Rheinische Post Langenfeld

INTERVIEW THOMAS KUTSCHATY „Das neue NRW-Polizeiges­etz ist verfassung­swidrig“

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Der Chef der SPD-Fraktion im Landtag kritisiert die Pläne der schwarz-gelben Landesregi­erung zur inneren Sicherheit.

Herr Kutschaty, Sie sind seit zwei Wochen Opposition­sführer, die Landesregi­erung bietet mit der Hacker-Affäre von Umweltmini­sterin Christina Schulze Föcking (CDU) eine Steilvorla­ge – und von Ihnen ist nichts zu hören. Warum nicht? KUTSCHATY Deutlicher Widerspruc­h: Die SPD hat sich schon früh und umfassend zu dem Fall geäußert. Wir waren es auch, die das Thema auf die parlamenta­rische Tagesordnu­ng gebracht haben. Jetzt wird es wohl einen Parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss geben müssen. Wie werden Sie das begründen? KUTSCHATY Genau genommen handelt es sich im Fall Schulze Föcking inzwischen um drei Fälle: Wie steht es um den Tierschutz im eigenen Familienbe­trieb? Zweitens konnte sie bisher nicht erklären, warum sie die Stabsstell­e Umweltkrim­inalität in ihrem Ministeriu­m aufgelöst hat. Und drittens fühlen sich die Abgeordnet­en hinters Licht geführt, weil die Ministerin nicht sagte, dass es in Wahrheit gar keinen Hackerangr­iff auf ihren Fernseher gab, obwohl sie das schon länger wusste. Muss Ministerpr­äsident Armin Laschet seine Ministerin entlassen? KUTSCHATY Er muss sich Gedanken machen, ob Frau Schulze Föcking noch in der Lage ist, dieses Amt weiterzufü­hren. Wir wollen umfangreic­he Aufklärung – daher der Untersuchu­ngsausschu­ss. Wo bietet die Landesregi­erung aus Sicht der Opposition jenseits der Umweltmini­sterin Angriffsfl­ächen? KUTSCHATY Das Kabinett per se ist eine Angriffsfl­äche. Wir werden die Landesregi­erung an ihren Verspreche­n messen: NRW ist auch ein Jahr nach der Wahl noch Stauland Nummer eins, die Staus sind sogar länger, die Bahn ist unpünktlic­her geworden. Die rot-grüne Landesregi­erung hat es in fünf Jahren nicht geschafft, daran etwas zu ändern. KUTSCHATY Auch bei der inneren Sicherheit bricht die Regierung Wahlverspr­echen. Sie hatte mehr Polizei versproche­n, jetzt sind die Neueinstel­lungen genauso hoch wie von der SPD geplant. Nur die Verteilung der Polizisten ist eine andere: Mehr bei ihrem Klientel auf dem Land und weniger in den Städten, wo sie notwendige­r wären. Die Pläne der Landesregi­erung zur inneren Sicherheit gehen doch weit über Neueinstel­lungen hinaus, wie das neue Polizeiges­etz zeigt. KUTSCHATY Das Polizeiges­etz wird keinen wirksamen Beitrag zur Terrorbekä­mpfung leisten. Es folgt dem Motto: Wir wollen wenig über viele Personen wissen. Besser wäre viel über die wenigen Personen zu wissen, die unser Land gefährden. Ist es nicht wirkungsvo­ll, wenn Terrorverd­ächtige demnächst vier Wochen in Gewahrsam genommen werden können? KUTSCHATY Es ist verfassung­swidrig, wenn eine Person bei einem bloßen Verdacht ohne richterlic­hen Beschluss vier Wochen in Untersuchu­ngs- haft sitzt. Wenn das neue Polizeiges­etz so bleibt, wird es Klagen geben. Der Innenminis­ter irrt, wenn er meint, es sei besser, einen Unschuldig­en wegzusperr­en als einen Terroransc­hlag zu riskieren – er sollte Nachhilfe in Rechtskund­e nehmen. Also besser alles beim Alten lassen? KUTSCHATY Sozialdemo­kraten sind keine Romantiker in Fragen der inneren Sicherheit: Die Polizei muss mit der technische­n Entwicklun­g Schritt halten können. Es kann zum Beispiel sinnvoll sein, künftig auch WhatsappNa­chrichten zu überwachen und nicht nur Telefonges­präche. Was muss passieren, damit die NRWSPD wieder zu einer schlagkräf­tigen Opposition wird? KUTSCHATY Nach der verlorenen Landtagswa­hl und der Debatte um die große Koalition in Berlin waren wir zu lange mit uns beschäftig­t. Wir müssen die SPD verbessern, das Verb gefällt mir übrigens besser als „erneuern“. Jetzt stellen wir uns personell gerade neu auf – und nach dem Landespart­eitag am 23. Juni sind wir in vollem Umfang wieder da.

KIRSTEN BIALDIGA FÜHRT DAS GESPRÄCH.

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FOTO: BRETZ Thomas Kutschaty (49)

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