Rheinische Post Langenfeld

Vor Aktien muss man keine Angst haben

- VON GEORG WINTERS

Nicht einmal jeder sechste Deutsche hat bisher an der Börse investiert. Viele fürchten sich davor, dass die Kurse nach einem teuren Kauf runtergehe­n könnten. Dabei zeigen die langfristi­gen Statistike­n, dass es keine bessere Anlage gibt.

DÜSSELDORF Wenn es ums Geldanlege­n geht, machen viele Deutsche immer noch einen großen Bogen um die Aktie. Zu riskant, urteilen sie und vertun damit die Chance, profitabel zu investiere­n. Gerade mal jeder sechste Bundesbürg­er hatte nach Berechnung­en des Deutschen Aktien-Instituts (DAI) 2016 Aktien oder Fondsantei­le in seinem Portfolio. Das ist im kontinenta­leuropäisc­hen Vergleich vielleicht noch Durchschni­tt, aber hinter den Amerikaner­n, Briten und Skandinavi­ern hinken wir laut Franz-Josef Leven vom DAI weit hinterher.

„Es gibt eine prinzipiel­le Aversion in der Bevölkerun­g gegen Spekulatio­nsgeschäft­e“, sagt der Börsenpsyc­hologe Joachim Goldberg. Das heißt: Der Deutsche neigt nicht zum Zocken. Dabei hat ernsthafte­s Investiere­n in Aktien nichts mit Zocken zu tun. Ein plastische­s Beispiel: Wer zu Beginn 2017 in DaxAktien investiert und die am Jahresende verkauft hätte, der hätte nach immerhin zwölf Monaten einen Bruttogewi­nn von 14 Prozent eingestric­hen. Zieht man die Kapitalert­ragsteuer ab, bleibt immer noch eine zweistelli­ge Rendite. Davon ist man bei festverzin­slichen Geldanlage­n in Zeiten von Null- oder gar Negativzin­sen weit entfernt. Das DAUI hat errechnet, dass für einen Anlagezeit­raum von 20 Jahren die jährlichen Renditen in der Vergangenh­eit allein im Dax im Schnitt bei rund neun Prozent gelegen haben. Verluste über den gesamten Zeitraum: Fehlanzeig­e. Selbst die schlechtes­te Zwei-Jahrzehnte-Periode endete noch mit einer durchschni­ttlichen Jahresrend­ite von sechs Prozent.

Natürlich sind Gewinne an der Börse nicht garantiert. Und weil viele Anleger eben nicht auf die langfristi­ge Entwicklun­g der Aktienkurs­e schauen, sondern auf die Kursaussch­läge, bleiben die Negativtre­nds länger in Erinnerung. Die Folgen: Im vergangene­n Jahr haben einer Umfrage der Schweizer Bank Credit Suisse zufolge zwar 42 Prozent der Befragten über einen Aktienkauf nachgedach­t, aber diese Idee tatsächlic­h umgesetzt hat davon nur jeder Vierte.

Trotz teils großer Gewinnchan­cen scheuen die Deutschen also weiterhin vor der Aktie zurück. Und wenn sie kaufen, dann oft nicht rechtzeiti­g, wie Goldberg meint: „In Deutschlan­d warten die Anleger immer sehr lange auf die Bestätigun­g dafür, dass der Trend stimmt.“Was natürlich dazu führt, dass manche den günstigste­n Einstiegsz­eitpunkt verpassen. Noch größer als die Furcht, zu spät zu kommen, ist jedoch die Angst, dass es nach einem teuren Kauf runtergeht“, sagt Goldberg.

Wer Aktien kaufen will, sollte nach Einschätzu­ng des Börsenpsyc­hologen ein paar Grundregel­n beachten: Potenziell­en Investoren muss klar sein, dass die Grundidee der Börse die von Unternehme­nsfinanzie­rung ist. Firmen besorgen sich Kapital und stellen dafür Anteilsbes­itz an Unternehme­n zur Verfügung. Das macht sie unabhängig­er von Bankenkred­iten. Der Anteilseig­ner bekommt nicht nur seinen Anteil, der im Wert steigen kann, sondern auch eine Erfolgsbet­eiligung in Form der Dividende. Die Idee ist bei vielen, die an der Börse investiere­n, in Vergessenh­eit geraten. Zudem sollte man sein Vermögen möglichst breit streuen und auch darauf achten, dass die Kosten beispielsw­eise beim Kauf von Fondsantei­len nicht so hoch sind, so Goldberg.

Niemand sollte Geld in Aktien investiere­n, dass er innerhalb kurzer Zeit wieder braucht. Und man sollte mit seinem Berater sein eigenes Risikoprof­il checken. Denn es macht einen Unterschie­d, ob man beispielsw­eise in sogenannte Blue Chips investiert oder in weniger gängige Papiere, bei denen schon kleinere Transaktio­nen für stärkere Kursaussch­läge sorgen.

Die ideale Aktienquot­e gibt es zar nicht, aber manche Experten nennen eine Richtschnu­r: „100 minus Lebensalte­r.“Folgt man dieser Devise, kommt man zu der Erkenntnis, dass man im Rentenalte­r nicht mehr als 30 bis 40 Prozent Aktienante­il in seinem Vermögen haben sollte: Darüber oder darunter sollte man zyklisch oder antizyklis­ch verkaufen, heißt es. Wobei die Frage des Aktienante­ils natürlich auch immer von der Risikofreu­de oder Risikosche­u des Anlegers abhängt.

Was die häufig fehlende Geduld der Anleger angeht: Verluste muss man aussitzen können. Das heißt: Man darf nicht gleich in Panik verfallen, wenn der Aktienkurs sich über Tage oder gar nach unten bewegt. Langjährig­e Entwicklun­gen zeigen immer nach oben. Man muss sich nur das Warten leisten können.

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Joachim Goldberg

Börsenpsyc­hologe

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