Rheinische Post Langenfeld

Auf Prof. Boernes Spuren

- VON KRISTIN KRUTHAUP

Kein anderer „Tatort“ist bei den Zuschauern so beliebt wie die Folgen mit Prof. Boerne und Kommissar Thiel

aus Münster. Wer die Stadt in Westfalen besucht, kann Touren zu den Drehorten machen.

Diese Krimitour ist nur etwas für hartgesott­ene „Tatort“Fans, so viel scheint gleich zu Beginn klar. Es ist Samstagmor­gen, der Wind pfeift über den Innenhof des Münsterane­r Rathauses. Eisige Kälte, grauer Himmel. Trotzdem kommen mehr als 20 Leute. Sie haben die „Tatort“-Tour bei K3 Stadtführu­ngen gebucht.

Zwei Stunden lang soll es zu den Drehorten des beliebten Sonntag-Krimis gehen – ein zweifelhaf­tes Vergnügen bei diesem Wetter. Doch auch dank eines gut gelaunten Stadtführe­rs werden alle bis zum Schluss durchhalte­n – und das liegt nicht nur an den vielen Hintergrun­dinfos zum Münsterane­r „Tatort“.

Seit mittlerwei­le 15 Jahren ermitteln Kommissar Thiel und Prof. Boerne in Münster. Mit riesigem Erfolg: Schon 14 Millionen Zuschauer sahen eine Folge – kaum ein anderes Team erreicht regelmäßig solche Traumquote­n. Auch der „Tatort“hat die Fahrrad- und Studentens­tadt im Norden Nordrhein-Westfalens für Touristen attraktiv gemacht.

Die Veranstalt­er von Stadtführu­ngen greifen den Krimi dankbar auf. Mehrere bieten inzwischen Krimitoure­n in Münster an – manche mixen auch den „Tatort“mit „Wilsberg“, dem zweiten Krimi, der in der Stadt zu Hause ist. Und das Interesse ist groß: Laut Julia Hülsmann von Stattreise­n Münster haben bereits rund 36.000 Menschen an deren „Tatort“-Tour teilgenomm­en.

Eine Kriminalto­ur trüge den Namen kaum zu Recht, wenn zu Beginn kein Rätsel stünde. Prof. Boerne sei verschwund­en, erklärt Stadtführe­r Georg Naumann von K3, nachdem er ein paar einführend­e Infos zur Stadt erzählt hat. Dazu gehören Klassiker: In Münster gibt es mit 500.000 Fahrrädern fast doppelt so viele Räder wie Einwohner. Dann teilt Naumann Zettel an alle aus – 18 Fragen sind darauf notiert. Gelingt es, sie zu beantworte­n, ist das Rätsel gelöst und Prof. Boerne gefunden, verspricht Naumann. Und so geht es dann los zu einer Schnitzelj­agd kreuz und quer durch die Stadt.

Das Gute an der „Tatort“Tour ist: Sie ist nicht nur etwas für eingefleis­chte Fans des schnöselig­en Prof. Boerne (Jan Josef Liefers), Kollegin Alberich (Christine Urspruch), Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und seinem kiffenden „Vadder“(Claus D. Clausnitze­r). Naumann schafft es, auch Teilneh- mer mit Details zur Stadtgesch­ichte zu unterhalte­n, die mit dem Krimi nicht vertraut sind. Und selbst für Münsterane­r dürfte Neues dabei sein.

Das Prinzip der Schnitzelj­agd ist immer gleich: Naumann hält ein Setbild aus einer „Tatort“-Folge hoch, in der die Charaktere und im Hintergrun­d die Stadt zu sehen sind. Letzteres kommt tatsächlic­h seltener vor als viele zunächst denken. Denn der größere Teil des Münsterane­r „Tatorts“wird in Köln in Fernsehstu­dios gedreht. So sind zum Beispiel Boernes und Thiels Wohnung nicht in Münster zu finden. Dann folgt eine Frage zum Setbild. Und die zu beantworte­n, ist oft überrasche­nd und macht ziemlich viel Spaß.

Beispiel: Auf einem Foto ist Kommissar Thiel auf dem Prinzipalm­arkt zu sehen. „Welches Tier ist unter Thiels Füßen zu finden?“lautet die dazugehöri­ge Frage auf dem Rätselzett­el. Minutenlan­g sucht die Gruppe in der Folge das Kopfsteinp­flaster ab. Und tatsächlic­h, so mancher Münsterane­r ist wohl schon Hunderte Mal mit dem Fahrrad unwissend darüber gefahren: Im Kopfsteinp­flaster steckt statt eines Steins ein kleines, bronzefarb­enes Quadrat mit einer Taube darauf, das an die Wiedertäuf­er erinnern soll. Die Wiedertäuf­er regierten Münster vom Februar 1534 bis Juni 1535 und waren eine radikale Abspaltung der Reformatio­nsbewegung – wieder eine Frage auf dem Zettel gelöst.

Wer sich von Naumann lustige Anekdoten zum Münsterane­r „Tatort“erhofft, kommt bei der Tour natürlich auch auf sei- ne Kosten. Da sind zum Beispiel auf einem Setbild neben Boerne und Thiel zwei Polizisten zu sehen – in der Folge damals noch in grüner Uniform. „Die beiden Polizisten gibt es wirklich“, erzählt Naumann. Hin und wieder habe ein Stadtführe­r Glück – und während man das Setfoto hochhält, kommen die beiden zufällig auf Streife wieder vorbei. Dann erzählten sie gerne etwas von den Dreharbeit­en. Dass der Krimi bei ihnen zu Hause ist, macht die Münsterane­r durchaus stolz.

Nach zwei Stunden Führung ist das Rätsel gelöst. Wo Prof. Boerne steckte und ob ihm etwas zugestoßen ist, wird nicht verraten. Ein Fakt der Tour bleibt hängen: Zwei Münsterane­r „Tatort“-Folgen pro Jahr machen zwei Leichen. „Das ist mehr, als es in der Realität gibt“, erzählt Naumann. 2017 war es nur ein Toter.

So geht es dann los zu einer Schnitzelj­agd kreuz und quer durch

die Stadt

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