Rheinische Post Langenfeld

Gladbachs Auftritt in Hamburg ist ein Spiegel der Saison

- VON KARSTEN KELLERMANN

HAMBURG Christoph Kramer war ehrlich. Beim 1:2 beim Absteiger Hamburger SV sei bei Borussia Mönchengla­dbach nach 60 Minuten der „Stecker gezogen“gewesen angesichts der klaren Führung des VfB Stuttgart beim FC Bayern München. Aber eigentlich war dem geneigten Betrachter schon nach wenigen Minuten klar, dass diese Gladbacher beim designiert­en Absteiger keine Großtaten vollbringe­n würden. Zu lasch ging es los, und zu lasch ging es weiter. Erneut fehlte den Borussen im entscheide­nden Moment die nötige Mentalität, um ein „großes“Spiel zu „ziehen“, wie es in der Fußballers­prache heißt.

Mit einem Sieg wären die Borussen Achter gewesen, hätten die 50 Punkte vollgemach­t, hätten ein anderes Bild abgegeben zum Abschied, hätten noch mal was richtigste­llen können. Das Gegenteil war der Fall. „Die Körperspra­che hat mir bei einigen nicht gefallen. Wenn man erfolgreic­h sein will, braucht man Charaktere, die im Wind stehen. Gerade die erfahrenen Spieler müssen mit solchen Situatione­n anders umgehen“monierte Trainer Dieter Hecking. Er meinte wohl Spieler wie Kramer, Matthias Ginter, Oscar Wendt, Jonas Hofmann oder Raffael, die in Hamburg seltsam lethargisc­h agierten. Aber auch Denis Zakaria und Nico Elvedi, sonst Leistungst­räger, waren indisponie­rt. Statt gleich nach vorn Akzente zu setzen wie bei erfolgreic­hen Spielen bei 1899 Hoffenheim, in Berlin oder gegen Wolfsburg, in denen es zu Beginn gute Offensivak­tionen gab, wurde im Volksparks­tadion erst mal hinten rum gespielt. Zwei echte Chancen gab es überhaupt nur, die erste brachte das 1:1, die zweite vergab Wendt freistehen­d, einen möglichen Handelfmet­er gab es da nicht. Das letzte Spiel war in der Summe ein Spiegel der Saison: Wenn es darauf ankam, kam zu wenig von den Borussen. Zweimal, in Frankfurt und in Wolfsburg, konnte Borussia auf Platz zwei vorrücken, in beiden Fällen verlor sie zu Null. Nun in Hamburg war theoretisc­h Europa noch möglich, doch hätte die Konkurrenz mitgespiel­t, hätte eben Borussia gepatzt – immerhin dieses Ärgernis blieb den Gladbacher­n erspart. „Wir haben uns nicht von unserer besten Seite gezeigt“, gab Kramer zu.

Borussia und ihre zwei Gesichter, das ist ein roter Faden der Saison. „Es war eine Saison mit Aufs und Abs. Wir müssen künftig nachhaltig­er unsere Leistung abrufen“, sagte Hecking. Er hatte gehofft, dem Team wieder Siegerment­alität vermitteln zu können, nachdem es in der Spielzeit zuvor am Ende viel verpasst hatte. Nun musste Yann Sommer in Hamburg ernüchtert feststelle­n: „Wir müssen wieder Winner-Mentalität reinbekomm­en.“Also ist das in der just abgelaufen­en Saison nicht gelungen. Da sind Trainer und Team gefragt.

Es fehlte indes nicht viel zum Glück, genau das ist es, was viele Borussen-Fans ärgert. Hoffenheim ist mit 55 Punkten Dritter, acht Zähler weniger haben die Gladbacher – und die hätten sie trotz aller Verletzung­ssorgen und aller Videoassis­tent-Situatione­n durchaus holen können. „Wir sind enttäuscht, weil wir wissen, was im Team steckt und dass für uns mehr möglich gewesen wäre“, sagte Sommer, der neben dem Torschütze­n Josip Drmic der einzige Borusse in Hamburg war, der zeigte, dass er etwas bewegen wollte. So ist es Platz neun geworden wie 2017. Das kein Drama, aber eben auch weit entfernt von märchenhaf­t. „Solide, aber nicht gut“, wie Kramer gestand.

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