Das ABC der Fußball-Saison
Es wird tüchtig gegen den Ball gearbeitet, Naldo kann 80 Meter weit köpfen, und Bayern ist wieder Meister. Die Saison in Schlagworten.
Ancelotti, Carlo In einem goldenen Wort des ehemaligen Leverkusener Fußballfunktionärs Wolfgang Holzhäuser „eine temporäre Erscheinung“beim FC Bayern München. Hinterließ beim Essen großen Eindruck („ich kann fressen wie ein Pferd“), bewies auf dem Trainingsplatz wohltuende Zurückhaltung. Darf seit Oktober 2017 wieder seiner eigentlichen Bestimmung nachgehen – auch außerhalb von München. Ball, der Immer noch das wesentliche Objekt der Betrachtung. Neuerdings aber wenig liebevoll behandelt – auch von den Geistesgrößen am Spielfeldrand, deren liebste Taktikvorträge von der Arbeit „gegen den Ball“handeln. Cando Wichtigster Hund im deutschen Fußball. Ohne sein Einverständnis wäre Herrchen Jupp (siehe da) Heynckes nie von seinem Alterswohnsitz im Schwalmtal nach München gelockt worden. Nun muss Heynckes schnell wieder zurück nach Fischeln, denn ohne Cando (und Familie) hält er es auf Dauer nicht aus. Gut für den Rest der Bundesliga. Diagonalpass, der Ist auch noch nicht ausgestorben und wird vorzugsweise von den Dreimeterkerlen aus der Deckung gespielt, die früher Verteidiger hießen. Der Diagonalpass hilft gegen Mannschaften, die voller Hingabe gegen den Ball arbeiten – also alle –, weil er die Arbeit in eine entlegene Gegend des Feldes verlegt, wo zumindest vorübergehend nicht alle sein können, die gegen den Ball arbeiten wollen. Ewige Bundesligist, der Bis zu dieser Saison war das der Hamburger SV, der sich deshalb auch gern Dino nennt. Nun steht er vor dem vorübergehenden Aussterben. Bis jetzt noch nie abgestiegen: Hoffenheim, Augsburg und Leipzig, die hatten ja auch noch nicht so viel Zeit dafür, Leverkusen, die Wolfsburger (die schaffen das vielleicht bald) und (ja, ja, langweilig) die Bayern. Fantasie, die Wichtige Tugend für all jene, die sich eine Bundesliga ohne den Meister FC Bayern vorstellen wollen. Hilft auch dabei, am Spiel gegen den Ball Spaß zu haben. Gegenpressing, das Wird in seiner reinen Form nur noch von Jürgen Klopps akademischen Erben in Leipzig präsentiert. Hat es aber längst an den Stammtisch, in die Internetforen und in die Werkskantinen gebracht, wo es jeweils den Taktikexperten ausweist. Hrubesch, Horst Hat beim DFB wahrscheinlich auch schon mal als Busfahrer ausgeholfen. Das verrät aber niemand, weil Hrubesch keinen Busführerschein hat. Dafür kennt er was vom Angeln, denn er hat das maßgebliche Lehrbuch zum „Dorschangeln vom Boot und an den Küsten“verfasst. Ob er den Fußballnationalspielerinnen daraus vorgelesen hat, ist nicht bekannt, aber ebenso wahrscheinlich wie das Busfahren. Die Krise im Dorschangeln hat er so sicher beigelegt wie die vorübergehende Krise im Frauenfußball. Internationale Klasse, die Für die Bundesliga in diesem Spieljahr buchstäblich ein Fremdwort. Außer den Bayern (gähn!) verabschiedete sich die deutsche Eliteliga erfreulich schnell von der europäischen Bühne. Trendsetter diesmal: der SC Freiburg. Er scheiterte bereits in der Qualifikation. Aber auch was der einstige Champions-League-Finalist Borussia Dortmund an Aufbauarbeit auf dem Kontinent verrichtete, verdient große Anerkennung. Jupp, auch: Juppjuppjupp Heynckes Bewahrte den FC Bayern vor der ersten ernsten Krise seit Jürgen Klinsmann 2009. Und wie? Indem er vernünftig trainieren ließ, mit den Spielern sprach, taktische Grundlagen übte und sich weder von Uli Hoeneß noch von Karl-Heinz Rummenigge beeindrucken ließ. Das hatte bisher nur einer so gut geschafft: Jupp Heynckes 2013. Kovac, Niko Regierte ein paar Jahre sehr eindrucksvoll den Vielvölkerstaat Eintracht Frankfurt. Das qualifiziert ihn für das Traineramt bei den Bayern. Und weil die Münchner vorher nur einen Kandidaten hatten (Juppjuppjupp), wird er es auch übernehmen dürfen. Vielleicht schickt er Cando (siehe da) ein Leckerchen zum Dank. Lahm, Philipp Spielt weder links noch rechts bei den Bayern oder bei Jogi Löw. Das ist furchtbar, kostet wieder mal das Triple und vielleicht auch den WM-Titel. Montagsspiel, das Angeblich eingeführt, um entkräfteten Europa-League-Teilnehmern einen Tag mehr Ruhe zu gönnen. Nicht mal die zusätzliche Erholung aber