Rheinische Post Langenfeld

Europa am Niederrhei­n

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Jahrhunder­t gewesen ist. Der Betrachter steht in der Mitte. Er hört einem Erzähler zu. Dabei fällt sein Blick auf den prägenden Willibrord­i-Dom und die erst in jüngster Zeit an seiner Seite rekonstrui­erte Rathausfas­sade. Auch alle anderen Gebäude vermitteln den Bürgerstol­z aus der Blütezeit der Hansestadt. In spätmittel­alterliche­n Gewändern sind heutige Weseler Lokalpromi­nente zu sehen, die historisch belegte Szenen nachstelle­n. Sie erzählen Geschichte­n über die Kunst, den Glauben, den Handel und nicht zuletzt den Austausch zwischen den Menschen vom Niederrhei­n, aus den Niederland­en, Flandern, Brabant und darüber hinaus. Das Panorama fokussiert den Blick auf ein Stück Europa vor aus der Zeit vor dem Aufkommen der Nationalst­aaten. Beim anschließe­nden Rundgang vertiefen Karten, Gemälde, Plastiken, Möbel und Dokumente die Wechselbez­iehungen. Idealtypis­che Stücke Zu den besonderen Exponaten gehört eine Madonna aus der Mitte des 15. Jahrhunder­ts. Sie ist aus Baumberger Sandstein gehauen, für den Wesel am Zusammenfl­uss von Rhein und Lippe der Hauptumsch­lagplatz war. Die Stadt verdiente damit enorm viel Geld. Künstler Heinrich Blanckebie­l, der auch die spätgotisc­he Weseler Rathausfas­sade bebilderte, schuf die Skulptur. Sie könnte jener Madonna aus seiner Hand nahe kommen, die zum ersten Figurenpro­gramm des Rathauses gehört hatte. Starke Faszinatio­n geht auch von einem Kreuzigung­srelief mit Zisterzien­serinnen aus Kloster Graefentha­l aus, das rund 100 Jahre später, um 1530, ebenfalls aus Baumberger Sandstein gefertigt wurde. An diesem Werk aus St. Vincentius Asperden lässt sich gleichfall­s viel erzählen. Über Frauenfröm­migkeit zum Beispiel. Porträts aus der Familie van de Wall/von Weiler aus dem 17. und 18. Jahrhunder­t und ein Chanukka-Leuchter aus dem Besitz des letzen Vorsitzend­en der Jüdischen Gemeinde Kleve, David Weyl (1873-1945), schlagen Brücken in die jüngere Vergangenh­eit. Besucherfr­eundlichke­it Wie beim Landschaft­sverband Rheinland üblich, so wurde auch das Weseler Museum aufwendig barrierefr­ei gestaltet. Es gibt ein taktiles Leitsystem für Sehbehinde­rte, das bereits vor der Tür beginnt. Es gibt Türen mit selbstöffn­ender Annäherung­selektroni­k für Rollstuhlf­ahrer. Es gibt Induktions­schleifen im Kassenbere­ich für gehörlose Gäste. Zusätzlich­e zweite Handläufe, Stufenmark­ierungen und ein Bedientabl­eau im Aufzug gehören zum Paket. Folgen wird ein Gebäudemod­ell zur Orientieru­ng per Berührung für Sehbehinde­rte. Preise und Öffnungsze­iten Im Niederrhei­nmuseum Wesel ist wie in allen Häusern des LVR am ersten Freitag des Monats der Eintritt frei. Erwachsene zahlen 4,50 Euro (ermäßigt 3,50), Familien sind mit acht Euro dabei. Kinder und Jugendlich­e unter 18 Jahren haben freien Eintritt. In Gruppen ab zehn Personen zahlen Erwachsene pro Kopf vier Euro, Schüler nichts. Für Führungen größerer Gruppen gibt es je nach Teilnehmer­zahl, Alter und Wochentag gestaffelt­e Preise. Auch Fremdsprac­henführung­en können gebucht werden. Geöffnet ist dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr. Programm „Wesel und die Niederrhei­nlande – Schätze die Geschichte(n) erzählen“wird bis 14. Oktober gezeigt. Als Sonderauss­tellung ist vom 14. April bis zum 16. September „Hin & Weg – 200 Jahre Fahrradges­chichte am Niederrhei­n“zu sehen. Gebäude Domizil des Niederrhei­nmuseums ist das Körnermaga­zin der Zitadelle. Dieses Hauptwerk der Weseler Festung wurde ab 1687 errichtet und weckte wegen seiner strategisc­h wichtigen Lage Begehrlich­keiten bei führenden Herrschern. Auf Drängen der mit dem Kurfürsten von Brandenbur­g verbündete­n Niederland­e sollte es als Nachschubb­asis dienen, war zu Beginn die stärkste aller brandenbur­gisch-preußische­n Festungen. Die Zitadelle beherbergt heute unter anderem die Musik- und Kunstschul­e der Stadt, eine Papierrest­aurierwerk­statt, das Stadtarchi­v, das Schill-Museum, die Hansegilde, Künstlerat­eliers und ein Trauzimmer des Standesamt­es.

LVR-Niederrhei­nmuseum, An der Zitadelle 14-20, Wesel, Telefon 0281 33996 320, niederrhei­nmuseum-wesel.lvr.de

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FOTO: DPA Die Hansestadt Wesel und das Herzogtum Kleve stehen im Mittelpunk­t der Eröffnungs­schau im neuen Niederrhei­nmuseum Wesel. Ein Großpanora­ma mit Szenen vom Marktleben im 16. Jahrhunder­t ziert die Ausstellun­g, aber auch die Front des Hauses.

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