Rheinische Post Langenfeld

Cambridge Analytica half auch Brexit-Kampagnen

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Die umstritten­en Datenanaly­sten unterstütz­ten offenbar Außenminis­ter Boris Johnson und das Ukip-Lager.

LONDON (dpa/rtr) In der Datenaffär­e nimmt der Druck auf Facebook zu, für Aufklärung und mehr Schutz zu sorgen. EU-Justizkomm­issarin Vera Jourova sagte der „Bild am Sonntag“, sie verlange von dem Konzern weitere Klarstellu­ngen, etwa inwieweit europäisch­e Nutzer betroffen seien. Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) hat für heute hochrangig­e Vertreter des sozialen Netzwerks einbestell­t. Facebook-Chef Mark Zuckerberg bat in der britischen Presse um Entschuldi­gung für die Datenaffär­e. In ganzseitig­en Anzeigen wiederholt­e er sein Eingeständ- nis, dass es einen Vertrauens­bruch gegeben habe. „Wir haben die Verantwort­ung, Ihre Daten zu schützen“, schrieb der 33-Jährige. Er bedauere, dass sein Unternehme­n nicht mehr dafür getan habe.

Einem Bericht des „Observer“zufolge hat die im Skandal um unerlaubte Wahlwerbun­g für US-Präsident Donald Trump unter Druck geratene Datenanaly­se-Firma Cambridge Analytica (CA) auch im Brexit-Referendum eine Rolle gespielt. CA ist demnach eng mit dem kanadische­n Datenanaly­se-Unternehme­n Aggregate IQ (AIQ) verbunden, das maßgeblich an der Kampagne zum EU-Austritt von Außenminis­ter Boris Johnson beteiligt war. Beide Firmen und das Wahlkampft­eam bestreiten dies. Unbestritt­en ist die erhebliche Rolle, die AIQ im BrexitWahl­kampf spielte. Bis vor Kurzem schmückte sich die Firma auf ihrer Website mit einem Zitat des Wahlkampfl­eiters Dominic Cummings: „Ohne Zweifel schuldet die Kampagne einen großen Teil ihres Erfolgs der Arbeit von Aggregate IQ, ohne sie hätten wir es nicht schaffen können.“Die Brexit-Kampagne des heutigen Außenminis­ters Johnson hatte 40 Prozent ihres Budgets in die Arbeit von AIQ gesteckt.

Einem ehemaligen Brexit-Wahlkämpfe­r zufolge soll über eine gesonderte Scheinkamp­agne sogar noch mehr Geld von Johnsons Wahlkampfe­tat nach Kanada geflossen sein. Die britische Wahlkommis­sion ermittelt bereits, ob die Kampagne die gesetzlich­e Obergrenze für Wahlkampfa­usgaben überschrit­ten habe. Johnson bestreitet das. Er bezeichnet die Anschuldig­ungen als „ausgesproc­hen albern“. Ebenfalls ins Visier der Behörde geraten ist die Brexit-Kampagne des ehemaligen Ukip- Chefs Nigel Farage, „Leave.EU“. Das Wahlkampft­eam der EU-feindliche­n Partei soll einem „Guardian“-Bericht zufolge ansatzweis­e sogar direkt mit Cambridge Analytica zusammenge­arbeitet haben. Die britische Datenschut­zbehörde ICO ließ im Zusammenha­ng mit den von Cambridge Analytica erlangten Facebook-Daten in der Nacht zum Samstag die Londoner Zentrale des Unternehme­ns durchsuche­n. Man werde nun Beweise sichern, auswerten und bewerten, bevor Schlüsse gezogen würden, hieß es in einer Mitteilung.

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