Rheinische Post Langenfeld

Die Stunde der Opposition

- VON JAN DREBES UND KRISTINA DUNZ

AfD, FDP, Linke und Grüne machen der großen Koalition schon jetzt Druck.

BERLIN Union und SPD werden in ihrer neuen Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) voraussich­tlich so stark wie noch nie Druck aus der Opposition zu spüren bekommen. Zum einen ist ihre große Koalition vergleichs­weise klein. Zusammen haben CDU, CSU und SPD 399 von 709 Sitzen. In der vorigen Legislatur­periode waren es noch 504 von 631 Sitzen. Zum anderen gibt es diesmal nicht nur zwei oder drei, sondern vier Opposition­sfraktione­n. Bereits gestern, am Tag der Unterzeich­nung des Koalitions­vertrags, positionie­rten sich AfD, FDP, Linke und Grüne mit scharfer Kritik an dem neuen schwarz-roten Bündnis.

FDP-Chef Christian Lindner warf Merkel vor, sie habe „mit Geld als Schmiermit­tel“eine Koalition zusammenge­baut, um Unterschie­de auszugleic­hen und Richtungse­ntscheidun­gen zu vermeiden. Er sprach Merkels CDU die Position der Mitte in der Gesellscha­ft ab und vereinnahm­te diese für die FDP. „Wir sehen uns als eine Opposition aus der Mitte des Parlaments für die Mitte des Landes“, sagte Lindner. Der schwarz-rote Koalitions­vertrag atme den Geist einer „absoluten Staatsfixi­erung“. Es versichert­e, seine Partei stehe für Mehrheiten jenseits der großen Koalition zur Verfü-

FDP-Chef Christian Lindner gung, etwa bei der Abstimmung über die Streichung des Paragrafen 219a im Strafgeset­zbuch zum Werbeverbo­t für Abtreibung­en, den die Union erhalten, die SPD aber abschaffen möchte.

Die AfD reklamiert­e bereits, Einfluss auf das Personalta­bleau der CDU genommen zu haben. Die CDU sei zur Einsicht gekommen, dass sie nicht weitermach­en könne wie bisher. Merkel habe deshalb ihren Kritiker Jens Spahn als Gesund- heitsminis­ter berufen. Die neuen Namen auf der Kabinettsl­iste würde es nicht geben, „wenn die AfD nicht ununterbro­chen Druck machen würde“, sagte der AfD-Vorsitzend­e Alexander Gauland.

Die Linke bezeichnet­e sich selbst als die „soziale Opposition“. Parteichef­in Katja Kipping unterteilt­e den Koalitions­vertrag in drei Kategorien: zu wenig, nichts, falsch. Als Beispiel griff sie das Thema Kinderarmu­t auf. Die im Vertragswe­rk beschriebe­nen Maßnahmen würden falsch gesetzt, etwa die Kindergeld­erhöhung. Davon hätten Aufstocker von Sozialleis­tungen keine Verbesseru­ngen zu erwarten. Die große Koalition stehe für das „Treten nach unten“, sagte Kipping mit Blick auf Äußerungen von Spahn zu HartzIV-Empfängern und von CSU-Chef Horst Seehofer zur Migration.

Die Grünen-Vorsitzend­e Annalena Baerbock beklagte im Koalitions­vertrag „große Lücken gerade bei den großen Zukunftshe­rausforder­ungen“. Sie nannte den Klimaschut­z, die Digitalisi­erung und die Bekämpfung von Armut.

„Der schwarz-rote Koalitions­vertrag atmet den Geist einer absoluten

Staatsfixi­erung“

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