Rheinische Post Langenfeld

Seehofer will einen „Qualitätss­chub“in der Terrorabwe­hr

- VON GREGOR MAYNTZ

Der neue Innenminis­ter sagt den Sicherheit­sbehörden deutlich mehr Stellen zu. Die Sorge vor Gefährdern wächst.

BERLIN 42 blaue Sessel rund um ein langgezoge­nes Tischgevie­rt. Dazwischen viele Bildschirm­e, auf die Videos, Bilder und Dokumente eingespiel­t werden. Schilder kunden von vielen versammelt­en Behördenve­rtretern: BKA, BND, BfV, LKA Sachsen, LKA NRW. So sieht es in Raum 242 am Treptower Park in Berlin aus. „GTAZ“steht an der Tür, das „Gemeinsame Terror-Abwehr-Zentrum“, das schon manchen Anschlag verhindert und „segensreic­h“gewirkt habe. So sagt es der neue Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU), der mit seinem Besuch so kurz nach der Amtsüberna­hme die besondere Bedeutung der Sicherheit­sbehörden unterstrei­chen will.

Drei Präsidente­n empfangen den Minister vor dem Haus: Holger Münch vom BKA, Hans-Georg Maaßen vom Verfassung­sschutz und Dieter Romann von der Bundespoli­zei. Dahinter eine lange Reihe weiterer Teilnehmer. Denn 40 Behörden sitzen im GTAZ täglich zusammen, tauschen Erkenntnis­se, Informatio­nen und Einschätzu­ngen aus.

Seehofer will der zentralen Behörde, dem BKA, nun zu einem „Qualitätss­chub“verhelfen, indem Münch eine eigene Abteilung für die Terrorbekä­mpfung erhält. Dann werden noch mehr Spezialist­en die derzeit rund 760 Gefährder im Auge behalten, die den Behörden Sorgen machen. Zu jedem Einzelnen geht die Terrorabwe­hr rund 70 Fragen durch, um zu klären, ob er nun in „Gelb“, „Orange“oder „Rot“eingestuft wird, wie gefährlich er also ist.

Neue Zahlen aus dem Innenminis­terium zeugen von einem verschärft­en Vorgehen gegen islamistis­che Gefährder. Die Behörden haben in den ersten drei Monaten dieses Jahres bereits 19 abgeschobe­n oder ihre Einreise verhindert; im ge- samten Jahr 2017 waren es 60. Eine Steigerung um mehr als ein Viertel.

Seehofer sichert den GTAZ-Mitarbeite­rn die volle mentale und personelle Rückendeck­ung seines Ministeriu­ms zu. Und er kündigt weitere neue Stellen bei den Sicherheit­sbehörden an. Auch wenn dies in den anstehende­n Haushaltsv­erhandlung­en für Diskussion­en sorgen werde. Von bis zu 15.000 zusätzlich­en Stellen im Sicherheit­sbereich der Bundesrepu­blik innerhalb der nächsten Jahre ist die Rede. Wer da bald Wirkung haben will, muss zügig entscheide­n: Denn bis ein Polizist, Agent oder Verfassung­s- schützer nach seiner Einstellun­g tatsächlic­h für die Terrorabwe­hr zur Verfügung steht, vergehen mindestens drei Jahre. Seehofers Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) hielt eine zusätzlich­e Zentralisi­erung für unumgängli­ch.

Seinerzeit stand Seehofer als bayerische­r Regierungs­chef auf der Bremse. Nun bleibt er dabei: Das GTAZ zeige, dass Bundes- und Länderbehö­rden optimal zusammenar­beiteten. Lediglich Ämter, die zu klein seien, um das gesamte Aufgabensp­ektrum verlässlic­h leisten zu können, bekämen „Hilfe“. Viel Zeit darf er sich auch dafür nicht lassen. Schließlic­h nimmt er aus dem GTAZ die beunruhige­nde Nachricht mit, dass ein „wirklich ernst zu nehmender Aufwuchs an Gefährdung­ssachverha­lten“zu verzeichne­n sei. Auf Deutsch: „Man muss abstrakt jederzeit mit einem Anschlag rechnen.“

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FOTO: IMAGO

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