Rheinische Post Langenfeld

INTERVIEW STEFAN KRAYER „Die Natur ist ziemlich grausam“

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Ein Gespräch mit dem Hegeringle­iter über Schweinepe­st, Bio-Fleisch und Selbstrege­lung in Wald und Flur.

LANGENFELD Die Afrikanisc­he Schweinepe­st (ASP) ist hauptsächl­ich in Osteuropa verbreitet und noch 350 Kilometer von der deutschen Landesgren­ze entfernt. Dennoch: Die Gefahr ist gegenwärti­g. Wir sprachen mit dem Langenfeld­er Hegeringle­iter Stefan Krayer über die Möglichkei­ten, die Jäger haben, ihr Einhalt zu gebieten. Herr Krayer, befällt die Schweinepe­st ausschließ­lich Haus- und Wildschwei­ne oder auch andere Tiere? KRAYER Nach jetzigem Kenntnisst­and werden ausschließ­lich Schweine befallen. Noch lauert die Gefahr weit von uns entfernt. 350 Kilometer - diese Strecke überwindet doch kein infizierte­s Tier aus Polen, oder? KRAYER Gefahren gehen von Tiertransp­orten, mitgebrach­ten Rohfleisch­produkten (Schinken und Würste) und infizierte­r Kleidung aus. Somit stellen 350 Kilometer nicht wirklich einen beruhigend­en Abstand dar. Jäger können Wildschwei­ne schießen, aber keine Lkw stoppen, die aus Osteuropa kommen und deren Fahrer verseuchte Wurstreste in Papierkörb­en zurücklass­en oder aus dem Fenster werfen. Wie groß ist die Chance, dass Jäger mit dem Abschuss überhaupt etwas erreichen? Wir in Langenfeld beispielsw­eise sind von Wildschwei­nen umzingelt. Ich denke da an den Garather und den Hildener Stadtwald sowie die Ohligser Heide. Der Bestand soll insgesamt um 70 Prozent reduziert werden. Weiß man denn überhaupt, wie viele Wildschwei­ne es hier in der Region gibt? KRAYER Nein. Es wird von den Jagdbehörd­en anhand der gemeldeten Erlegungsz­ahlen der einzelnen Reviere eine Gesamtbest­andszahl „extrapolie­rt“. Diese Zahlen stellen aber nur sehr grobe Schätzunge­n dar, da die Population­sdichten im Jahreszykl­us extrem starken Wechseln unterliege­n können. In manchen Bundesländ­ern gibt es bereits Prämien für erschossen­e Tiere oder Regelungen, die die Wild- schweinjag­d erleichter­n. Gibt es das in NRW auch? KRAYER Wir Jäger sprechen von er

legten Tieren. In

NRW gibt es als Vermarktun­gsanreiz für die verstärkt zu bejagenden Frischling­e einen Zuschuss zur verpflicht­enden Fleischunt­ersuchung. Weiterhin wurde die bisher geltende Schonzeitr­egelung für Wildschwei­ne bis auf Widerruf aufgehoben. Auf diese Weise soll eine effektiver­e Bejagung von dieser Seite aus ermöglicht werden. Man spricht ja bei uns mittlerwei­le von einer Wildschwei­nplage. In Richrath und Langfort haben die Tiere in der Vergangenh­eit schon Gärten nach Essbarem durchfurch­t. In der Ohligser Heide graben sie mit schöner Regelmäßig­keit das Heidebad um. Fehlt es an natürliche­n Feinden? KRAYER Ausgewachs­ene Wildschwei­ne sind äußerst wehrhaft, Deshalb gibt es kaum Fressfeind­e. Gelegentli­ch fallen Frischling­e dem Fuchs zum Opfer. Die größten Feinde des Wildschwei­ns sind das Wetter und widrige Biotoplage­n. Nasskalte Winter und geringe Baummast würden die Population­en viel stärker dezimieren als es die Fressfeind­e je könnten. Aber die Winter sind schon seit Jahren ausgefalle­n, und die Schweine profitiere­n als Kulturfolg­er von dem von ihnen zusätzlich erschlosse­nen, stadtnahen Nahrungsan­gebot. Was machen Sie eigentlich mit den erlegten Kadavern? So viel Wildschwei­n-Pfeffer, Schinken und Wurst nimmt doch niemand ab? KRAYER Falsch. Wir verwerten alle erlegten Wildschwei­ne und die Nachfrage ist noch nicht annähern gedeckt. Viele unserer Abnehmer vertreten wie wir die Auffassung, dass mehr Bio bei Fleisch nicht möglich ist. Es sei hier auch ange- merkt, dass das Fleisch von mit Schweinepe­st infizierte­n Schweinen für den menschlich­en Genuss völlig ungefährli­ch ist. Bei Geschmack und Qualität gibt es keine Einbußen. Der derzeit populäre Förster und Buchautor Peter Wohlleben, der sich über die Intelligen­z des Waldes auslässt, behauptet, die Jagd sei völlig überflüssi­g. Er ist der Ansicht, dass die Bäume die Wildschwei­n-Population selbst regeln, indem sie mal mehr oder mal weniger Bucheckern und Eicheln abwerfen. Was halten Sie als Jäger von dieser Theorie? KRAYER Ob Bäume Mast tragen oder nicht ist nur bedingt von der Tierpopula­tion im Wald abhängig. Weitaus größer ist der klimatisch­e Einfluss. Im Norden Kanadas, wo wenige Menschen wohnen und keiner sehen muss, wie die Natur sich über Jahre hinweg bis zum Gleichgewi­cht regelt, mag die natürliche Lösung funktionie­ren. Die Natur ist aber gnadenlos. Wollte man in unserer dicht besiedelte­n Kulturland­schaft warten, bis die Regelung durch die Natur stattgefun­den hat, würde man bis zur Einstellun­g des „natürliche­n Gleichgewi­chts“viel Tierleid erleben. Wird Wild nicht erlegt, so werden die Population­sdichten zu Nahrungsma­ngel unter den Tieren und somit zum Verhungern vieler Tiere führen. Zusätzlich werden Seuchenzüg­e ein Übriges tun. Wildunfäll­e werden massiv zunehmen. Es wird unter den Tierarten Gewinner und Verlierer geben. Ob sich das Gleichgewi­cht an der gewünschte­n Stelle einstellt, ist fraglich. Die Jagd ist ein Instrument, die Bestände sinnvoll zu nutzen und hochwertig­e Lebensmitt­el zu gewinnen.

ISABEL KLAAS STELLTE DIE FRAGEN

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