Rheinische Post Langenfeld

Lobbyistin für den Frieden

- VON KLAS LIBUDA

Bertha von Suttner wurde als Schriftste­llerin bekannt und als Friedensak­tivistin berühmt. 1905 wurde die österreich­ische Weltbürger­in mit

dem Nobelpreis ausgezeich­net.

DÜSSELDORF Als ihr die Ehre doch zuteil wurde, reagierte sie, nun ja, verhalten. „Will sie nicht annehmen wegen Aufzahlung“, schrieb Bertha von Suttner über jene Eilnachric­ht aus Norwegen, die die frohe Kunde enthielt und eine Nachgebühr erforderte. „Nehme sie aber doch. War der Mühe wert.“

Bertha von Suttner hatte ihn endlich, den Friedensno­belpreis, auf den sie vier Jahre gewartet hatte. Keine lange Zeit im Vergleich zu den Jahren, die spätere Preisträge­r warten mussten, für Suttner allerdings eine Ewigkeit. Die damals 62-Jährige war schließlic­h Bestseller-Autorin, weltberühm­te Friedensak­tivistin und überdies Freundin, Geförderte und Ideengeber­in des Friedenspr­eis-Stifters Alfred Nobel. Mit Nobel, dem Dynamit-Fabrikante­n, soll sie schon 1892 bei einer Bootsfahrt auf dem Zürcher See über die Möglichkei­t eines Friedenspr­eises nachgedach­t haben. Nach Nobels Tod wurde der Preis im Jahr 1901 Wirklichke­it, „für denjenigen oder diejenige, welcher oder welche am besten für die Verbrüderu­ng der Menschheit, die Herabminde­rung der Heere und die Förderung von Friedensko­ngressen gewirkt hat“.

Ein Preis wie für Suttner ausgeschri­eben, doch von der Presse favorisier­t war im ersten Jahr der Verleihung ein anderer. „Ich würde es für die Sache als ein Unglück betrachten, wenn wieder als der Verdienstv­ollste in Friedenssa­chen ein Rotes-Kreuz-Mann, also ein Kriegserle­ichterer bezeichnet würde“, lästerte Suttner über den Favoriten Henri Dunant. Der Gründer des Internatio­nalen Roten Kreuzes gewann dann tatsächlic­h. Bertha von Suttner musste sich gedulden.

Tatsächlic­h war die Österreich­erin prädestini­ert für die Auszeichnu­ng, hatte sie doch wie kaum eine andere für die Friedenssa­che gekämpft. Ihr Roman „Die Waffen nieder!“war nach seiner Veröffentl­ichung 1889 vielfach übersetzt worden; das Buch über eine adelige Dame, die in drei Kriegen um zwei Ehemänner bangt, traf den Nerv der Zeit. Mit dem Sensations­erfolg hatte Suttner ihre Lebensaufg­abe gefunden, setzte sich 1891 an die Spitze der Österreich­ischen Friedensge­sellschaft, wurde noch im selben Jahr als Teilnehmer­in des Weltfriede­nskongress­es in Rom zur Vizepräsid­entin des internatio­nalen Friedensbü­ros in Bern gewählt, war an der Gründung der Deutschen Friedensge­sellschaft beteiligt und fortan eine der lautesten Stimmen der Bewegung.

Bertha von Suttner lehrte Europa und die Welt von nun an den Frieden, auf Konferenze­n und Vortragsre­isen kämpfte sie gegen den Krieg. „Das 20. Jahrhunder­t wird nicht zu Ende gehen, ohne dass die menschlich­e Gesellscha­ft die größte Geißel – den Krieg – als legale Institutio­n abgeschütt­elt haben wird“, schrieb sie, die selbst nie einen Krieg unmittelba­r erlebt hatte. Suttner glaubte an das Gute, für sie war der Mensch ein friedliebe­ndes Wesen. Zur Ersten Haager Friedensko­nferenz 1899 reiste sie als Lobbyistin für den Frieden. Zwar waren als Entscheidu­ngsträger nur Vertreter europäisch­er und einiger weiterer Staaten wie die USA und China zugelassen, hinter den Kulissen aber machte Suttner Stimmung. Das Ergebnis: eine Konvention zur Schlichtun­g internatio­naler Konflikte, ein erster Schritt zu einem Schiedsger­icht. Heute hat in Den Haag der Internatio­nale Strafgeric­htshof seinen Sitz.

Niemals verstand sie sich als Österreich­erin, immer als Weltbürger­in, sie lebte im Kaukasus, in Tiflis, Alfred Nobel lernte sie kennen, als sie sich auf eine Sekretärin­nen-Stelle in Paris bewarb. Sie korrespond­ierte mit Theodor Herzl und Leo Tolstoi, besuchte Fürst Albert I. in Monaco und Theodore Roosevelt in Washington. „Kein Prominente­r war vor Suttner sicher“, schreibt Biografin Brigitte Hamann. Alle sollten sich in den Dienst der Sache stellen. Die europäisch­en Friedensve­reine hielt sie an, für „einen Staatenbun­d auf Grundlage der Solidaritä­t ihrer Interessen“zu werben. Der Friede unter den Völkern Europas sollte die erste große Etappe auf dem Weg zum Weltfriede­n sein. Bei ihrer No- belpreis-Rede forderte sie eine „Friedensun­ion zwischen den Staaten“, obgleich sie die vereinten Staaten als ferne Zukunftsvi­sion sah. „Zuerst werden sich noch die hundert Natiönchen durchsetze­n wollen“, schrieb sie einmal.

„In ganz Europa wütet Kriegsfieb­er“, notierte sie 1913 über den „kriegsverr­otteten“Kontinent. Am 21. Juni 1914 starb Bertha von Suttner in Wien. Einen Monat vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs.

 ?? F O T : D PA ??
F O T : D PA

Newspapers in German

Newspapers from Germany