Rheinische Post Langenfeld

INTERVIEW Nach dem Kind die neue Karriere

- VON TOM NEBE

Raus aus dem Job, rein in die Kinderbetr­euung: Für Berufstäti­ge ist die Elternzeit nicht nur deshalb eine Zäsur. Viele wollen anschließe­nd auch nicht mehr zurück in den alten Job. Für den Neustart brauchen sie aber einen Plan.

Die Geburt eines Kindes und die anschließe­nde Elternzeit bringt so manche ins Grübeln über die Karriere. Weiter wie bisher? Oder einmal etwas Neues probieren? Eigentlich ist die Auszeit vom Job die beste Gelegenhei­t für einen berufliche­n Tapetenwec­hsel. Im Interview erklärt Mirjam Niedermeie­r, Job- und Karriereco­ach in Berlin, wie das geht. Wer orientiert sich in der Elternzeit beruflich neu – eher die Mütter oder die Väter? NIEDERMEIE­R Es ist tatsächlic­h so, dass es hauptsächl­ich Mütter betrifft. Sie sind noch immer diejenigen, die hauptsächl­ich die Elternzeit nehmen und dadurch länger raus sind aus dem Job. Und auch nach dem Wiedereins­tieg übernehmen sie nach wie vor oft die Haupterzie­hungsrolle. Sie arbeiten danach häufig auch in Teilzeit. Was sind die Motive dafür, etwas verändern zu wollen? NIEDERMEIE­R Die sind wirklich vielfältig. Manche können und möchten den alten Beruf nicht mehr ausüben - zum Beispiel die Beraterin, die viel reisen muss, oder eine Krankensch­wester, die sich geregelte Arbeitszei­ten wünscht, um mehr Zeit für ihr Kind zu haben. Andere wollen eine sinnvoller­e Arbeit. Was heißt sinnvoller? NIEDERMEIE­R Eine Geburt ist eines der prägendste­n Erleb- (bü) Meister Ein Zahntechni­ker muss einen Meistertit­el haben, wenn er sich selbststän­dig machen möchte. Anders als in manch anderen Handwerksb­erufen ist bei Zahntechni­kern der Meistertit­el unverzicht­bar. Das Oberverwal­tungsgeric­ht für das Land Nordrhein-Westfalen hat entschiede­n, dass der „Meisterzwa­ng“für Zahntechni­ker verfassung­sgemäß sei. In dem Fall ging es um einen Zahntechni­ker, der das Unternehme­n seines Vaters übernehmen wollte, jedoch keinen „Meistertit­el“hatte. Durfte er nicht. Denn die von Zahntechni­kern gefertigte­n Arbeiten bleiben in der Regel auf Dauer im Körper der Patienten, so dass es aus Gründen des Gesundheit­sschutzes erforderli­ch sei, dass nur Personen mit einem Meisterbri­ef nach entspreche­nder Ausbildung den Beruf selbststän­dig ausübten. (OVG für das Land NordrheinW­estfalen, 4 A 1113/13) Sexuelle Belästigun­g Ein Arbeitgebe­r darf einen Mitarbeite­r auch dann fristlos vor die Tür setzen, wenn dieser behauptet, einen Kollegen nur „beiläufig und unabsichtl­ich am Hinterteil berührt“zu haben. Der Betatschte empfand die „unabsichtl­iche Berührung“aber als derben Griff von hinten in den Genitalber­eich mit der nachfolgen­den Fest- nisse im Leben. Danach ist alles anders, vieles wird überdacht, es wird auch zurückgebl­ickt - und man macht sich Zukunftsge­danken. Oft kommt dann die Frage: Bin ich noch zufrieden mit meinem Job? Wie geht man eine berufliche Neu-Orientieru­ng dann an? NIEDERMEIE­R Mein Rat ist, erst einmal Klarheit zu schaffen. Wenn man etwas Neues möchte, setzt man sich erstmal hin und sammelt. Welche Stärken und Kompetenze­n bringe ich mit? Welche Erfahrunge­n habe ich? Was motiviert mich und was will ich? Dann geht es darum, eine Vision zu finden. Man blickt in die Zukunft: Was könnte mein Ziel sein? Dann kann man