verhinderte die bemerkenswerte Niederlagenserie der deutschen Vertreter. Des- halb verraten deren Fans bereitwillig: Bei den Montagsspielen ging es allein ums (Fernseh-)Geld. Na und?, fragt die DFL. Mal sehen, wie lange noch. Naldo Auch mit fast 36 Jahren ein Schrecken aller Angreifer. Köpft den Ball in ungefähr vier Metern Höhe mindestens 80 Meter weit. Noch schlimmer sind seine Schüsse. Damit er den Ball nicht aus dem Stadion oder aus der Erdumlaufbahn schießt, schließen sie auf Schalke nun regelmäßig das Dach. Ordnung, die Fast so wichtig wie die Arbeit gegen den Ball. „Wir haben nicht in unsere Ordnung gefunden“, klagen Trainer bei der Niederlage. „Wir hatten eine perfekte Ordnung“, sagen sie bei Siegen. Zu weiteren Auskünften lassen sie sich nur im Taktikseminar „Die gestiegene Bedeutung des abkippenden Achters im Wandel der Zeit“herab. Pressing, das Vorgänger vom Gegenpressing am Stammtisch, in den Internetforen und in den Werkskantinen. Heute vornehmlich in sol- chen Stellungnahmen zu hören: „Sie haben uns früh gepresst.“„Wir wollten früh pressen.“Hat natürlich auch mit dem Spiel gegen den Ball zu tun. Querpass, der Bleibt ein Stilmittel der „Sechser“, die früher defensive Mittelfeldspieler hießen. Wird zuviel quergepasst, murrt das Publikum. Manchmal müssen die Spieler dann nach dem Spiel in die Fankurve und dort den Rechenschaftsbericht abliefern – streng beäugt vom obersten Ultra, der zu diesem Zweck sogar von seinem Sockel am Zaun steigt. Rasen, der Nicht immer so schön grün, wie es die Gärtner versprechen. Muss deshalb mehrmals pro Saison ausgetauscht werden. Schade für Verlierer, denn ihnen geht damit eine beliebte Ausrede aus. Schalke Hatte mal jedes Jahr eine erschütternde Krise, die häufig in vorzeitiger Demission des Trainers endete. Domenico Tedesco arbeitete unverdrossen und erfolgreich, weil er den Schalkern erklären konnte, dass die Schönheit des Spiels immer in den Augen des Betrachters liegt. Er meinte damit: dass es am Ende aufs Ergebnis ankommt. Dafür zahlt er gern ins Phrasenschwein und ist nun Tabellenführer der Liga hinter den Bayern. Torjäger, die Dürfen schon mal eigensinnig sein und reagieren dünnhäutig auf Auswechslungen, bevor sie mit dem nächsten Dreierpack Marktwert und Wechselchanchen erhöhen. Feines Beispiel: Robert Lewandowski. In den ChampionsLeague-Spielen gegen Real Madrid durfte er durchspielen. Aber er traf nicht. Das erhöht den Marktwert aber nicht. Umschaltspiel, das Hat selbstverständlich mit dem Spiel gegen den Ball zu tun und beginnt im Moment des Ballgewinns oder des Ballverlusts. Dann jagen alle im Sprintertempo nach vorn oder hinten. Wer dabei die wenigsten Fehler macht, wird Vizemeister. Videobeweis, der Am Stammtisch, in Internetforen und in der Werkskantine wesentlich beliebter als das Gegenpressing. Wer befürchtet hatte, die fröhlichen Diskussionen um erbärmliche Schiedsrichterleistungen würden durch die Kellertechnik aus Köln zu Ende gehen, darf durchatmen: Auch im Keller sitzen bisweilen seltsame Gesellen, über deren Sichtweise man sich herrlich aufregen kann. Wirrköpfe, die Immer noch nicht ausgestorben. Es ist eine böse Ironie der Fußballgeschichte, dass ausgerechnet beim würdigen letzten Akt der Hamburger Bundesliga-Historie sendungsbewusste Idioten aus der HSV-Kurve den Gladbacher Strafraum mit Raketen eindeckten. Nicht mal mehr lächerlich. Xhaka, Granit Muss hier immer herhalten, spielt aber leider seit Jahren beim FC Arsenal in England. Erlebt dort gerade den Abschied von Trainer Arsène Wenger, der selbst nicht mehr weiß, wann er seinen Job angetreten hat. Damals gab es jedenfalls noch Dampfloks im Linienbetrieb. Yann Sommer Muss hier ebenfalls immer herhalten und ist noch immer Mönchengladbacher Torwart mit eigenem Koch-Blog im Internet. Hat in der Schlussphase der Saison weniger ans Kochen als ans Ballhalten gedacht. Das war (wieder ein goldenes Wort, diesmal vom früheren Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit) auch gut so. Zone, gefährliche, die Jene Gegend, aus der Trainer wie Tedesco ihre Gegner möglichst heraushalten wollen. Dazu lassen sie (jetzt alle:) tüchtig gegen den Ball arbeiten oder Naldo (siehe da) den Ball 80 Meter weit aus dem Strafraum köpfen. Wenn’s sein muss.
SPRÜCHE DER SAISON