ANALYSE Die
Landesregierung will Mädchen unter 14 verbieten, ein Kopftuch zu tragen. Belastbare Zahlen, wie häufig das Phänomen ist, gibt es nicht. Klar ist aber: Mit dem Kopftuch ist es viel komplizierter, als viele Kritiker glauben möchten.
tuch „Emanzipationszeichen“: für bewusste Religiosität, anders als bei den Eltern. Und als Statement gegen Diskriminierung in Deutschland (etwa auf dem Arbeitsmarkt) – mit der paradoxen Folge, dadurch eventuell erneut Nachteile zu erleiden. Und oft wird das Kopftuch mit modischer Kleidung kombiniert. Spielhaus: „Das Tuch gehört zu einem Lifestyle, der in Blogs, Musikvideos und künstlerischen Fotos inszeniert und gefeiert wird.“Eine bestimmte politische Gesinnung seiner Trägerin ist aus dem Kopftuch also kaum ablesbar. Die Kinder Im Islam sollen Kinder vorsichtig an die Gebräuche herangeführt werden, etwa ans Fasten. Für Eltern, die das Kopftuch für Pflicht halten, würde Ähnliches gelten; eine Kopftuchpflicht für Kinder lehnen Theologen aber fast unisono ab. Juristisch wird es spätestens hier trotzdem schwierig: Beim Kopftuchverbot geht es nicht nur um das Grundrecht des Kindes auf Unversehrtheit, sondern auch um das Grundrecht der Religionsfreiheit (das Eltern für ihre Kinder ausüben, solange die unter 14 sind) und das Recht der Eltern auf Erziehung. Unter Experten ist ein Verbot heftig umstritten. Spielhaus lehnt es ebenso ab wie ihr Osnabrücker Kollege Bülent Uçar, der liberale Münsteraner Theologe Mouhanad Khorchide befürwortet es, die liberale Seyran Ates hält es für nötig. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags kam 2017 zu dem Schluss, ein komplettes Verbot des Kopftuchs (anders als der vollen Gesichtsverschleierung) sei unzulässig. Ähnlich entschied das Verfassungsgericht 2015 in Bezug auf Lehrer. Fazit Ein Kopftuchverbot wäre eine politische Entscheidung. Ein Kopftuch zu tragen, ist, soweit wir wissen, dagegen eher selten eine politische Entscheidung, sondern eine religiöse. Kein Kopftuch zu tragen, bedeutet umgekehrt aber nicht, nicht religiös zu sein. Ein Kopftuchverbot, das Verbot eines Symbols, wäre selbst ein Symbol. Nicht weniger, nicht mehr. Klingt kompliziert? Ist es auch. Aber diese Komplexität sollten wir uns schon leisten.