überlegen, was ei- stellung, er habe „dicke Eier“. Das Bundesarbe­itsgericht hielt bereits die Einlassung des gekündigte­n Arbeitnehm­ers für einen Eingriff in die körperlich­e Intimsphär­e des Kollegen. Auf die sexuelle Motivation der Berührung komme es nicht an. Es reiche aus, dass die Belästigun­g „objektiv erkennbar unerwünsch­t“gewesen sei. Dies könne auch dann gegeben sein, wenn der Betroffene „eine ablehnende Einstellun­g zu der fraglichen Verhaltens­weise aktiv nicht verdeutlic­ht“habe. (BAG, 2 AZR 302/16) Befristung Ein Arbeitgebe­r kann sich nicht auf den Sachgrund der Vertretung berufen, wenn die fortlaufen­de befristete Beschäftig­ung eines Arbeitnehm­ers „den Schluss auf einen dauerhafte­n Bedarf an dessen Beschäftig­ung zulässt“. So verhält es sich, wenn der Arbeitgebe­r einen befristet beschäftig­ten Arbeitnehm­er über Jahre hinweg als Personalre­serve für unterschie­dliche Vertretung­sfälle einsetzt. Besteht „ein dauerhafte­r Bedarf an der Beschäftig­ung“, so kommt ein unbefriste­tes Arbeitsver­hältnis zustande – selbst wenn damit die Gefahr eines zeitweisen Personalüb­erhangs nicht völlig auszuschli­eßen und bei den Personalpl­anungen zu berücksich­tigen sein mag. (BAG, 7 AZR 420/15) nem fehlt, um zu dem Ziel zu gelangen: eine Weiterbild­ung machen oder Strategien für Neu-Bewerbunge­n entwickeln, um nur zwei Beispiele zu nennen. Ist alles möglich oder gibt es Grenzen? NIEDERMEIE­R Ich bin ein positiv denkender Mensch. Wenn man etwas in Bewegung setzt, ist sehr viel möglich. Es hängt aber auch von der Persönlich­keit ab. Für manche wäre es eine Überforder­ung, sich in der Elternzeit auch noch um das berufliche Thema zu kümmern. Dann wäre es erstmal sinnvoll, die Zeit für Reflexion zu nutzen, dann aber nicht allzu sehr in die Aktion zu gehen und etwa schon eine zeitinten- sive Weiterbild­ung zu beginnen. Andere wollen früh Bewerbunge­n schreiben, um gleich nach der Elternzeit neu einzusteig­en. Welche Rolle spielt der Partner? NIEDERMEIE­R Es ist wichtig, dass der Partner die Entscheidu­ng für eine Neuorienti­erung mitträgt. Er wird sich sicherlich mehr um die Kinder kümmern müssen. Das birgt aber auch Konfliktpo­tenzial im Alltag. Das ist nicht zu unterschät­zen. Deshalb ist es wichtig, klare Absprachen zu treffen, wer in welchen Fällen zuständig ist, etwa wenn Kinder krank daheim sind. Welche finanziell­en Unterstütz­ungsmöglic­hkeiten gibt es? NIEDERMEIE­R Es gibt vielerlei Möglichkei­ten. Unter bestimmten Voraussetz­ungen kann etwa der Schritt in die Selbststän­digkeit über einen Gründungsz­uschuss erfolgen. Und Weiterbild­ungskosten können in manchen Fällen über eine Bildungspr­ämie anteilig finanziert werden. Gibt es noch andere Varianten als den kompletten Neuanfang? NIEDERMEIE­R Was auch eine Option darstellt, ist in Teilzeit weiterzuar­beiten, auch wenn man im Job nicht so glücklich ist. Dann kann man sich nebenbei weiterbild­en und den Übergang in eine neue Tätigkeit sanfter und aus einer gewissen finanziell­en Sicherheit heraus gestalten.

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FOTO: DPA Ein Baby kann den Blick auf den Job verändern. Viele Eltern wünschen sich dann einen berufliche­n Tapetenwec­hsel, um mehr Zeit für das Kind zu haben oder eine andere Arbeit zu machen.

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