Rheinische Post Langenfeld

Die FDP, Putin und Genschers Erbe

- VON JAN DREBES FOTOS: DPA, IMAGO, PUBLIC AD MONTAGE: C. SCHNETTLER

Vize-Parteichef Kubicki will die Sanktionen gegen Russland lockern. FDP-Chef Lindner distanzier­t sich, obwohl er einst ähnlich klang.

BERLIN Im August des vorigen Jahres war Christian Lindner viel mit Schadensbe­grenzung beschäftig­t. Der FDP-Chef fühlte sich missversta­nden, zuvor hatte er diese Idee vorgebrach­t: Man solle doch den Streit um die russische Annexion der Krim bei weiteren Verhandlun­gen mit Wladimir Putin ausklammer­n, um den Staatspräs­identen im Kreml zu einer anderen Politik gerade im Konflikt mit der Ukraine zu bewegen. Die Wellen schlugen hoch. Christian Lindner relativier­e die völkerrech­tswidrige Annexion der Krim, hieß es damals.

Jetzt trifft es Wolfgang Kubicki, Lindners Stellvertr­eter in der FDP. Wieder ist Russland das Thema, wieder fiel eine provokante Äußerung, wieder muss sich die Partei erklären, die sich außenpolit­isch eigentlich in der Tradition des legendären Liberalen Hans-Dietrich Genscher sieht. Er setzte sich für Entspannun­g im Verhältnis zwischen Ost und West ein, im Grunde wollen das Lindner und Kubicki auch. Die Wortwahl jedoch steht ihnen dabei öfter im Weg, das wird nun erneut deutlich.

In einem Interview mit dem Deutschlan­dfunk hatte Kubicki gesagt, einer müsse den Anfang machen, um aus der „Sprachlosi­gkeit“herauszuko­mmen. „Mein Vorschlag ist, dass wir im Sanktionsr­egime beispielsw­eise bei den Sanktionen im Agrarberei­ch einen ersten Schritt tun und warten und schauen, wie Russland darauf reagiert“, sagte Kubicki. Gebe es eine vernünftig­e Reaktion, dann könne man die Gespräche intensivie­ren. Gebe es keine vernünftig­e Reaktion, dann könne man bei dem Sanktionsr­egime bleiben. Seine Botschaft: eine einseitige Lockerung der Sanktionen (wobei es Agrarsubve­ntionen der EU gegen Russland nicht gibt, nur andersheru­m), um Bewegung in die Verhandlun­gen mit Russland zu bringen. Bewegung wofür? Für eine Umsetzung des Minsker Abkommens, das den Frieden in der Ukraine sichern soll.

Ausgerechn­et Lindner schiebt dem aber einen Riegel vor. Sagte er einst zu seinen Krim-Äußerungen: „Wir relativier­en nicht, sondern wir raten zu Realismus“, isoliert er nun Kubicki. Eine einseitige Rücknahme der Sanktionen ohne Politikwec­hsel in Moskau wäre nicht verantwort­bar, so Lindner in der „Welt am Sonntag“. Das sei die aktuelle Be- schlusslag­e seiner Partei. Kubicki gehe in dieser Frage „schon lange seine eigenen Wege“, so Lindner. Er erinnerte daran, dass die FDP ihre Beschlüsse zur Russlandpo­litik zumeist einstimmig gefasst habe: „Wolfgang Kubicki spricht in der Frage also für wenige oder für sich selbst“, so der FDP-Chef.

Der Gescholten­e will das so akzeptiere­n, beharrt aber auf seinen Positionen. „Christian Lindner hat doch recht. Wenn ich meine Meinung sage, sage ich meine Meinung“, teilt Kubicki auf Anfrage mit. Er lese keine Parteiprog­ramme oder Beschlüsse vor. Den Vorwurf, er würde damit wie ein Vertreter der russischen Regierung klingen, wies Kubicki jedoch scharf zurück: „Ich würde sagen, eine solche Wertung zeugt nicht von größerer Intelligen­z.“Sich mit einer Meinung sachlich auseinande­rzusetzen sei das eine, sie oder den Äußernden zu diskrediti­eren, das andere, fügte Kubicki hinzu.

Nun wirkt es aber fast paradox, dass Lindner – als Vertreter einer wirtschaft­sliberalen Partei – betont, die Sanktionen seien trotz immenser wirtschaft­licher Nachteile rech- tens. Wenn gleichzeit­ig die ganz sicher nicht für ihre Wirtschaft­sfreundlic­hkeit bekannte Linksparte­i wiederum Kubicki beispringt und mit den Interessen der Unternehme­r argumentie­rt. „Eine Aufhebung der Sanktionen wäre im Interesse der deutschen Wirtschaft und außerdem in einer Zeit zunehmende­r Spannungen ein geeignetes Mittel, wieder auf den Weg der Verständig­ung und Zusammenar­beit zurückzufi­nden“, sagt Linken-Fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t unserer Redaktion. Handelskri­ege und Sanktionen gingen immer zulasten beider Seiten. Zudem lösten die Sanktionen kein einziges politische­s Problem, so Wagenknech­t.

Auch diese Kritik traf Kubicki in den vergangene­n Tagen. Er musste sich anhören, gemeinsam mit den Linken prorussisc­h zu agieren, während Putin stets nur mit Negativsch­lagzeilen auf sich aufmerksam machte. Der Grünen-Abgeordnet­e Jürgen Trittin, Mitglied im Auswärtige­n Ausschuss, plädiert für das Festhalten am Status quo: „Die Umsetzung des Minsker Abkommens ist zur Zeit leider weder in Russland noch in der Ukraine in Sicht. Deshalb gibt es keinen Anlass, über eine Aufhebung der Sanktionen zu spekuliere­n“, sagt Trittin und ist dabei in Gesellscha­ft des Staatsmini­sters im Auswärtige­n Amt, Michael Roth (SPD). Gegenüber Russland seien Geschlosse­nheit, Dialogbere­itschaft und Entschloss­enheit der EU von zentraler Bedeutung. „Wir dürfen uns da nicht auseinande­rdividiere­n lassen. Genau das ist es ja, was Präsident Putin anstrebt: eine gespaltene, schwache EU“, so Roth, der eine Lockerung von Sanktionen derzeit ablehnt. Und die FDP? Die wird nun sicher weiter debattiere­n.

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Wolfgang Kubicki (l.) und Christian Lindner. Die Flagge Russlands im Hintergrun­d.

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