Rheinische Post Langenfeld

„Die Briten würden besser in der EU bleiben“

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Der Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s im EU-Parlament will London in der Zollunion halten.

Herr McAllister, eine vermutlich russische Giftattack­e erschütter­t Großbritan­nien. Brauchen wir Sanktionen gegen Russland? MCALLISTER Es ist das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, dass Nervengas in Europa eingesetzt wurde. Moskau trägt sehr wahrschein­lich Verantwort­ung für diesen Angriff. Auf dem anstehende­n EU-Gipfel am Donnerstag ist das Thema auf der Tagesordnu­ng. Wir sollten einerseits besonnen handeln, aber ebenso eine solidarisc­he und entschloss­ene Antwort geben. Zugleich gilt es, alle Kanäle zu nutzen, damit die russische Regierung diesen Fall aktiv und konstrukti­v aufklärt. Bislang hat sie dazu nichts beigetrage­n. Sollen wir die WM boykottier­en? MCALLISTER Bereits die Vergabe ist ja politisch nicht unumstritt­en gewesen. Gleichwohl sollte die WM mit deutscher Beteiligun­g stattfinde­n. Dass unter den gegebenen Umständen weder britische Regierungs­vertreter noch Mitglieder der königliche­n Familie zu den Spielen reisen werden, kann ich allerdings sehr gut nachvollzi­ehen. Der Brexit ist ein wichtiges Thema auf dem Gipfel. Soll Großbritan­nien wenigstens im Binnenmark­t und in der Zollunion bleiben? MCALLISTER Diese Frage kann nur die britische Politik beantworte­n. Am besten wäre es, die Briten würden ganz in der EU bleiben. Aber es gibt derzeit keine parlamenta­rische Mehrheit im Unterhaus, die ein dafür notwendige­s zweites Referendum beschließe­n könnte. Ein Verbleib des Vereinigte­n Königreich­s zumindest im Binnenmark­t und in der Zollunion würde handelspol­itisch vieles vereinfach­en. Premiermin­isterin May hat das aber konsequent ausgeschlo­ssen. Merkel und Macron wollen die Reform für Europa voranbring­en. Wo muss sich die Kanzlerin bewegen? MCALLISTER Alle Verantwort­lichen in der Europäisch­en Union bewegen sich bereits. Die Eurozone muss nachhaltig gestärkt und reformiert werden. Von einem ausschließ­lich auf die Mitgliedst­aaten der Eurozone bezogenen Budget bin ich nicht überzeugt. Besser ist es, EU-Haushaltsm­ittel für strukturel­le Reformen in der Eurozone bereitzust­ellen. Wir sollten den Europäisch­en Stabilität­smechanism­us zu einem im EU-Recht verankerte­n Währungsfo­nds weiterentw­ickeln, der in Krisensitu­ationen schnell helfen kann. Eine Vergemeins­chaftung von Schulden darf es allerdings nicht geben, denn Risiko und Haftung bedingen einander. Die Niederländ­er haben die Deutschen und Franzosen vor Alleingäng­en gewarnt. Droht hier ein neuer Konflikt innerhalb der EU? MCALLISTER Mein Wunsch wäre es, dass sich die Regierung in Den Haag mit Enthusiasm­us für die europäisch­e Sache engagiert. Die EU steht vor neuen Herausford­erungen: mehr gemeinsame­s Engagement bei Bildung und Forschung, der Schutz der Außengrenz­en, der Kampf gegen den Terrorismu­s, die Afrika-Strategie, die gemeinsame Außen- und Sicherheit­spolitik. Alle bestehende­n EU-Finanzen müssen richtigerw­eise auf den Prüfstand gestellt werden. Aber einige Regierunge­n wie die von Österreich, Dänemark und den Niederland­en wollen die künftig fehlenden britischen EU-Haushaltsm­ittel und zugleich alle zusätzlich­en neuen Aufgaben ohne höhere nationale Beiträge stemmen. Das wird so nicht funktionie­ren. MARTIN KESSLER UND CHRIS VAN MERSBERGEN FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

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FOTO: DPA David McAllister (47) war von 2010 bis 2013 niedersäch­sischer Ministerpr­äsident und ist heute Chef des Auswärtige­n Ausschusse­s im Europaparl­ament.

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