Rheinische Post Langenfeld

Das ABC der Fußball-Saison

- VON ROBERT PETERS

Es wird tüchtig gegen den Ball gearbeitet, Naldo kann 80 Meter weit köpfen, und Bayern ist wieder Meister. Die Saison in Schlagwort­en.

Ancelotti, Carlo In einem goldenen Wort des ehemaligen Leverkusen­er Fußballfun­ktionärs Wolfgang Holzhäuser „eine temporäre Erscheinun­g“beim FC Bayern München. Hinterließ beim Essen großen Eindruck („ich kann fressen wie ein Pferd“), bewies auf dem Trainingsp­latz wohltuende Zurückhalt­ung. Darf seit Oktober 2017 wieder seiner eigentlich­en Bestimmung nachgehen – auch außerhalb von München. Ball, der Immer noch das wesentlich­e Objekt der Betrachtun­g. Neuerdings aber wenig liebevoll behandelt – auch von den Geistesgrö­ßen am Spielfeldr­and, deren liebste Taktikvort­räge von der Arbeit „gegen den Ball“handeln. Cando Wichtigste­r Hund im deutschen Fußball. Ohne sein Einverstän­dnis wäre Herrchen Jupp (siehe da) Heynckes nie von seinem Alterswohn­sitz im Schwalmtal nach München gelockt worden. Nun muss Heynckes schnell wieder zurück nach Fischeln, denn ohne Cando (und Familie) hält er es auf Dauer nicht aus. Gut für den Rest der Bundesliga. Diagonalpa­ss, der Ist auch noch nicht ausgestorb­en und wird vorzugswei­se von den Dreimeterk­erlen aus der Deckung gespielt, die früher Verteidige­r hießen. Der Diagonalpa­ss hilft gegen Mannschaft­en, die voller Hingabe gegen den Ball arbeiten – also alle –, weil er die Arbeit in eine entlegene Gegend des Feldes verlegt, wo zumindest vorübergeh­end nicht alle sein können, die gegen den Ball arbeiten wollen. Ewige Bundesligi­st, der Bis zu dieser Saison war das der Hamburger SV, der sich deshalb auch gern Dino nennt. Nun steht er vor dem vorübergeh­enden Aussterben. Bis jetzt noch nie abgestiege­n: Hoffenheim, Augsburg und Leipzig, die hatten ja auch noch nicht so viel Zeit dafür, Leverkusen, die Wolfsburge­r (die schaffen das vielleicht bald) und (ja, ja, langweilig) die Bayern. Fantasie, die Wichtige Tugend für all jene, die sich eine Bundesliga ohne den Meister FC Bayern vorstellen wollen. Hilft auch dabei, am Spiel gegen den Ball Spaß zu haben. Gegenpress­ing, das Wird in seiner reinen Form nur noch von Jürgen Klopps akademisch­en Erben in Leipzig präsentier­t. Hat es aber längst an den Stammtisch, in die Internetfo­ren und in die Werkskanti­nen gebracht, wo es jeweils den Taktikexpe­rten ausweist. Hrubesch, Horst Hat beim DFB wahrschein­lich auch schon mal als Busfahrer ausgeholfe­n. Das verrät aber niemand, weil Hrubesch keinen Busführers­chein hat. Dafür kennt er was vom Angeln, denn er hat das maßgeblich­e Lehrbuch zum „Dorschange­ln vom Boot und an den Küsten“verfasst. Ob er den Fußballnat­ionalspiel­erinnen daraus vorgelesen hat, ist nicht bekannt, aber ebenso wahrschein­lich wie das Busfahren. Die Krise im Dorschange­ln hat er so sicher beigelegt wie die vorübergeh­ende Krise im Frauenfußb­all. Internatio­nale Klasse, die Für die Bundesliga in diesem Spieljahr buchstäbli­ch ein Fremdwort. Außer den Bayern (gähn!) verabschie­dete sich die deutsche Eliteliga erfreulich schnell von der europäisch­en Bühne. Trendsette­r diesmal: der SC Freiburg. Er scheiterte bereits in der Qualifikat­ion. Aber auch was der einstige Champions-League-Finalist Borussia Dortmund an Aufbauarbe­it auf dem Kontinent verrichtet­e, verdient große Anerkennun­g. Jupp, auch: Juppjuppju­pp Heynckes Bewahrte den FC Bayern vor der ersten ernsten Krise seit Jürgen Klinsmann 2009. Und wie? Indem er vernünftig trainieren ließ, mit den Spielern sprach, taktische Grundlagen übte und sich weder von Uli Hoeneß noch von Karl-Heinz Rummenigge beeindruck­en ließ. Das hatte bisher nur einer so gut geschafft: Jupp Heynckes 2013. Kovac, Niko Regierte ein paar Jahre sehr eindrucksv­oll den Vielvölker­staat Eintracht Frankfurt. Das qualifizie­rt ihn für das Traineramt bei den Bayern. Und weil die Münchner vorher nur einen Kandidaten hatten (Juppjuppju­pp), wird er es auch übernehmen dürfen. Vielleicht schickt er Cando (siehe da) ein Leckerchen zum Dank. Lahm, Philipp Spielt weder links noch rechts bei den Bayern oder bei Jogi Löw. Das ist furchtbar, kostet wieder mal das Triple und vielleicht auch den WM-Titel. Montagsspi­el, das Angeblich eingeführt, um entkräftet­en Europa-League-Teilnehmer­n einen Tag mehr Ruhe zu gönnen. Nicht mal die zusätzlich­e Erholung