Neuers WM-Teilnahme wird unwahrscheinlicher
Trainer Heynckes schließt das Comeback des Schlussmanns beim FC Bayern in der Bundesliga oder im Pokalfinale aus.
MÜNCHEN/DÜSSELDORF Mitte März stand Jupp Heynckes in Istanbul vor den Kameras des ZDF. Der FC Bayern München hatte das Rückspiel im Champions-League-Achtelfinale bei Besiktas mit 3:1 gewonnen. Und weil dieses Achtelfinale eine derart klare Angelegenheit war, dass es in dieser Hinsicht keinen Gesprächsbedarf mehr gab, erkundigte sich das ZDF-Team nach dem Befinden von Nationaltorwart Manuel Neuer. Ob er sich vorstellen könne, dass Neuer im April wieder spielen werde, wurde der Trainer gefragt. „Ich glaube ja“, sagte Heynckes. Der April ist vorbei, und der Schlussmann hat immer noch nicht gespielt. Sein Coach schließt inzwischen ein Comeback im Verein vor der WM aus. „Manuel wird am Samstag gegen Stuttgart nicht spielen – und auch im Pokalfinale nicht“, erklärte Heynckes nun.
Für Neuer wird es eng im Wettlauf gegen die Zeit. Nächste Woche benennt Bundestrainer Joachim Löw sein Aufgebot für die Weltmeisterschaft in Russland. Bis jetzt geht der Trainer davon aus, dass er auf Neuer bauen kann. Doch der Torwart erklärte bei einem PR-Termin seines Klubs: „Ich denke nicht, dass es vorstellbar ist, dass ich ohne Spielpraxis in so ein Turnier gehe.“Spielpraxis könnte ihm Löw in den Testspielen gegen Österreich (2. Juni in Klagenfurt) und Saudi-Arabien (8. Juni in Leverkusen) verschaffen.
Es ist aber mehr denn je die Frage, ob der Torwart sich fit genug dafür fühlt. „Ich muss für mich und die Mannschaft und auch für die Fußballrepublik Deutschland die richtige Entscheidung treffen, und da hilft es nicht, sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Ich muss die richtige Entscheidung treffen, und wie sie ausfällt, das wird man dann am Ende sehen“, erklärte er. Sicher ist, dass Löw ihm die Entscheidung über eine WM-Teilnahme überlassen wird.
Neuer hat seit September 2017 nicht mehr gespielt. Damals erlitt er einen Bruch im linken Fuß, eine Verletzung, die ihn bereits mehrmals zu Pausen gezwungen hatte. Erstmals wurde er operiert, und er wähnte sich im Frühjahr auf dem richtigen Weg, noch in der Bundesliga wieder auflaufen zu können. Zuletzt hat er mit seiner Mannschaft beim FC Bayern Teile des Teamtrainings absolvieren können. Aber es gab auch vergangene Woche eine mehrtägige Pause, weil der operierte linke Fuß angeschwollen war.
In einer an Ferndiagnosen reichen Zeit verbreitete der ehemalige DFB-Physiotherapeut Oliver Schmidtlein in „Sportbild“die Ansicht, Neuer werde frühestens zu den K.o.-Spielen der WM wieder fit sein, also Anfang Juli. Wenn das richtig sein sollte, ist es eher unwahrscheinlich, dass Neuer das Risiko einer WM-Teilnahme eingeht. Seine Verletzungspause hat ihn gelehrt, gut auf die Zeichen des Kör- pers zu hören. Und weil er schon mal zu früh wieder in den Wettkampf gegangen ist, kennt er die Gefahren. Darüber hinaus weiß er natürlich, dass körperliche Fitness und hohe Belastungen im Training weder den Ernstfall im Spiel ersetzen noch den Rhythmus herstellen, der gerade für Torhüter so wichtig ist. Bis die Automatismen im Spiel des Schlussmanns greifen, bis die Sicherheit im Zusammenspiel zurückkehrt, dauert es einige Zeit.
Neuer wird abwägen müssen, ob das gesundheitliche Risiko im Fall einer WM-Teilnahme überschaubar ist. Und auch wenn es für einen, dessen Können ebenso ausgeprägt ist wie der Ehrgeiz, schmerzlich wäre, die WM abzusagen, kann er sich immer noch beim Blick in den Personalausweis trösten. Neuer ist 32. Das ist für einen Torwart längst noch kein Pensionsalter – wie es der große Gigi Buffon bewiesen hat, der Italiens Nationalmannschaft mit 38 als Kapitän in die EM in Frankreich führte. 32 Jahre sind aber nur dann für einen Torwart kein Pensionsalter, wenn er gesund ist. Und ob er so richtig gesund ist, weiß wohl nur Neuer allein.