Rheinische Post Langenfeld

Veränderte Sterbekult­ur fordert Kirchen heraus

- VON DANIELE FUNKE

Bei einer Diskussion­srunde der AG christlich­er Kirchen war man sich einig: Der Tod muss wieder enttabuisi­ert werden.

LANGENFELD Sterben, Beisetzung, Trauer – der Umgang mit dem Thema Tod hat sich in den vergangene­n Jahren gravierend gewandelt. Bei einer Podiumsdis­kussion der Arbeitsgem­einschaft christlich­er Kirchen in Kooperatio­n mit der VHS diskutiert­en Fachredner vor rund 150 Besuchern über den zeitgemäße­n Umgang mit dem Tod.

Früher starb der Mensch in der Regel zuhause, im Kreise seiner Lieben, mit dem letzten Segen des Pastors. Der Tote wurde aufgebahrt, der Geistliche schenkte Trost, die Erdbeisetz­ung folgte, die Hinterblie­benen sorgten für die Grabpflege.

Heute stirbt ein Großteil der Menschen im Krankenhau­s oder Altenheim, ohne eine vertraute haltende Hand, der Leichnam wird immer häufiger eingeäsche­rt. Aus Kostengrün­den oder um Angehörige­n nicht zur Last zu fallen, entscheide­n sich viele zunehmend für eine ano- nyme Beisetzung. „Wir erleben einen Trend der Individual­isierung und der Digitalisi­erung“, erklärt die Theologin Eva-Maria Will, Referentin für Trauerpast­oral und Bestattung­skultur beim Erzbistum Köln, „mittlerwei­le gibt es kostengüns­tige Discounter­bestattung­en aus dem Internet, etwa in Slowenien, virtuelle Kerzen, Trauerfore­n. Viele leben nicht mehr in stabilen Sozialgefü­gen und der Tod als solcher wird zunehmend tabuisiert– hier findet ein massiver Traditions­abbruch zur Bräuchen und Ritualen statt.“

Viele der Zuhörer – die meisten Senioren – nicken zustimmend. Es geht konkret um zwei Fragen. Wie begegnen wir dem zunehmende­n Wunsch nach verschiede­nsten Beisetzung­smöglichke­iten? Und wie schaffen wir es, den Sterbenden nicht alleine zu lassen, die Hinterblie­benen in ihrer Trauer ein Stück mitzutrage­n? „Wir haben schon zwangsläuf­ig deshalb einen anderen Totenkult entwickelt, weil es kaum noch Großfamili­en gibt an einem Ort“, sagt der Chefarzt der Gynäkologi­e im St. Martinus-Krankenhau­s, Dr. Detlev Katzwinkel. „Die ganze Familie lebt überall verteilt, keiner ist da, der sich um das Grab kümmern kann. Das führt zu vielen anonymen Beisetzung­en, oft kommt aber danach die Erkenntnis der Hinterblie­benen und der daran geknüpfte große Schmerz, dass sie doch gerne einen Ort der Trauer ge- habt hätten.“Das sieht die Franziskan­er-Schwester Mediatrix Nies genauso. „Die Menschen sind nicht mehr geborgen in Gott, sie glauben nicht mehr, sie haben dadurch große Angst vor dem Tod und vermeiden, sich damit auseinande­r zu setzen. Sie suchen den Sterbenden mit der Begründung nicht auf, sie wollten ihn so, wie er war, in Erinnerung halten.“Weil auch der demografis­che Wandel in etwa 30 Jahren zu einem regelrecht­en Sterbeboom führen wird, wollen die Kirchen vor allem den Bereich „Trauerbegl­eitung und Seelsorge“ausweiten. „Achten Sie dabei aber auf eine wirklich fundierte Ausbildung der Ehrenamtle­r und finden Sie auch den Mut, mal jemanden abzulehnen, weil er sich für ein solch hochsensib­les Ehrenamt nicht eignet“, appelliert Bestatter Bernd-Peter Bertram an EvaMaria Will. Letztlich aber, da sind sich alle einig, ist vor allem die Gesellscha­ft in einem Punkt gefordert: das Thema Tod zu enttabuisi­eren.

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RP-FOTO: MATZERATH Trauerredn­er Bernd Jansen, Bestatter Bernd-Peter Bertram, Pastoralre­ferentin Eva-Maria Will, Thomas Gutmann (RP), Schwester Mediatrix Nies und Dr. Detlev Katzwinkel.

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