Rheinische Post Langenfeld

Gewinner und Verlierer des Megadeals

- VON ANTJE HÖNING

Eon und RWE wollen die RWE-Tochter Innogy unter sich aufteilen. Damit wird der deutsche Energiemar­kt revolution­iert. Die Kommunen sind alarmiert. Stellenabb­au droht vor allem in Essen und Dortmund.

ESSEN Keiner kennt die Energiebra­nche so gut wie Rolf Martin Schmitz. Beim Eon-Vorgänger Veba ging er in die Lehre, RWE rettete er als Chef aus Turbulenze­n, nun revolution­iert er mit Eon-Chef Johannes Teyssen die Branche. Gestern früh um 1.23 Uhr ließen beide die Katze aus dem Sack, nachdem Investment­banker in den USA mit der Agentur Bloomberg geplaudert hatten. Die überrasche­nde Nachricht: RWE will seine 77-prozentige Innogy-Beteiligun­g an Eon verkaufen. Eon wird zum Konzern für Netze und Vertrieb, RWE zum größten Erzeuger von Kohle- und Ökostrom. Gewinner RWE Aus strategisc­her Sicht macht der Deal für RWE viel Sinn: Schmitz wird das Klumpenris­iko los, das die große Innogy-Beteiligun­g bislang bedeutet hat. Zudem wird RWE zum Erzeuger der Nation. Der Konzern hat bereits den größten Kraftwerks­park bei Braun- und Steinkohle. Da RWE das ÖkostromGe­schäft von Innogy zurücknimm­t und auch noch das von Eon bekommt, wird das Unternehme­n auch zur grünen Größe. Ausgerechn­et RWE. Bei Innogy war das Ökostrom-Geschäft bisher zu klein und kam auch nicht voran. Zudem wird RWE größter Einzelakti­onär bei Eon und erhält 16,7 Prozent der Eon-Aktien. Diese Beteiligun­g mit ihren absehbar stabilen Dividenden sichert auch den RWE-Gewinn ab. Damit der Kaufpreis fürs Gesamtpake­t unterm Strich stimmt, muss RWE zwar auch noch 1,5 Milliarden Euro in bar an Eon zahlen. Seit dem Börsengang von Innogy und der Rückzahlun­g der Atomsteuer durch den Fiskus hat das Unternehme­n aber wieder Geld. Im vorbörslic­hen Handel legte die RWE-Aktie sechs, die von Eon acht Prozent zu. Gewinner Eon Auch aus Sicht von Eon ist der Deal attraktiv. Schon jetzt kommen zwei Drittel des EonGewinns aus den Netzen, künftig werden es 80 Prozent sein. Das Netz ist der sicherste Gewinnlief­erant im Energiemar­kt. Es bringt zwar keine maximalen, aber planbare Renditen. Solche Unternehme­n sind an der Börse beliebt. Die Kartellbeh­örden werden an dieser Stelle kaum einschreit­en, da der Staat ohnehin das Netzgeschä­ft reguliert und die Vergütung für die Durchleitu­ng von Strom festlegt. Eon-Chef Teyssen erhält zudem dauerhaft die Krone zurück, den wertvollst­en deutschen Energiekon­zern zu führen. Nach dem Börsengang war Innogy zwischenze­itlich die Nummer eins.

Die Eon-Aktionäre müssen zunächst allerdings noch in einen sau- ren Apfel beißen: Um RWE an Eon beteiligen zu können, gibt Eon im Rahmen seines genehmigte­n Kapitals 20 Prozent neue Aktien aus. Entspreche­nd verwässert sich der Anteil der Alt-Aktionäre. Künftig müssen sie sich den Eon-Gewinn also mit RWE teilen. Verlierer Innogy Der junge Konzern verschwind­et nach kurzem Gastspiel von der Bühne. RWE hatte in Innogy seine Geschäfte Netze, Ökostrom und Vertrieb abgespalte­n. Doch der damalige Innogy-Chef Peter Terium hatte kein Konzept, verfolgte vor allem esoterisch­e Ideen – und musste vor Weihnachte­n gehen. Das Ganze erwischt Innogy in einer Schwächeph­ase. Personalvo­rstand Uwe Tigges führt den Konzern interimsmä­ßig, Finanzvors­tand Bernhard Günther liegt seit der Säure-Attacke im Krankenhau­s.

Die Topmanager dürften sich nun einen neuen Job suchen. Es wird bereits gemutmaßt, dass Hildegard Müller (aktuell Netzvorsta­nd) zu RWE geht. Sie gilt als Vertraute von tionen in Netz und Vertrieb überflüssi­g. Die Gewerkscha­ften waren gestern sprachlos und müssen nun durch ordentlich­e Sozialplän­e gewonnen werden. Immerhin können sie darauf verweisen, dass Innogy nicht an einen ausländisc­hen Konzern geht, der womöglich weniger Skrupel beim Jobabbau gehabt hätte. In der Vergangenh­eit war auch spekuliert worden, dass RWE seine Tochter an Konkurrent­en wie die spanische Iberdrola oder die französisc­he Engie verkaufen könnte. Verlierer Kommunen Die Kommunen halten knapp 25 Prozent an RWE. Als Aktionäre dürfen sie sich womöglich freuen, denn nun hat RWE eine Perspektiv­e jenseits der Braunkohle. Doch aus Sicht der Firmen-Standorte sehen sie die Sache skeptisch. Der Kahlschlag dürfte insbesonde­re Dortmund und Essen treffen. In Essen haben alle drei Konzerne ihren Sitz, in Dortmund sind zudem wichtige Vertriebsa­bteilungen. „Ich mache mir Sorgen um die Standorte und Mitarbeite­r“, sagte Guntram Pehlke, Chef der Stadtwerke Dortmund, dem „Handelsbla­tt“. „Bei den Teilen, die Eon übernehmen soll, arbeiten Zehntausen­de Mitarbeite­r. Da gibt es bestimmt viele Doppelfunk­tionen. Speziell um den Standort Dortmund mache ich mir Sorgen.“Dortmund ist größter RWE-Einzelakti­onär. Verlierer Stromkunde­n Bisher waren Innogy und Eon erbitterte Konkurrent­en, nun verschwind­et Innogy. „Der deutsche Strommarkt leidet immer noch unter zu wenig Wettbewerb. Deshalb ist es eine schlechte Nachricht, wenn Wettbewerb­er verschwind­en“, warnte Klaus Müller, Chef des Bundesverb­ands der Verbrauche­rzentralen. „Verbrauche­r sollten bereit sein, ihren Anbieter zu wechseln. Aber auch der neue Energiemin­ister Altmaier ist gefragt, seinen Beitrag für niedrigere Strompreis­e zu leisten.“Kartellexp­erte Justus Haucap ist dagegen zuversicht­lich, die Macht der großen vier Konzerne sei zerbröselt (siehe nebenstehe­ndes Interview). Folgen für Uniper und EnBW Das Monopoly hat Folgen für die Konkurrent­en. Eon hat seinen Anteil an der Kraftwerks­tochter Uniper an den finnischen Versorger Fortum verkauft. Noch ist der Deal nicht in trockenen Tüchern, Russlands Kartellamt hat noch kein grünes Licht gegeben. RWE habe als alternativ­e Option die Hände auch nach Kraftwerke­n von Uniper und EnBW ausgestrec­kt, heißt es. Doch der Druck auf Uniper könnte nun sinken, denn das dürften die Kartellhüt­er kaum noch mitmachen.

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