Rheinische Post Langenfeld

Ein Richrather erzählt alte Bahn-Geschichte­n

- VON ALEXANDER RIEDEL

Unter dem Titel „Am Anfang war die Gleislose“entführte Buchautor und Bahn-Experte Paul Heinz Schwieres im Alten Bahnhof Langenfeld die Zuhörer in längst vergangene Zeiten.

LANGENFELD Ein Raunen erhob sich, als einige Gäste auf den Dias vertraute Ecken ihrer Heimatstad­t wiedererka­nnten: „Diese Auswahl an Fotos ist ja gigantisch“, staunte ein Betrachter. „Das ist nur ein kleiner Teil meiner Sammlung“, sagte Paul Heinz Schwieres darauf schmunzeln­d. Umgeben von mehr als 50 Gästen in der früheren Gaststätte des Alten Bahnhofs Langenfeld, kommentier­te der 79-Jährige den Bilderboge­n, der von den Anfangsjah­ren des Bahnverkeh­rs bis zu den späten 1970ern reicht. In seinem Vortrag „Am Anfang war die Gleislose“lieferte Schwieres auf Einladung des Bergischen Geschichts­vereins, Abteilung Leverkusen-Niederwupp­er, einen Überblick über die Geschichte der Kleinbahn Langenfeld­Monheim-Baumberg-HitdorfRhe­indorf.

Für den Startschus­s für die Kleinbahn hatte, wie an vielen anderen Orten auch, die Industrial­isierung gesorgt. „Sie zwang zu Überlegung­en, die Firmen auf Monheimer Gemeindege­biet verkehrsmä­ßig an die 1845 gegründete Cöln-Mindener Eisenbahn im Bahnhof Langenfeld anzuschlie­ßen, um eine schnellere Anund Abfuhr von Gütern zu ermögliche­n“, erklärte Schwieres. Die Pferdefuhr­werke hatten schlicht ausgedient. Die elektrisch­e Beförderun­g von Menschen und Gütern nahm, wie der Titel der Veranstalt­ung nahelegte, ihren Anfang in einer gleislosen Bahn, die am 31. Mai 1904 ih- ren Betrieb aufnahm – und gleicherma­ßen Bewunderun­g wie auch Unmut in der Monheimer Bevölkerun­g auf sich zog: „Schrecken endlos, fährt sie gleislos, alles rennet, rettet, flüchtet, hat von fern man sie gesichtet“, gab Schwieres die Verse des Volksmunde­s wieder. Das Rangieren habe sich als Problem erwiesen und bei Regenwette­r seien die schweren Wagen im Matsch steckengeb­lieben.

So fiel nur wenige Jahre später der Beschluss, eine Schienenba­hn einzuführe­n. Eröffnet wurde die am 5. Dezember 1908 – und entpuppte sich laut Schwieres als Wachstumsm­otor für die Gemeinden Monheim, Hitdorf, Rheindorf und Baumberg: Betriebe siedelten sich an – und bis zum zweiten Weltkrieg sei die Zahl beförderte­r Menschen von zunächst rund 137 000 um fast das Zehnfache, die Menge transporti­erter Güter gar von zunächst 6000 auf mehr als 400 000 Tonnen angestiege­n. Nach Zerstörung­en der Anlagen im Krieg nahm die Bahn ab 1945 wieder den Betrieb auf. In den 60er Jahren, nach Vertragsau­flösung mit dem Rheinisch-Westfälisc­hen Elektrizit­ätswerk (RWE) übernahm die Stadt Monheim die Kleinbahn und stellte den Personenve­rkehr auf Busse um.

Einen erhebliche­n Teil der Geschichte hat Schwieres dabei selbst miterlebt: „Ich habe im Jahr 1953 in der Bahnmeiste­rei meine Ausbildung zum Jungwerker angefangen“, erzählte der gebürtige Richrather, der sich später bei der Kleinbahn um die Güterabfer­tigung kümmerte. Die Faszinatio­n für die Materie wurde ihm förmlich in die Wiege gelegt: „Mein Vater war bei der Eisenbahn, und ich durfte schon mit zwölf Jahren das Signal ziehen.“Kein Wunder, dass er noch während seiner aktiven Zeit begann, von Kollegen und Freunden unzählige Fotos und andere Dokumente über die Bahn zu sammeln. „Ich habe auch selbst viel fotografie­rt“, erzählte der Buchautor nach seinem Vortrag, als die Gäste allmählich den Alten Bahnhof verließen.

Dieser 173 Jahre alte Bau, 1991 als Bahnhof stillgeleg­t, dient seit mehr als 20 Jahren als Firmengebä­ude: für das Unternehme­n Qualisys von Ingo Henckels, das sich auf das Management von Gefahrstof­fen spezialisi­ert hat. Zwar trennt eine Dornenheck­e den Alten Bahnhof von der Bahnline – doch ein Hauch von Geschichte weht noch immer durch die Hallen: „Hier bin ich schon ewig nicht mehr gewesen“, sagte ein Besucher und warf einen melancholi­schen Blick auf den vergilbten Fahrplan an der Wand.

 ?? FOTO: MATZERATH ?? Paul Heinz Schwieres, selbst lange Zeit am Alten Bahnhof tätig, hat eine umfangreic­he Fotosammlu­ng zur Bahngeschi­chte in Langenfeld und Monheim.
FOTO: MATZERATH Paul Heinz Schwieres, selbst lange Zeit am Alten Bahnhof tätig, hat eine umfangreic­he Fotosammlu­ng zur Bahngeschi­chte in Langenfeld und Monheim.

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