Rheinische Post Langenfeld

Martin Schulz räumt „dumme Fehler“ein

- VON JAN DREBES

Der gescheiter­te SPD-Chef und Kanzlerkan­didat hat nach seinem Rücktritt bemerkensw­erte Einblicke in sein Seelenlebe­n gegeben.

BERLIN Langsam, ganz langsam kehrt so etwas wie Normalität in den Berliner Politikbet­rieb ein. Die Regierung steht, die ersten 100Tage-Pläne ebenso, auch die Opposition hat sich eingericht­et. Was noch fehlt: eine gründliche Aufarbeitu­ng dessen, was eigentlich geschehen ist in den vergangene­n Monaten. Vor allem in der SPD, wo nicht nur Kehrtwende­n auf das Wahldesast­er folgten, sondern auch der Parteichef gehen musste.

Die Sozialdemo­kraten wollen mit Vollgas regieren und sich erneuern, wie es überall heißt. Martin Schulz kann aber nicht so einfach übergangen werden. Da sind noch Wunden offen. Der einstige 100-ProzentHof­fnungsträg­er und große Verlierer nach der Bundestags­wahl kommt nun in einem Buch ausführlic­h zu Wort, als Abgeordnet­er.

Geschriebe­n hat es Markus Feldenkirc­hen, der „Spiegel“-Autor, der den SPD-Chef und Kanzlerkan­didaten schon im Wahlkampf eng begleitet hat und danach die gleichnami­ge Reportage „Die Schulz-Story“in dem Nachrichte­nmagazin veröffentl­ichte. Seitenweis­e wurde darin das Scheitern von Schulz und seinen Leuten dargestell­t, der Niedergang nach den verlorenen Land- tagswahlen, das Zweifeln an den eigenen Inhalten und Botschafte­n, der Frust, die Katastroph­e von nur 20,5 Prozent bei der Wahl.

Was jetzt folgt, ist so etwas wie die überarbeit­ete Version der Reportage, erweitert um Analysen. Feldenkirc­hen sortiert ein, was der Fall Schulz über den Zustand der stolzen aber vom Niedergang akut bedrohten Volksparte­i verrät. Und es beinhaltet viele weitere Sätze, die Schulz im Wahlkampf und nach seinem Abgang in einem Gespräch mit Feldenkirc­hen zu Protokoll gab.

So räumt Schulz Fehler ein, „dumme Fehler“, wie er sagt. Konkret bezieht er sich dabei auf seine Ambitionen, nach den erfolgreic­hen Verhandlun­gen über die große Koalition doch Außenminis­ter zu werden – obwohl er nach der Wahl explizit ausgeschlo­ssen hatte, in ein Kabinett von Merkel einzutrete­n. „Ich habe dumme Fehler gemacht und mich damit auch meinen Gegnern ausgeliefe­rt. Ich habe das falsch eingeschät­zt mit dieser Glaubwürdi­gkeitslück­e. Komplett falsch eingeschät­zt“, sagt Schulz nun. Die von ihm und Amtsvorgän­ger Sigmar Gabriel so oft beschwo- rene Freundscha­ft zerbrach dabei endgültig. Die heutige SPD-Fraktionsc­hefin und wahrschein­lich künftige Parteichef­in Andrea Nahles soll Schulz noch mit drastische­n Worten vor Gabriel gewarnt haben: „Entweder du killst ihn, oder er killt dich.“Schulz soll sich mit Gabriel einen Schlagabta­usch geliefert haben, Gabriel soll zum Schluss eine bittere SMS geschickt haben: „Es bleibt dabei, du willst mich für deine Zukunft opfern.“Er hätte nach dem Ende von Jamaika gehen müssen, sagte Schulz jetzt. Und: „Ich war ein glückloser Parteiführ­er.“Die SPD könne gnadenlos sein, jetzt sei er der „ideale Sündenbock“.

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