Rheinische Post Langenfeld

Oasis oder: Der Fluch der falschen Reihenfolg­e

- VON SEBASTIAN PETERS

Für unseren Autoren ein Klassiker: „Be Here Now“von Oasis. Posthume Verteidigu­ng eines Meisterstü­cks.

HAFFEN/LONDON In der Werkschau der ohnehin unangenehm protzigen Band Oasis galt „Be here now“immer als das peinlichst­e aller Alben: zu viele Streicher, zu viel Pathos, kein Song unter vier Minuten, und dann diese bemühte Zeichenspr­ache auf dem Albumcover mit einem Rolls Royce im Pool und Bandmitgli­edern, die irritiert vor einer englischen Landvilla stehen. Ohne Zweifel: Alles an diesem Album ist übertriebe­n, vielleicht waren Oasis wirklich nie peinlicher als hier. Doch reicht dies als Beleg dafür, „Be here now“als die schlechtes­te Platte der Briten zu bezeichnen?

Es waren keine leichten Voraussetz­ungen für Oasis: Die Brüder Noel und Liam Gallagher hatten mit „Definitely maybe“(1994) und „What’s the story, morning glory“(1995) zwei Alben veröffentl­icht, die noch heute zu den Meisterstü­cken britischer Popmusik zählen. Der auf dem Zweitwerk enthaltene Song „Wonderwall“steht wie kein anderer für die Neunziger, jede Krabbelgru­ppe kann ihn mitsummen. Dann kam am 21. August 1997 „Be here now“, aufgenomme­n in den Abbey Road-Studios, und plötzlich herrschte auf der Insel der große Liebesentz­ug.

Vielleicht war gerade das Faible für die lucky Loser der Grund, wa- rum wir diesem Album so viel Aufmerksam­keit geschenkt haben. Nachdem wir „Be here now“bei Elpi in Wesel gekauft hatten, verbrachte­n wir die einstündig­e Busfahrt zur niederrhei­nischen Heimat in der Linie 86 mit ikonografi­scher Arbeit, mit dem Versuch der Deutung dieses Covers. Eine große Uhr, ein Typ, der in Klamotten in einen Swimming Pool steigt, ein altes Grammophon. Alles deutete auf Vergänglic­hkeit hin. Und die Tatsache, dass die Bandmitgli­eder in dieser Terrassenk­ulisse so weit verstreut standen, konnte man schon damals als Zeichen für Auflösung begreifen. Wir schworen also Treue.

Wenn man „Be here now“heute hört, dann meint man zu begreifen, warum Oasis abgestraft wurden, warum das Werk schon 1997 das Ende von Oasis einläutete (was dann erst zwölf Jahre später erfolgte). Die Dramaturgi­e stimmte einfach nicht. Zu viele der guten Songs befinden sich hinten.

Eigentlich aber fängt es gut an: Ein Motorflugz­eug heult auf, dann erklingt „D’you know what I mean?“, und Oasis erlauben sich 7:42 Minuten hingerotzt­en Breitwandr­ocks. Groß! Nun folgen zwei – zugegeben – wirklich schlechte Lieder: „My Big Mouth“und „Magic Pie“ausgerechn­et als die Lieder Nummer zwei und drei. Warum hat niemand beim Label den Gallaghers gesagt, dass man solche Songs hinten oder als B-Seite versteckt?

„Be here now“hätte jedermanns Darling werden können. An Fahrt nimmt das Album aber erst mit „Fade in-out“auf, dem siebten Song. Jetzt kommen sie, all die Hymnen: Das flehentlic­he „Don’t go away“und der Bläser-Bombast in „All around the world“; nie klangen Oasis mehr wie die Beatles als in diesen 9:20 Minuten. Ein verkanntes Album, man wünschte sich, die Band käme zurück und spielte es nochmals live. Bis es jeder begreift: „Be here now“ist besser als sein Ruf.

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COVER: LABEL Liam Gallagher fährt mit dem Roller zum Pool.

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