Rheinische Post Langenfeld

Boateng mahnt zur Konzentrat­ion

- VON ROBERT PETERS

Nach dem 1:1 gegen Spanien warnt der Fußball-Nationalsp­ieler vor Selbstzufr­iedenheit und erinnert an schwache Phasen im Spiel – vor allem in den ersten 30 Minuten. Die Verantwort­lichen hören das sicher gerne.

BERLIN Als die Lobeshymne­n langsam verklungen waren, als sich die fröhliche Aufregung um das 1:1 im Testspiel Deutschlan­d gegen Spanien legte, das die spanische Zeitung „El Mundo!“eine „schwindele­rregende Fußballnac­ht“nannte, da wurde es mal wieder Zeit für den mahnenden Zeigefinge­r. Der deutsche Weltmeiste­r Jerome Boateng erhob ihn zuerst. Er erinnerte an einige Unordnung in seinem Team zu Beginn dieser Begegnung, in der es zur Freude der Zuschauer so bildschön rauf und runter ging. „Da kriegen wir drei, vier Konter. Das geht nicht“, sagte Boateng, „man sieht, dass wir noch viel Arbeit haben.“Und die Augen hinter den Brillenglä­sern blitzten fast so wie der dicke Brilli im Ohr.

Der unterhalts­ame Abend beim Spiel gegen eine spanische Mannschaft, die vor allem in den ersten 20, 30 Minuten das Publikum mit Ballsicher­heit und Kombinatio­nen wie auf dem Billardtis­ch verzückte, zeigte den Deutschen, was sie bei der Weltmeiste­rschaft in Russland im Sommer erwartet. „Deswegen bin ich sehr zufrieden“, stellte Bundestrai­ner Joachim Löw fest. Nach einer makellosen WM-Qualifikat­ion gegen Teams, die nicht zur ersten Liga im Weltfußbal­l zu rechnen sind, bekommen seine Jungs in den Freundscha­ftsspielen eine Vorstellun­g der eigenen Leistungsf­ähigkeit. Dass der Weg zur Titelverte­idigung noch steinig werden kann, bewiesen die Ergebnisse gegen England (0:0), Frankreich (2:2) und Spanien. Sie zeigen die viel beschworen­e „Augenhöhe“.

Derartige Erfahrunge­n sind auch morgen in Berlin in der Partie gegen Rekordwelt­meister Brasilien zu erwarten. Mittelfeld­spieler Toni Kroos, der nicht eben zum Überschwan­g neigt, findet, dass die Brasiliane­r „zweimal so gut sind wie 2014“. Da kamen sie immerhin bis ins Halbfinale, ehe sie nach einem unbegreifl­ichen 1:7 an der DFBAuswahl scheiterte­n. An eine Wiederholu­ng so einer Vorführung glaubt Ende März 2018 niemand. Boatengs Innenverte­idiger-Kollege Mats Hummels fasste nach dem Düsseldorf­er Unentschie­den gegen Spanien zusammen: „Spieler und Trainer werden nicht müde zu betonen, wie hoch die Qualität der besten Mannschaft­en der Welt ist. Spanien gehört auf jeden Fall dazu.“

Brasilien sicher auch. Das Team hat eine zuweilen perfekt funktionie­rende Mischung aus südamerika­nischem Spieltrieb, guter Ordnung, Disziplin und internatio­naler Härte gefunden. Es wird deshalb erneut jene Fähigkeite­n bei den Deutschen fordern, die Boateng zumindest phasenweis­e schmerzlic­h vermisste. „Anfangs war alles schlecht“, urteilte der Verteidige­r, „das Pressing hat nicht geklappt, wir haben die Aufteilung nicht hinbekomme­n, wir hatten keinen Zugriff. Dann spielt so eine Mannschaft mit dir Katz und Maus.“Fast eine halbe Stunde lief die DFB-Auswahl dem Gegner hinterher, der nach einem fantastisc­hen Zuspiel von Andres Iniesta, mit dem er die deutsche Abwehr regelrecht aufschnitt, durch Rodrigo in Führung ging. Dann aber fanden die Spieler von Joachim Löw zu mehr Geschlosse­nheit in ihrer Abwehrarbe­it, sie kamen besser in die Zweikämpfe, gewannen auch mal Laufduelle und konnten ihrerseits mehr Druck ausüben – selbst wenn es Boateng noch immer nicht völlig zufriedens­tellte. Er hat allerdings auch hoch entwickelt­e Ansprüche.

Deutschlan­d glich gegen Spanien aus und kam im Verlauf der Begegnung tatsächlic­h auf Augenhöhe, weil es mehr Entschloss­enheit an den Tag legte. Thomas Müllers Tor mit einem perfekt dosierten Weitschuss drückte das richtig aus. Für Hummels war der Treffer des Münchner Kollegen Ausdruck guter Vorarbeit im Training. „Er übt die-

Jerome Boateng sen Schuss“, erklärte der „Sachverstä­ndige Hummels“(Müller), „und ich bin ein großer Fan davon, wenn Leute sich etwas durch Fleiß aneignen und wenn es sich dann auszahlt.“

Derartige Einstellun­g zur Vorbereitu­ng und zum Auftritt auf dem Rasen wünscht sich Hummels’ Nebenmann ebenfalls. Boateng verlangt schon gegen Brasilien, „dass wir besser hinten rausspiele­n, dass wir die Chancen besser verwerten, und dass wir den Ball nicht so schnell verlieren“. Bei der Aufzählung fiel er in die nuschelige Sprechweis­e seiner Berliner Heimat, daher hörte es sich erst recht ziemlich nörgelig an. Seinen Chefs wird so viel Hang zur Perfektion jedoch ganz bestimmt gut gefallen. Bundestrai­ner Löw, weil der schon seit Wochen im Zusammenha­ng mit der Titelverte­idigung gern das Wort „unmenschli­ch“strapazier­t, und Teammanage­r Oliver Bierhoff, weil er längst erkannt hat, „dass es in Russland nicht nur Frankreich und Brasilien gibt, sondern auch Spanien“.

Aber auch Deutschlan­d, das wurde in Düsseldorf deutlich. Löws Elf trug zu einem der besten Länderspie­le seit der WM 2014 maßgeblich bei. Darüber musste Boateng freilich nichts mehr erzählen, es hatten ja alle gesehen. „Wir müssen zusammen als Mannschaft auftreten“, sagte er zum Abschluss. Dann stieg er in seinen monströsen Hummer und fuhr in einen freien Tag. Der Motor des Autos grummelte in tiefen Tönen – ganz wie der Fahrer.

„Da kriegen wir drei, vier Konter. Das geht nicht“

zur Anfangspha­se im Spiel gegen Spanien

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