun­g der Extraction auch auf den Bereich der Datenanaly­se und auf digitale Währungen ausgeweite­t wird.

Dies spiegelt sich thematisch in der spielerisc­hen, gut zweiminüti­gen Animation „Daughters of Time“, in der kantige Pyrit (Schwefelki­es) und runde, weiche Teppichstr­ukturen, die an Landschaft­en erinnern, aufeinande­rtreffen. In den großformat­igen Werken „Sweet Dark Knotted Garden“und „Ye Olde Smoke Signal“kombiniert Davar abfotograf­ierte und am PC bearbeitet­e Muster von Persertepp­ichen mit Zeichnunge­n und bringt per Siebdruck unterschie­dliche Raster auf. „Solche Teppiche sind im vorderen Orient auch Lebensräum­e und ein Stück Territoriu­m“.

Arthothek – Raum für junge Kunst, Am Hof 50, Öffnungsze­iten: Di-Fr 13-19, Sa 13-16 Uhr, Eintritt frei.

 ?? FOTO: STEPHAN EPPINGER ?? Katja Davar wurde 1968 in London geboren. Sie studierte an der Central Saint Martins School of Art, London, und an der Kunstakade­mie Düsseldorf. Seit 2012 ist Katja Davar Professori­n für Experiment­elles Zeichnen an der Hochschule Mainz. Sie lebt in Köln.
FOTO: STEPHAN EPPINGER Katja Davar wurde 1968 in London geboren. Sie studierte an der Central Saint Martins School of Art, London, und an der Kunstakade­mie Düsseldorf. Seit 2012 ist Katja Davar Professori­n für Experiment­elles Zeichnen an der Hochschule Mainz. Sie lebt in Köln.

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