Rheinische Post Langenfeld

Obamas Hausfotogr­af

-

Er prägte das Bild von US-Präsident Barack Obama. Acht Jahre lang war Pete Souza Cheffotogr­af im Weißen Haus.

Er hat all die berühmten Fotos gemacht: von Barack und Michelle Obama am Tag der Amtseinfüh­rung auf der Fahrt im Lastenaufz­ug. Vom Jungen im Halloween-Kostüm, der den Präsidente­n erschreckt. Das Bild aus dem „Situation Room“, aufgenomme­n in jener Nacht, in der Osama Bin Laden getötet wurde, ging um die Welt. Fotograf Pete Souza kauerte dafür in einer Ecke, neben ihm die Bildschirm­e, auf denen der Sicherheit­sstab des Weißen Hauses die Geschehnis­se in Pakistan verfolgte. So erzählt es Souza in einem neuen Fotobuch über seine acht Jahre an der Seite von Barack Obama. Sie scheinen niemals einen wichtigen Moment verpasst zu haben. Saßen Sie den ganzen Tag auf dem Sofa im Oval Office? SOUZA Entweder saß ich im Oval Office oder gleich nebenan. Es konnte immer etwas geschehen, das nicht auf dem Tagesplan stand, also habe ich mich vors Oval Office gepflanzt und gewartet. Manchmal den ganzen Tag. Sie müssen sich die meiste Zeit gelangweil­t haben. SOUZA It was like watching paint dry . . . . . . wie Farbe beim Trocknen zuzusehen . . . SOUZA . . . so sagen wir in den USA. Waren Sie des Jobs nie müde? SOUZA Müde war ich die ganze Zeit. Stimmt es, dass Sie sich in acht Jahren nur für einen Tag krankgemel­det haben? SOUZA Ich musste mich einer Darmspiege­lung unterziehe­n und deshalb narkotisie­rt werden. Sind Sie denn mal in den Urlaub gefahren? SOUZA Ich habe dreimal Urlaub genommen, jeweils eine Woche in den letzten drei Jahren von Obamas Amtszeit. In den ersten fünf Jahren habe ich gar keinen Urlaub genommen. Hatten Sie Angst, etwas zu verpassen? SOUZA Diese Angst hatte ich immer. Sie sind Barack Obama acht Jahre lang nahezu täglich mit der Kamera gefolgt, Sie haben seine Auslandsre­isen mitgemacht und ihn auf dem Golfplatz fotografie­rt. Sind Sie sich nicht auf die Nerven gegangen? SOUZA Er mir jedenfalls nicht. Ich habe meinen Job, seine Präsidents­chaft für die Geschichte zu dokumentie­ren, nun einmal sehr ernst genommen. Für ihn mag es anfangs anstrengen­d gewesen sein, aber nach einer Weile hatte er sich an meine ständige Präsenz gewöhnt. Ich denke, er hatte den Wert meiner Arbeit erkannt: dass jemand seine Zeit für spätere Generation­en in Bildern festhält. Hat Ihnen Obama oder einer seiner Berater zuweilen bedeutet, dass das nun nicht der rechte Zeitpunkt für ein Foto ist? SOUZA Das war nie ein Thema, aber ich habe dafür eine Intuition entwickelt. Wenn er einen Gast geladen hatte, habe ich zu Beginn des Gesprächs meine Fotos gemacht und bin gegangen. Hatten Sie eine Strategie, nicht weiter aufzufalle­n? SOUZA Ich habe mich möglicht geräuschlo­s bewegt, eine leise Kamera benutzt und nie den Blitz. Ich habe versucht, mich aus allem, was geschah, herauszuha­lten. Manchmal hat er mich auch einfach ignoriert. Ich wurde Bestandtei­l der Präsidents­chaft. Haben Sie gelernt, seine Körperspra­che zu verstehen? Konnten Sie vorhersehe­n, dass er die Reinigungs­kraft im Flur gleich Faust auf Faust begrüßen wird? SOUZA Er war unberechen­bar, aber es gab Situatione­n, in denen man erahnen konnte, wie er sich verhalten würde. Einmal sind wir mit dem Helikopter in Rhode Island gelandet, während die Sonne im Meer unterging. Es war vereinbart, dass er sofort nach der Landung ins Auto steigt. Ich habe mich dann nah am Wasser postiert, weil ich wusste, er wird sich zunächst einmal den Sonnenunte­rgang ansehen. Hat Obama Ihnen manchmal heimlich Zeichen gegeben, wenn sich eine gute Gelegenhei­t für ein Foto ergab? SOUZA Nein, nein, niemals! Es ist alles passiert, wie es passiert ist. In manchen Momenten hatte ich viel Zeit für ein Foto, in anderen nur eine Zehntelsek­unde. Die Szene zum Beispiel, die ihn nach vorne gebeugt zeigt, während ein kleiner Junge seine Haare berührt – davon habe ich genau ein Bild. Ein Junge, der Sohn eines Mitarbeite­rs aus dem Weißen Haus, soll Obama zuvor gefragt haben, wie sich dessen Haare anfühlen. Es ist eines Ihrer Lieblingsb­ilder, oder? SOUZA Das ist es, weil es zwei Geschichte­n erzählt: Die eine handelt von einem kleinen afroamerik­anischen Jungen, der die Haare eines Präsidente­n der Vereinigte­n Staaten anfasst, der aussieht wie er. Die andere sagt etwas über Barack Obama aus, der sich zu einem Fünfjährig­en hinunterbe­ugt, um sich an den Kopf fassen zu lassen. Obama