Reicht Hartz IV zum Leben?
Das Thema Hartz IV ist immer dafür gut, eine hitzige politische Debatte auszulösen. Unvergessen der Ausspruch des früheren FDP-Chefs Guido Westerwelle, der mit Hinweis auf Menschen in Hartz-IV-Bezug von „spätrömischer Dekadenz“sprach. Der künftige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sich keine Herabsetzung von HartzIV-Empfängern erlaubt, mit seiner Definition von Armut aber hat er eine Welle der Empörung ausgelöst. Wer gilt als arm? Es gibt zwei Definitionen von Armut. Von absoluter Armut spricht man, wenn ein Mensch von weniger als einem Dollar (0,81 Euro) am Tag leben muss. Diese absolute Armut grassiert in Entwicklungs- und Schwellenländern. Von so wenig Geld muss in Deutschland niemand leben. In einer Wohlstandsgesellschaft wie unserer spricht man vielmehr von relativer Armut. Wer weniger als die Hälfte des mittleren Einkommens zur Verfügung hat, gilt als arm. Dazu zählen auch Hartz-IV-Empfänger. Es gibt Wissenschaftler, die bereits diejenigen als arm oder armutsgefährdet definieren, die weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens zur Verfügung haben. Nach dieser Definition sind einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge 16 Prozent der Bevölkerung hierzulande arm. In absoluten Zahlen: Wer weniger als 917 Euro pro Monat als Single zur Verfügung hat, gilt als arm. Eine vierköpfige Familie ist je nach Alter der Kinder bei einem Einkommen zwischen 1978 und 2355 Euro netto unter der Schwelle. Was bekommen Hartz-IV-Empfänger? Ein alleinstehender Langzeitarbeitsloser erhält 416 Euro im Monat. Dazu kommen nach Regionen unterschiedlich viel Geld für Wohnung und Nebenkosten. Bei Kindern hängt der Hartz-IVRegelsatz vom jeweiligen Alter ab. Bis sechs Jahre sind 240 Euro monatlich vorgesehen, bis 14 Jahre 296 Euro und bis 18 Jahre 316 Euro. Zusätzlich erhalten Kinder zu Beginn eines Schuljahres ein Schulstarter-Paket von 100 Euro. Klassenfahrten werden finanziert. Über das Bildungspaket stehen pro Monat zehn Euro beispielsweise als Beitrag für den Fußballverein zur Verfügung. Alleinerziehende können einen gesonderten Zuschuss für sich und ihre Kinder beantragen. Diese Summen reichen aus, satt zu werden und sich zu kleiden, wenn man sehr diszipliniert mit Geld umgeht. Wer nur ein oder zwei Jahre in Hartz-IV lebt und beispielsweise noch gute Winterkleidung und eine funktionierende Waschmaschine besitzt, kommt mit dem Geld eher aus, als wenn ein Mensch wirklich zehn Jahre und mehr ausschließlich auf die staatliche Hilfe angewiesen ist. Wie steht es um die Teilhabe am sozialen Leben? Die Finanzierung von Klassenfahrten und eines Vereinsbeitrags ermöglicht Kindern – wenn auch auf sehr niedrigem Niveau – eine gewisse Teilhabe am sozialen Leben. Ein Geschenk für eine Einladung zum Kindergeburtstag kann aber nicht vom Regelsatz finanziert werden. Für Telekommunikation ist ein Anteil im Hartz-IV-Satz vorgesehen, auch für Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Diese Summen sind aber sehr gering, so dass sie eine umfassende Teilhabe am sozialen Leben nicht ermöglichen. Wer ist in Deutschland von Armut betroffen? Am häufigsten trifft Armut kinderreiche Familien, Arbeitslose, Alleinerziehende, Migranten und in wachsender Zahl auch Senioren. Einer Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zufolge hat die Zahl der Rentner in Armut seit 2005 um knapp 50 Prozent zugenommen. Dieser Studie liegt die Definition zugrunde, dass arm ist, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat. Bei den Rentnern wurde nur das Einkommen, nicht aber möglicher Immobilien-Besitz einbezogen. Eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft