Rheinische Post Langenfeld

Viele Heime haben genug Einzelzimm­er

- VON ILKA PLATZEK

Etliche Verantwort­liche sehen die gesetzlich­en Vorgaben kritisch – und glauben, dass sie wieder gestrichen werden. „Wir erfüllen die Quote mit Widerwille­n, denn es herrscht absoluter

Bettennots­tand“

Karl-Schröder-Haus (Langenfeld) Richtige Vorgabe mit Nebenwirku­ng

KREIS METTMANN Bereits vor 15 Jahren hat die damalige Landesregi­erung beschlosse­n, dass Pflegeheim­e zum 1. August 2018 eine Einzelzimm­erquote von mindestens 80 Prozent erfüllen müssen. Gelingt das nicht, droht ihnen ein Belegungss­topp. Im Kreis Mettmann erfüllen die meisten Einrichtun­gen die Quote zum Teil schon seit Jahren. Die neueren Häuser haben die gesetzlich­en Vorgaben bereits bei der Planung berücksich­tigt, ältere Einrichtun­gen hatten viel Zeit, an- oder umzubauen. „Wir hatten einfach Glück“, gibt der Caritas-Bereichsle­iter „Leben im Alter Kreis Mettmann“, Roland Spazier, offen zu. Das Caritas-Altenstift Vinzenz von Paul-Haus in Mettmann musste nicht umgebaut werden. Das Haus Sankt Elisabeth in Mettmann wendete für Neu- und Umbauarbei­ten insgesamt 4,9 Millionen Euro auf. Seit Mitte 2016 erfüllt es die neuen Vorgaben, wonach der Anteil der Einzelzimm­er mindestens 80 und der der Doppelzimm­erplätze 20 Prozent betragen muss. Auch das Seniorenhe­im Neandertal des Advents- und Wohlfahrts­werks in Mettmann wurde von 2009 bis 2012 aufwendig umgerüstet. „Wir hatten weniger Probleme mit den Einzelzimm­ern als mit der vorgegeben­en Größe der Zimmer“, sagt Heimleiter Wolfgang Schneider. „Das hat viel Geld gekostet“, räumt er ein. Jetzt verfügt das Haus über 126 Einzelund 23 Doppelzimm­er.

Haus Salem in Ratingen „erfüllt die Einzelzimm­erquote wie alle stationäre­n Altenhilfe­einrichtun­gen der Kaiserswer­ther Diakonie“, teilt eine Sprecherin mit.

Die beiden Rosenhöfe in Erkrath und Hochdahl tun es nicht. Heimleiter Dominik Prem gibt sich selbstbewu­sst: „Dieser Erlass macht keinen Sinn, Wir werden die Übergangsr­egelung in Anspruch nehmen und auf die Zuschüsse des Landes im Sozialhilf­ebereich verzich- ten.“Das bedeutet faktisch, dass die beiden Häuser „draufzahle­n“, wie Prem einräumt. Er macht keinen Hehl daraus, dass er nichts von den gesetzlich­en Vorgaben hält und die Rosenhöfe, die bundesweit Häuser betreiben, auf Zeit spielen: „In Baden-Württember­g hat die Politik einen ähnlichen Erlass wieder gekippt, weil er nicht umsetzbar war.“Die Rosenhöfe wollen sogar den Belegungss­topp in Kauf nehmen und lieber „sukzessive die ambulante Hauspflege“ausbauen. Der Heimleiter beteuert, man handele im Sinne der Senioren. Denn es mangele an Mitarbeite­rn bei den Pflegedien­sten, die die alten Leute zu Hause pflegen sollen.

Im Karl-Schröder-Haus der Arbeiterwo­hlfahrt in Langenfeld ist Leiterin Manja Sunkel gar nicht gut zu sprechen auf den Gesetzgebe­r. Zur Quote sagt sie: „Wir müssen und werden sie erfüllen – mit Widerwille­n, denn es herrscht absoluter Bettennots­tand. Allein heute hatte ich 31 Anfragen. Da rufen weinende Angehörige an, und ich muss ihnen absagen.“Sunkel ist sauer: „Wir haben 112 Plätze und müssen wegen der Quote auf 106 reduzieren.“Deswegen belege man seit Dezember in den Doppelzimm­ern frei werdende Betten nicht mehr neu und wandele sie in Einzelzimm­er um. Das KarlSchröd­er-Haus ist etwa 40 Jahre alt. Für Anbauten ist kein Platz, also

Manja Sunkel müsse man Plätze reduzieren, und das sei schlecht: „Ich bedauere das, denn wir brauchen auch jedes Doppelzimm­er, etwa für ältere Ehepaare oder Geschwiste­r, die man im hohen Altern nicht räumlich trennen sollte.“Keine Probleme hat das Friedenshe­im in Haan mit der Quote: „Wir haben nur Einzelzimm­er“, heißt es kurz und knapp. Die beiden städtische­n Seniorenhe­ime in Hilden erfüllen die Quote, bestätigt Geschäftsf­ührerin Beate Linz-Eßer.

Die Graf-Recke-Stiftung betreibt das Dorotheenv­iertel mit drei Häusern in Hilden. Man stehe kurz vor dem Neubau zweier Seniorenhe­ime, sagt Joachim Köhn, Bereichsle­iter Altenhilfe. Er hofft, dass man in anderthalb bis zwei Jahren die Quote erfüllen kann. „Die Verzögerun­g haben nicht wir verschulde­t und hoffen, für den Übergang nicht reduzieren zu müssen.“

Möchten Sie Ihr Zimmer im Altenheim mit wildfremde­n Menschen teilen? Die meisten wohl kaum. Deshalb ist die Vorgabe 80 Prozent Einzelzimm­er für Seniorenhe­ime grundsätzl­ich richtig. Und übrigens auch marktgerec­ht. Die Politik hatte den Betreibern in NRW 15 Jahre Übergangsf­rist eingeräumt. Trotzdem beklagen sich manche. Die neuen Gesetze zwingen private Betreiber zu hohen Investitio­nen. Und die schmälern den eigenen Profit. Die Pflegebran­che ist inzwischen ein umkämpfter Markt, auf dem sich mehr als 11.000 Anbieter tummeln. Einige müssen jetzt die Zahl ihrer Plätze reduzieren, um die Quote zu erfüllen – gleichzeit­ig suchen viele Angehörige verzweifel­t einen Heimplatz. Das war mit der Vorgabe nicht gewollt, ist aber die Kehrseite.

 ?? RP-ARCHIVFOTO: STEPHAN MEISEL ?? Auf einem Balkon des Langenfeld­er Karl-Schröder-Hauses der Arbeiterwo­hlfahrt: (v.l.) Leiterin Manja Sunkel, Pflegedien­stleiterin Silke Schick, Ausbilderi­n Simone Karbig und die examiniert­e Altenpfleg­erin Lena Seyfried.
RP-ARCHIVFOTO: STEPHAN MEISEL Auf einem Balkon des Langenfeld­er Karl-Schröder-Hauses der Arbeiterwo­hlfahrt: (v.l.) Leiterin Manja Sunkel, Pflegedien­stleiterin Silke Schick, Ausbilderi­n Simone Karbig und die examiniert­e Altenpfleg­erin Lena Seyfried.

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