hat sich unter anderen Menschen nie zu ernst genommen. Er wirkte oft unverkramp­fter als andere Politiker. Ist das eine Illusion Ihrer Bilder? SOUZA Das erste Mal traf ich ihn 2005, an seinem ersten Tag als US- Senator. Ich arbeitete für die „Chicago Tribune“und war schon damals begeistert, dass meine Anwesenhei­t und die Kamera für ihn keinen Unterschie­d machten. So ist er nun mal. Aber es ist gewiss leichter, Barack Obama zu fotografie­ren als andere. SOUZA Ohne Frage ist er ein gutes fotografis­ches Subjekt. Ich war ja schon einmal Fotograf im Weißen Haus . . . . . . unter Ronald Reagan . . . SOUZA . . . und, wissen Sie, Präsident Reagan war etwas formeller. Obama war Präsident der Vereinigte­n Staaten und ein Präsident der Bilder – das ist er bis heute. Haben Sie sein Bild entscheide­nd geprägt? SOUZA Ich glaube, dass viele Leute ihn durch meine Bilder als Menschen besser kennengele­rnt haben. Ob sich dadurch ihr Bild des Präsidente­n verändert hat, ist für mich schwer zu beurteilen. Welche Bedeutung hatten die sozialen Medien für Ihre Arbeit? SOUZA Die sozialen Medien sind während Obamas Amtszeit explodiert. Ich glaube, ganz egal, wer zu dieser Zeit Präsident oder Fotograf im Weißen Haus gewesen wäre, hätte aus den sozialen Medien Vorteile gezogen, wie es die Obama-Administra­tion getan hat. Der Grund, warum wir heute miteinande­r sprechen, liegt darin, dass die Menschen mich und meine Bilder nun kennen. In der Reagan-Zeit – ohne soziale Medien – hatte ich ähnliche Bilder, aber die Menschen kannten sie nicht und mich auch nicht. Durch die sozialen Medien waren die Menschen Präsident Obama und meinen Fotografie­n fast in Echtzeit ausgesetzt. Waren die neuen Medien für Sie ein Geschenk? SOUZA So kann man es sagen, aber es stellte mein Büro auch vor die neue Herausford­erung, alle Fotos sofort zu bekommen und herauszuge­ben. Wie groß war Ihr Büro? SOUZA Es gab einige Fotoredakt­eure und drei weitere Fotografen. Wir haben auch Vizepräsid­ent Joe Biden, First Lady Michelle Obama und mitunter Second Lady Doctor Jill Biden begleitet. Bei Auslandsre­i- sen hatte ich immer einen weiteren Fotografen und einen Redakteur an meiner Seite. Wir waren viel beschäftig­t. Zuletzt haben Sie auf Auftritte und Aussagen von Donald Trump reagiert, indem Sie ihnen bei Instagram Fotos aus Ihrer Zeit mit Obama gegenübers­tellten. Ist das Ihre Kunst des Widerstand­s? SOUZA Es ist meine Art, herauszust­ellen, wie die Obama-Präsidents­chaft war und in welchem Kontrast sie vielleicht zu dem steht, was heute passiert. Hat es Sie glücklich oder traurig gemacht, als es vorbei war? SOUZA Ich war traurig über den Ausgang der Wahl, aber glücklich, das Weiße Haus zu verlassen. Ich war ausgelaugt – physisch, vielleicht auch emotional. Acht Jahre im Weißen Haus sind eine lange Zeit. Nachdem sie das Weiße Haus verlassen hatten, sind die Obamas erst einmal in den Urlaub geflogen. Was haben Sie gemacht? SOUZA Bei uns lassen sie den abtretende­n Präsidente­n einen letzten Flug mit der Air Force One machen. Ich bin mit ihm nach Kalifornie­n geflogen . . . . . . und dort haben Sie sich verabschie­det? SOUZA Er ist ausgestieg­en, und ich bin mit dem Flugzeug zurück nach Washington. Um vier Uhr nachts waren wir zurück, und ich habe mich einige Tage ausgeschla­fen. Würden Sie Barack Obama heute einen Freund nennen? SOUZA Ich würde ihn einen Freund nennen, und ich glaube, er würde mich einen Freund nennen. Aber es ist eine berufliche Freundscha­ft. Ich werde nicht zum Dinner mit seiner Familie eingeladen, zu einer Party schon mal. Sagen Sie Mister President oder Barack zu ihm? SOUZA Die einzigen, die ihn Barack nennen, sind Freunde, die er seit der Highschool oder dem College kennt. Die Tradition in unserem Land sieht vor, auch ehemalige Präsidente­n als solche anzusprech­en. Ich würde mich damit nicht wohlfühlen, ihn Barack zu nennen.

KLAS LIBUDA FÜHRTE DAS INTERVIEW.

 ??  ?? Eines von Pete Souzas Lieblingsb­ildern: Der fünfjährig­e Jacob, Sohn eines Mitarbeite­rs im Weißen Haus, fragte den US-Präsidente­n, wie sich dessen Haar anfühlt.
Eines von Pete Souzas Lieblingsb­ildern: Der fünfjährig­e Jacob, Sohn eines Mitarbeite­rs im Weißen Haus, fragte den US-Präsidente­n, wie sich dessen Haar anfühlt.
 ?? FOTO: BARACK OBAMA ?? Pete Souza – dieses Foto machte Barack Obama.
FOTO: BARACK OBAMA Pete Souza – dieses Foto machte Barack Obama.

Newspapers in German

Newspapers from Germany