Grünes Licht für Zerschlagung von Innogy
Nach nur zwei Jahren wird Innogy Geschichte: Gewerkschaften und Kommunen stimmen der Aufteilung zwischen RWE und Eon zu. Die Börse feiert. 5000 Mitarbeiter fürchten um ihren Job.
ESSEN Für die Innogy-Mitarbeiter las sich das meterhohe Werbeplakat vor der Innogy-Zentrale gestern wie Hohn: „Manche fliegen zum Mars, um Neuland zu betreten. Wir fahren zur Arbeit“, heißt es dort. Viele von ihnen werden bald nicht mehr dorthin fahren. Denn nach der Übernahme der RWE-Tochter Innogy will Eon 5000 seiner künftig 78.000 Stellen abbauen, wie die Konzerne gestern nach Sitzungen beider Aufsichtsräte mitteilten.
In einer komplexen Transaktion wollen die einstigen Konkurrenten Innogy unter sich aufteilen: Das Netzgeschäft (21.600 Mitarbeiter) und das Vertriebsgeschäft (15.500 Mitarbeiter) sollen zu Eon wechseln, das Ökostromgeschäft (1700 Mitarbeiter) zu RWE. Offen ist, was aus den 3700 weiteren Mitarbeitern – etwa in der Zentrale – wird.
Die Nervosität ist groß. Innogy soll die Mitarbeiter gestern aufge- fordert haben, externe Anfragen an einen „Defense-Beauftragten“zu melden, heißt es in Konzernkreisen. Auch bei Eon gibt es Unruhe. Eine Projektgruppe unter dem Namen „Livewire“hatte den Coup über Monate im Geheimen vorbereitet. Es ist die dritte Wandlung des Konzerns unter Eon-Chef Johannes Teyssen, nun kappt er endgültig Eons historische Wurzeln als Erzeuger.
Beifall für den Megadeal gab es von Anlegern und Kanzlerin. Angela Merkel sagte, sie habe Vertrauen in die Konzerne, dass sie die beste Variante wählten, um die Energiewende zu schaffen. Folgen für Arbeitnehmer Personalvorstand Uwe Tigges, der Innogy seit dem Rauswurf von Peter Terium im Dezember führt, hatte am Morgen noch versucht zu beruhigen. „Uns ist völlig klar, dass Sie diese Nachrichten verunsichern“, schrieb er in einem Brief an die Belegschaft. „Wir versichern Ihnen, dass die Interessen der Mitarbeiter ebenso wie die unserer Aktionäre an vorderster Stelle von uns verfolgt werden.“Tigges gilt als Fels in der Brandung, seit Terium abtreten musste und Finanzvorstand Bernhard Günther Opfer einer Säureattacke wurde.
Doch als am Abend der Kahlschlag öffentlich wurde, waren Tigges’ Worte schon verklungen. Eon erklärte zwar, man wolle die Inte- gration in der bewährten partnerschaftlichen Zusammenarbeit umsetzen. Doch betriebsbedingte Kündigungen schloss der Konzern auf Anfrage nicht aus. Da ist es ein schwacher Trost, dass Eon mitteilte: „Eon rechnet damit, dass sie im kommenden Jahrzehnt Tausende neue Arbeitsplätze schaffen wird.“
Besser haben es die bei RWE verbleibenden Mitarbeiter. „RWE erwartet durch die Transaktion in den kommenden Jahren insgesamt keinen Personalabbau“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung weiter.
Die Gewerkschaften gaben dennoch grünes Licht. „Beide Unternehmen haben nun die Möglichkeit, in Wachstum zu investieren. Das sichert Arbeitsplätze für die Zukunft“, sagte IG BCE-Chef Michael Vassiliadis. Zugleich mahnen Verdi und IG BCE in einer gemeinsamen Erklärung die Job-Sicherung an: Man gehe vom Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen und der Fortgeltung der Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen aus. Folgen für Kommunen Auch die Kommunen, die knapp 25 Prozent an RWE halten, gaben ihren Widerstand auf. „Die geplante Transaktion zwischen RWE und Eon ist aus kommunaler Sicht sowohl strategisch wie auch finanzwirtschaftlich grundsätzlich positiv zu werten“, teilte der Verband der kommunalen Aktionäre mit. „Für RWE bedeutet das langfristige Stabilisierung als drittgrößter Anbieter regenerativ erzeugten Stroms.“Auch sie fordern, dass die Arbeitsplätze gesichert werden, vor allem an den großen Standorten Dortmund und Essen. Allein in Dortmund hat Innogy 3000 Beschäftigte. Zudem müsse die Ertragslage von RWE gestärkt und die Dividende gesichert werden. Die Konzerne sicherten den Kommunen zu, dass sie ihren Sitz in Essen behalten werden. Folgen für Verbraucher Die Konzerne gehen davon aus, dass die EUKommission den Deal kartellrechtlich prüfen wird. Doch die deutschen Experten sind zuversichtlich. „Im Stromvertrieb sind Markteintrittsbarrieren gering, so dass hier wenig wettbewerbliche Bedenken vorliegen“, sagte Achim Wambach, Chef der Monopolkommission, unserer Redaktion. Bei den Netzen gibt es aus seiner Sicht ohnehin kein Problem: „Stromnetze sind reguliert, und bei den Vergaben für Konzessionen für Verteilnetze ist wettbewerbliches Handeln eingeschränkt, da Unternehmen nicht mit Preisen konkurrieren.“ Folgen für Aktionäre Die Börse feiert die Pläne. Die RWE-Aktie legte zeitweise um 14 Prozent zu, die von Eon um sechs Prozent und die von Inno- gy sogar um 16 Prozent. Eon will die 77-Prozent-Beteiligung an Innogy übernehmen und bietet den übrigen Aktionären 40 Euro pro Aktie. Gestern schloss die Innogy-Aktie bei 38,70 Euro. Die Anleger schreckt nicht einmal die von Eon angekündigte Kapitalerhöhung. RWE soll mit 16,7 Prozent an Eon beteiligt werden, dies will Eon per Kapitalerhöhung ermöglichen. Folgen für den Energiemarkt RWE wird zur neuen Erzeugungsmacht. Das sieht Wambach kritisch: „Als Anbieter von Versorgungssicherheit durch konventionelle Energie sowie von erneuerbaren Energien wird RWE in zwei Märkten an Gewicht gewinnen, deren Relevanz in der Zukunft deutlich zunehmen wird. Es ist bedauerlich, dass sich mit Eon ein großer Spieler aus diesen Märkten zurückzieht.“ Folgen für Terium Der Ex-Chef gilt endgültig als gescheitert, das von ihm erfundene Unternehmen verschwindet. Noch immer streitet Terium dem Aufsichtsrat über seine Abfindung. „Bei Aufstellung des Jahresabschlusses waren die Konditionen einer vorzeitigen Aufhebung des Dienstvertrags noch nicht vereinbart, wobei die Parteien eine einvernehmliche Regelung weiterhin anstreben“, heißt es im Geschäftsbericht. Es wird der letzte sein.