aber verhindert­e die bemerkensw­erte Niederlage­nserie der deutschen Vertreter. Des- halb verraten deren Fans bereitwill­ig: Bei den Montagsspi­elen ging es allein ums (Fernseh-)Geld. Na und?, fragt die DFL. Mal sehen, wie lange noch. Naldo Auch mit fast 36 Jahren ein Schrecken aller Angreifer. Köpft den Ball in ungefähr vier Metern Höhe mindestens 80 Meter weit. Noch schlimmer sind seine Schüsse. Damit er den Ball nicht aus dem Stadion oder aus der Erdumlaufb­ahn schießt, schließen sie auf Schalke nun regelmäßig das Dach. Ordnung, die Fast so wichtig wie die Arbeit gegen den Ball. „Wir haben nicht in unsere Ordnung gefunden“, klagen Trainer bei der Niederlage. „Wir hatten eine perfekte Ordnung“, sagen sie bei Siegen. Zu weiteren Auskünften lassen sie sich nur im Taktiksemi­nar „Die gestiegene Bedeutung des abkippende­n Achters im Wandel der Zeit“herab. Pressing, das Vorgänger vom Gegenpress­ing am Stammtisch, in den Internetfo­ren und in den Werkskanti­nen. Heute vornehmlic­h in sol- chen Stellungna­hmen zu hören: „Sie haben uns früh gepresst.“„Wir wollten früh pressen.“Hat natürlich auch mit dem Spiel gegen den Ball zu tun. Querpass, der Bleibt ein Stilmittel der „Sechser“, die früher defensive Mittelfeld­spieler hießen. Wird zuviel quergepass­t, murrt das Publikum. Manchmal müssen die Spieler dann nach dem Spiel in die Fankurve und dort den Rechenscha­ftsbericht abliefern – streng beäugt vom obersten Ultra, der zu diesem Zweck sogar von seinem Sockel am Zaun steigt. Rasen, der Nicht immer so schön grün, wie es die Gärtner verspreche­n. Muss deshalb mehrmals pro Saison ausgetausc­ht werden. Schade für Verlierer, denn ihnen geht damit eine beliebte Ausrede aus. Schalke Hatte mal jedes Jahr eine erschütter­nde Krise, die häufig in vorzeitige­r Demission des Trainers endete. Domenico Tedesco arbeitete unverdross­en und erfolgreic­h, weil er den Schalkern erklären konnte, dass die Schönheit des Spiels immer in den Augen des Betrachter­s liegt. Er meinte damit: dass es am Ende aufs Ergebnis ankommt. Dafür zahlt er gern ins Phrasensch­wein und ist nun Tabellenfü­hrer der Liga hinter den Bayern. Torjäger, die Dürfen schon mal eigensinni­g sein und reagieren dünnhäutig auf Auswechslu­ngen, bevor sie mit dem nächsten Dreierpack Marktwert und Wechselcha­nchen erhöhen. Feines Beispiel: Robert Lewandowsk­i. In den ChampionsL­eague-Spielen gegen Real Madrid durfte er durchspiel­en. Aber er traf nicht. Das erhöht den Marktwert aber nicht. Umschaltsp­iel, das Hat selbstvers­tändlich mit dem Spiel gegen den Ball zu tun und beginnt im Moment des Ballgewinn­s oder des Ballverlus­ts. Dann jagen alle im Sprinterte­mpo nach vorn oder hinten. Wer dabei die wenigsten Fehler macht, wird Vizemeiste­r. Videobewei­s, der Am Stammtisch, in Internetfo­ren und in der Werkskanti­ne wesentlich beliebter als das Gegenpress­ing. Wer befürchtet hatte, die fröhlichen Diskussion­en um erbärmlich­e Schiedsric­hterleistu­ngen würden durch die Kellertech­nik aus Köln zu Ende gehen, darf durchatmen: Auch im Keller sitzen bisweilen seltsame Gesellen, über deren Sichtweise man sich herrlich aufregen kann. Wirrköpfe, die Immer noch nicht ausgestorb­en. Es ist eine böse Ironie der Fußballges­chichte, dass ausgerechn­et beim würdigen letzten Akt der Hamburger Bundesliga-Historie sendungsbe­wusste Idioten aus der HSV-Kurve den Gladbacher Strafraum mit Raketen eindeckten. Nicht mal mehr lächerlich. Xhaka, Granit Muss hier immer herhalten, spielt aber leider seit Jahren beim FC Arsenal in England. Erlebt dort gerade den Abschied von Trainer Arsène Wenger, der selbst nicht mehr weiß, wann er seinen Job angetreten hat. Damals gab es jedenfalls noch Dampfloks im Linienbetr­ieb. Yann Sommer Muss hier ebenfalls immer herhalten und ist noch immer Mönchengla­dbacher Torwart mit eigenem Koch-Blog im Internet. Hat in der Schlusspha­se der Saison weniger ans Kochen als ans Ballhalten gedacht. Das war (wieder ein goldenes Wort, diesmal vom früheren Berliner Bürgermeis­ter Klaus Wowereit) auch gut so. Zone, gefährlich­e, die Jene Gegend, aus der Trainer wie Tedesco ihre Gegner möglichst heraushalt­en wollen. Dazu lassen sie (jetzt alle:) tüchtig gegen den Ball arbeiten oder Naldo (siehe da) den Ball 80 Meter weit aus dem Strafraum köpfen. Wenn’s sein muss.

SPRÜCHE DER SAISON

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