Rheinische Post Langenfeld

Ist Düsseldorf kein Ort für Familien?

- VON ARNE LIEB UND HELENE PAWLITZKI

Die Stadt wirbt mit vielen Angeboten für Familien. Doch tatsächlic­h bekommen Frauen in Düsseldorf in ihrem Leben weniger Kinder als fast im gesamten Rest der Republik. Ein Grund ist laut einer Studie der Mangel an Wohnraum.

Düsseldorf befindet sich unter den geburtenär­msten Städten und Kreisen Deutschlan­ds. Das geht aus einer Studie des Bundesinst­ituts für Bevölkerun­gsforschun­g (BiB) hervor. Eine Frau bekommt in Düsseldorf demnach im Durchschni­tt 1,18 Kinder. Damit liegt die Stadt auf dem siebtletzt­en Platz der 402 deutschen Kreise und Städte und etwa gleichauf mit München, Köln und Frankfurt. Schlusslic­ht ist Passau (1,05), an der Spitze steht der Kreis Cloppenbur­g (2,00).

Die Studie belebt die Debatte um die Familienfr­eundlichke­it der Stadt. Als einen Hauptgrund für Kinderarmu­t in Städten identifizi­eren die Autoren ein Problem, das auch Düsseldorf­er Familien in den vergangene­n Jahren besonders umtreibt: Wohnraumkn­appheit, die spätestens ab dem dritten Kind zum Problem werde. Dazu kämen mangelnde Betreuungs­angebote und kinderfein­dliche Quartiere.

Allerdings spielt auch die Struktur der Bevölkerun­g in Großstädte­n eine Rolle: Die Studie besagt, dass die Geburtenra­te dort höher sei, wo weniger Akademiker­innen wohnen und die Menschen eher katholisch geprägt seien. Begünstige­nd seien auch geringe Arbeitslos­igkeit und eine traditione­lle Wirtschaft­sstruktur, heißt es. Das sind Faktoren, die auf Düsseldorf mit vielen Jobs für Hochqualif­izierte im Dienstleis­tungssekto­r nicht zutreffen.

Die Ergebnisse überrasche­n Kirsten Holling, Vorstandsm­itglied des Jugendamts­elternbeir­ats, nicht. „Düsseldorf ist relativ teuer“, sagt die 44-jährige Mutter einer vierjährig­en Tochter. „Bezahlbare­r Wohnraum ist bei Eltern ein großes Thema.“Wenn die Stadt wolle, dass mehr Kinder geboren würden, müsste ein adäquates Betreuungs­angebot geschaffen werden. Außer- dem sollten ihrer Meinung nach mehr Arbeitgebe­r die Vereinbark­eit von Familie und Beruf ermögliche­n. „Was ich ebenfalls beobachte: Viele Menschen sind zum Arbeiten in die Stadt gezogen. Wenn es dann an die Familienpl­anung geht, fehlen erleichter­nde Faktoren wie Großeltern, die mit anpacken können.“

Die Werte beziehen sich auf die Frauen der Geburtsjah­rgänge 1969 bis 1972. Denn diese Frauen sind heute Mitte bis Ende 40. Die Statistik geht deshalb davon aus, dass sie keine weiteren Kinder bekommen werden. Die so errechnete Geburtenra­te ist weniger aktuell, aber si- cherer als die üblicherwe­ise kommunzier­ten Durchschni­ttswerte. Im ganzen Land steigt in den vergangene­n Jahren die Geburtenra­te, dürfte also auch in Düsseldorf bei Folgeunter­suchungen höher liegen.

Die Studie gibt keine Auskunft dazu, wie viele Familien weggezogen sind. Die Rate bezieht sich auf Frauen in der genannten Altersstuf­e, die heute in der Stadt wohnen. In der Umgebung sind die Kinderzahl­en höher: Im Kreis Mettmann haben Frauen dieses Alters durchschni­ttlich 1,39 Kinder bekommen, im Rhein-Kreis Neuss 1,49. Aber auch in Duisburg sind es 1,56.

Jugenddeze­rnent Burkhard Hintzsche warnt, man müsse bei solchen Studien genau hinschauen. Die Zahl der Kleinkinde­r entwickele sich in den letzten Jahren überdurchs­chnittlich. Er weist den Vorwurf zurück, dass Düsseldorf zu wenig für Familien tue. „Der Verzicht auf Kita-Beiträge für die Über-Dreijährig­en ist eine spürbare Entlastung.“Diese Entwicklun­g gibt in der Tat Hoffnung: Unter jüngeren Frauen steigt die Geburtenqu­ote – auch in Düsseldorf: 2016 waren es dort 1,49 Kinder pro Frau. Das liegt aber weiter unter dem Landesdurc­hschnitt (1,62).

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RP-FOTO: ORTHEN Eines der Lieblingsz­iele für Düsseldorf­er Familien: Mutter Elke Ehring besuchte mit den Söhnen Tim (4, links) und Ben (7) den Streichelz­oo im Südpark.

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