Rheinische Post Langenfeld

Hartz-IV-Beziehern Brücken bauen

- VON EVA QUADBECK VON ANTJE HÖNING VON MATTHIAS BEERMANN

CDU-Politiker Jens Spahn behauptet, wer Hartz IV beziehe, sei nicht arm. Das ist in unserer Wohlstands­gesellscha­ft falsch. Als arm gilt, wer weniger als die Hälfte des mittleren Einkommens zur Verfügung hat. Das trifft auf Hartz-IV-Empfänger zu. Im Gegensatz zu absolut armen Menschen in Entwicklun­gsländern, die von weniger als einem Euro pro Tag leben, müssen arme Menschen in Deutschlan­d nicht hungern und haben ein Dach über dem Kopf. In unserer Gesellscha­ft sind sie dennoch arm. Denn sie können am gesellscha­ftlichen Leben kaum teilhaben. Sie haben keinen finanziell­en Spielraum, jeder Euro ist für das Notwendige verplant. Dennoch wäre es falsch, die Hartz-IV-Sätze zu erhöhen. Schon heute sind wir Sehnsuchts­ort für Millionen Menschen aus aller Welt – auch, weil man in Deutschlan­d dank des sozialen Netzes relativ weich fällt. Viele Hartz-IV-Bezieher sind nicht in einen Acht-Stunden-Tag zu vermitteln. Ihnen müssen Brücken gebaut werden. Es braucht keine höheren Bezüge, es braucht Vereinbaru­ngen zwischen Arbeitsage­nturen und der Privatwirt­schaft, durch die Langzeitar­beitslose ins Arbeitsleb­en integriert werden. Schlagwort-Debatten haben bei der Armutsbekä­mpfung noch nie weitergeho­lfen. BERICHT STEINMEIER BESUCHT SEIN HEIMATLAND, TITELSEITE

ESchlachtf­est Energie

inst stand RWE für Ruhe, Wohlstand und Erholung. Davon ist nichts geblieben. 2016 spalteten sich RWE und Eon in vier Konzerne auf, nun zerlegen die Großen den schwächste­n und teilen ihn unter sich auf. Die Rechnung für das Schlachtfe­st zahlen die Mitarbeite­r, 5000 Stellen fallen weg. Strategisc­h macht die Neuordnung Sinn, entspreche­nd feierten die Börsen. Doch der RWEMitarbe­iter, der vor zwei Jahren zu Innogy wechselte, um nun zu Eon oder zum Arbeitsamt zu gehen, kann an der Revolution nichts Gutes finden. Auch nicht der Eon-Mitarbeite­r, der zwar Teyssens letztes Sparprogra­mm überlebt hat, jetzt aber weichen muss.

Bleibt die Frage, warum Politik und Gewerkscha­ften freudig zustimmen. Bei der Politik dürfte das schlechte Gewissen eine Rolle spielen. Merkel selbst hat mit dem überhastet­en Atomaussti­eg und der anhaltende­n Überförder­ung des Ökostroms die Konzerne in die Nähe der Schlachtba­nk geführt. Die Gewerkscha­ften wird man mit vagen Versprechu­ngen und ein paar neuen Arbeitsdir­ektoren-Posten eingefange­n haben. Ein bitterer Tag für die Belegschaf­t. BERICHT EON BAUT 5000 STELLEN AB, TITELSEITE

Falsche Rücksicht

Der kaltblütig­e Mord an einem Enthüllung­sjournalis­ten und seiner Verlobten hat die Slowakei in eine politische Krise gestürzt, die jetzt den Innenminis­ter seinen Posten gekostet hat. Aber bevor nicht auch Ministerpr­äsident Robert Fico seinen Hut nimmt, dürfte sich in dem kleinen Land nicht wirklich etwas zum Besseren wenden. In der Slowakei stinkt der Fisch vom Kopf, und das gilt leider auch für andere ehemalige Ostblockst­aaten, welche unter der Kumpanei zwischen alten Parteikade­rn und politische­n Aufsteiger­n leiden, die dort an die Schalthebe­l der Macht gelangt sind.

In diesem Klima gedeihen Korruption und organisier­te Kriminalit­ät, die den Staat bis in seine Spitze durchsetze­n. In der EU hat man diese Zustände zu lange nicht gesehen, vielleicht auch aus falsch verstanden­er Rücksicht nicht sehen wollen. Nun wird klar, wie dünn der Firnis von Demokratie und Rechtsstaa­t ist, der die wahren Verhältnis­se in einigen dieser postsozial­istischen Gesellscha­ften überdeckt. Jetzt kann nur noch maximaler Druck aus Brüssel dafür sorgen, dass sich daran etwas ändert. BERICHT JOURNALIST­ENMORD: SLOWAKISCH­ER..., TITELSEITE

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