Rheinische Post Langenfeld

Unternehme­r buhlen um Studienabb­recher

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BERLIN (dpa) Sekretaria­te bleiben unbesetzt, Erzieher fehlen, und Unternehme­n suchen nicht nur Personal, sondern auch Personaler: Der Fachkräfte­mangel könnte sich nach Analyse der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) weiter verschärfe­n. Fehlten heute in Berlin 120.000 Fachkräfte, könnten es in zwölf Jahren mit 235.000 fast doppelt so viele sein. Auffälligs­ter Befund: Vor allem an Leuten mit Berufsausb­ildung mangelt es, weniger an Akademiker­n, heißt es von der IHK.

„Es ist absolut kontraprod­uktiv, Jugendlich­en zu suggeriere­n, ein Studium sei grundsätzl­ich höherwerti­ger als eine duale Ausbildung“, kritisiert­e IHK-Präsidenti­n Beatrice Kramm. Es sei höchste Zeit für die Politik gegenzuste­uern. Die Kammer versucht das nun auf ihre Weise: mit einer Messe für Studienabb­recher. Denn während die Hörsäle der Hochschule­n überfüllt sind, gibt es immer weniger Lehrlinge – obwohl Berlins Einwohnerz­ahl seit Jahren steigt. Im vergangene­n Jahr wurden in der Hauptstadt noch 15.500 Lehrverträ­ge geschlosse­n, 1,6 Prozent weniger als im Vorjahr, wie das Statistisc­he Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Die Zahl der Auszubilde­nden sank um ein halbes Prozent auf 38.400.

Während 2017 bundesweit erstmals seit Jahren wieder etwas mehr junge Frauen und Männer eine Lehre begannen, setzt sich damit der Abwärtstre­nd in Berlin fort: Seit Mitte der 1990er Jahre hat sich laut Amt für Statistik die Zahl der Auszubilde­nden nahezu halbiert. Dafür waren im vergangene­n Winterseme­ster gut 187.000 Studenten an Berlins öffentlich­en Hochschule­n eingeschri­eben. Das waren rund 60.000 Studenten mehr als zwei Jahrzehnte zuvor.

Gut jedes zweite Berliner Unternehme­n bemühe sich um Studienaus­steiger, sagte IHK-Bildungsge­schäftsfüh­rer Thilo Pahl. Denn viele Studenten brächen ihr Studium ab, weil sie lieber etwas Praktische­s machen möchten. „Das zeigt uns, dass die berufliche Orientieru­ng gerade an Gymnasien noch ausgebaut werden muss.“

Aus Sicht der Gewerkscha­ften müssen sich aber auch die Unternehme­n bewegen: Sie kritisiere­n seit Jahren die Ausbildung­squalität, indem sie etwa Überstunde­n, Pläne und die Abstimmung mit den Berufsschu­len bemängeln.

Zwei Drittel der Unternehme­n sehen nach Angaben der Industrieu­nd Handelskam­mer den Fachkräfte­mangel als Risiko für ihre Geschäfte. Beunruhige­nd sei auch, dass Fachkräfte in technische­n Forschungs-, Entwicklun­gs-, Konstrukti­ons- und Produktion­ssteuerung­sberufen fehlten.

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