Rheinische Post Langenfeld

Sollten Profis Fehler öffentlich zugeben?

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Der Drang, Verantwort­ung zu übernehmen, kann mit der Vorbereitu­ng aufs nächste Spiel kollidiere­n.

DÜSSELDORF Timo Horn wählte die Flucht nach vorn. Der Torhüter des 1. FC Köln stellte sich nach dem 2:3 gegen den VfB Stuttgart vor die TVKameras und erklärte seinen Patzer vor dem zweiten Stuttgarte­r Treffer, der sein Team auf die Verlierers­traße brachte. „Den muss ich im Schlaf halten. Ich weiß nicht, wann mir das zuletzt passiert ist. Ich suche da keine Ausreden“, sagte der 24-Jährige. Minuten zuvor hatte es ein anderer prominente­r Keeper ähnlich gehalten: Petr Cech, Torhüter des FC Arsenal, wählte Twitter, um die Verantwort­ung für das 1:2 in Brighton zu übernehmen. „Wenn du auswärts in der besten Liga der Welt ein Spiel gewinnen willst, darf dein Torhüter nicht zwei solche Gegentore kassieren, wie ich es heute getan habe. Das ist nicht möglich“, schrieb der 35-jährige Tscheche.

Nun ist das Stehen zu Fehlern gesellscha­ftlich als lobenswert anerkannt, aber wie sieht es eigentlich sportpsych­ologisch aus? Ist es für die Vorbereitu­ng auf das kommen- de Spiel ein paar Tage später förderlich, wenn man öffentlich so in Sack und Asche geht? Der früherer Leverkusen­er Profi Stefan Reinatz sagte im Interview mit unserer Redaktion mal: „Als Sportler muss man sich manchmal belügen, damit man das nächste Spiel wieder positiv angehen kann. Wenn man immer wieder auf sich draufhaut, fördert es nicht gerade das Selbstvert­rauen und da- mit die Leistung. Allerdings ist es ein schmaler Grat, trotz dieser Selbstlüge weiterhin selbstkrit­isch in der Sache zu sein.“

Babett Lobinger vom Psychologi­schen Institut der Deutschen Sporthochs­chule in Köln will in der Frage keinen Kardinalsw­eg vorgeben. „Man macht am besten das, was einem in dieser Situation gut tut. Und wenn Timo Horn das Bedürfnis hat, Verantwort­ung zu übernehmen, soll er das auch tun“, sagt sie. „Zu seinen Fehlern zu stehen, ist immer ein guter Weg.“Lobinger ist seit 2006 Stammdozen­tin im FußballLeh­rer-Lehrgang an der HennesWeis­weiler-Akademie des Deutschen Fußball Bundes. „Im Lehrgang ist Fehlermana­gement ein Thema. Da geht es um Fehlerkult­ur, also um den sinnvollen und lehrreiche­n Umgang mit Fehlern. Denn noch immer arbeitet man heute meistens an den Fehlern der Menschen anstatt an ihren Stärken.“

Den Eindruck wecken auch viele Statements, in denen Trainer wie Spieler davon sprechen, „das Spiel natürlich intensiv zu analysiere­n“. Dabei geht es nicht nur, wie viele meinen, um das Aufarbeite­n von Gegentoren, sondern viel mehr dient diese Besprechun­g als Moment des Umschwungs. Hin zum nächsten Spiel. Besinnung aufs Positive. Aufzeigen der Stärken. „Jede Nachbespre­chung eines Bundesliga­spiels besitzt immer auch eine psychologi­sche Komponente“, sagt Lobinger. Deswegen sei es eben auch in mentaler Hinsicht für einen Trainer wichtig, zu entscheide­n, welche Szenen er in der Analyse zeigt.

In Bezug auf Horns öffentlich­es Eingeständ­nis mahnt Lobinger dann auch eine Endlichkei­t der Buße an. „Er darf sich nicht zu lange mit dem Fehler beschäftig­en, sondern muss zügig an die Partien denke, in denen er seiner Mannschaft Punkte gerettet hat.“Unter dem Strich gilt für ihn und Cech wohl das, was Reinartz als Quintessen­z formuliert­e: „Letztlich ist es die Frage, ob man sich irgendwann so gut belügt, dass man es wirklich glaubt und trotzdem selbstkrit­isch genug ist, um Dinge zu verändern.“

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FOTO: DPA Ein enttäuscht­er Timo Horn nach Kölns 2:3 gegen Stuttgart.

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