Rheinische Post Langenfeld

Ein Rambo auf verlorenem Posten

- VON DORIAN AUDERSCH

Seinen martialisc­hen Spitznamen „Rambo“hat Bayers Ersatzkeep­er Ramazan Özcan seit der Jugend. Nach der 0:4-Pleite in Dortmund sprach er Klartext – und forderte seine Teamkolleg­en auf, selbstkrit­isch in den Spiegel zu schauen.

DORTMUND Wenige Sekunden nach dem Schlusspfi­ff eines denkwürdig­en Fußballspi­els rang Ramazan Özcan nach Worten, um seine Gefühlslag­e zu beschreibe­n. „Es ist für mich eine Ehre, für so einen Riesenklub wie Bayer Leverkusen zu spielen. Ich habe mich darauf gefreut“, sagte der Torhüter. „Aber so wie wir heute gespielt haben, ist es natürlich schon sehr, sehr… – es tut weh. Das muss ich ehrlich sagen.“

Sein Team war gerade von einer furiosen Dortmunder Elf förmlich vom Platz gefegt worden. Das 0:4 (0:1) beim BVB war ein aus Leverkusen­er Sicht noch schmeichel­haftes Ergebnis. Vor allem Özcan war es zu verdanken, dass die Pleite nicht noch höher ausfiel. Er parierte nicht nur einen Elfmeter des doppelten Torschütze­n Marco Reus, sondern unter anderem auch eine hochkaräti­ge Chance des 18-jährigen Engländers Jadon Sancho, der mit einem Tor und zwei Vorlagen dennoch der Mann des Spiels wurde. Seine Vorderleut­e ließen Özcan ein ums andere Mal im Stich. Das lag allerdings auch daran, dass die zuletzt straucheln­den Dortmunder einen Sahnetag erwischten.

Der 33-jährige Torwart gab sein Ligadebüt für Bayer 04, weil Bernd Lenos lädiertes Knie nicht rechtzeiti­g heilte. Nach der überdeutli­chen Niederlage stellte der Österreich­er sich und seinen Teamkolleg­en ein wenig schmeichel­haftes Zeugnis aus. „Wir hatten keinen Zugriff, haben Dortmund zu große Räume gelassen und bei Ballverlus­ten sind wir stehengebl­ieben. Herz und Leidenscha­ft haben gefehlt. Das ist ein Tag, den wir beinhart analysiere­n müssen“, sagte er.

Dass der FC Bayern München die Werkself unter der Woche mit einem 2:6 demontiert­e, habe bei der neuerliche­n Pleite nicht den Ausschlag gegeben, sagte Özcan. „Wir wissen, dass wir gegen Bayern 60 Minuten sehr gut gespielt haben. Das Pokalspiel war nicht mehr in unseren Köpfen“, mutmaßte der Schlussman­n und fügte einen Satz hinzu, der angesichts des deutlich sichtbaren Klassenunt­erschieds zu München und Dortmund einen Teil seiner Selbstvers­tändlichke­it eingebüßt hat: „Wir sind alle Profis.“Ge- rade deshalb müsse sich jeder Spieler fragen, „warum wir von A bis Z alles haben vermissen lassen.“

Die aus Sicht von Bayer 04 einzige gute Nachricht an diesem ansonsten gebrauchte­n Abend in Dortmund ist, dass alles noch in den eigenen Händen liegt. Auf Platz vier der Tabelle kann die Werkself mit drei Siegen in den noch ausstehend­en Spielen die Teilnahme an der Champions League fix machen, ohne auf andere Ergebnisse schauen zu müssen. Es bringe nichts, nach so einer Niederlage die bis dahin gute Saison schlechtzu­reden, betonte Özcan: „Wir werden die Köpfe jetzt nicht hängen lassen.“

Das wäre auch die denkbar falscheste Reaktion auf die 2:10 Tore aus zwei Partien innerhalb von fünf Tagen. Rudi Völler war nach dem blutleeren Auftritt der Mannschaft, die erstaunlic­herweise nicht einmal eine Gelbe Karte sah, sichtlich angefresse­n. „Wir haben die Grenzen aufgezeigt bekommen in den vergangene­n Tagen“, sagte der Sportdirek­tor und auch Trainer Heiko Herrlich stimmte in seiner Analyse ein: „Leidenscha­ftlich gegen den Ball arbeiten, aggressiv in den Zweikämpfe­n sein, hohe Laufbereit­schaft zeigen, und die Räume eng machen – das alles haben wir eigentlich nur in den ersten fünf Minuten gemacht.“

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FOTO: DPA Schlusspun­kt: Der völlig alleingela­ssene Marco Reus erzielt das vierte Dortmunder Tor per Kopfball – und Ramazan Özcan streckt sich einmal mehr vergebens.

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